Da sage noch einmal jemand, öffentlich-rechtliches Fernsehen komme seinem Bildungsauftrag nicht nach. So lief am Montagabend vor dem Jahreswechsel im Superspartensender „alpha“ eine Wissenschaftsdokumentation über die Entwicklung des Menschen. Dort belegten die tatsächlich seriösen, weil sich an Fakten und nicht an erdachten Prognosen orientierenden Wissenschaftler, dass die Evolutionsgeschichte des Menschen überaus faszinierende Entwicklungssprünge aufweist. Evolution, so anhand der Knochenfunde belegt, verlief – und damit auch verläuft – nicht als kontinuierliche Entwicklung in stetigen, kleinen Schritten, sondern es gab erdgeschichtliche Phasen, in denen das Gehirn der frühmenschlichen Affen und Hominiden innerhalb universalgeschichtlicher Momente erstaunliche Zuwächse nahm. Mensch wurde also nicht langsam zu einem solchen, sondern nach Phasen der Stagnation in durchaus schon als revolutionär zu bezeichnenden Sprüngen.
Ist allein das bereits überaus spannend (und könnte manchen Kreationisten dazu verführen, seine Vorstellung eines gezielten göttlichen Einwirkens als bewiesen zu betrachten), so wird es erst recht interessant, wenn die anderen Erkenntnisse der Wissenschaftler hinzugezogen werden. So konnten sie die Entwicklungssprünge des menschlichen Gehirns tatsächlich unmittelbar an klimatische Bedingungen koppeln, denn immer dann, wenn der frühe Homo schlauer wurde, gab es auf der Erde einen erheblichen Wandel des Klimas. Was wiederum den Kreationisten veranlassen könnte, von einem göttlichen Backofen zu fantasieren, in dem der Mensch auf seine nächste Entwicklungsstufe gebacken wurde. Tatsächlich jedoch ist im Sinne der Evolution – die längst keine Theorie mehr ist und weshalb der Unsinnsbegriff einer „Evolutionstheorie“ hier auch nicht verwendet werden soll – davon auszugehen, dass die Veränderung der Lebensbedingungen, verursacht durch erheblichen und spürbaren Klimawandel, die Evolutionsmaschine anwarf. Denn die sich wandelnden Bedingungen erforderten vom Vor- und Frühmenschen, sich ihnen bedingungslos anzupassen oder als evolutionärer Irrtum zu verschwinden.
Homo war offenbar ein schlaues Kerlchen. Zumindest die Vorfahren jener, deren Nachkommen heute den Planeten bevölkern. Denn andernfalls gäbe es heute auf dem Planeten, den sie Erde genannt haben, keine Menschen. Oder, um es anders zu formulieren: Beim Homo gab es manche, deren Gehirn sich rasant innerhalb weniger Generationenfolgen deutlich entwickelte und damit deren Träger in die Lage versetzte, in den veränderten Lebensbedingungen nicht nur zu vegetieren, sondern sie in ihrem Sinne sich nutzbar zu machen. Das Gehirn der Überlebenden war derart entwickelt, dass sie mit den neuen Bedingungen zurechtkamen. Jene, bei denen das nicht oder zumindest nicht in dem menschlichen Maße funktionierte, starben aus – oder hinterließen Nachkommen, um deren Überleben wir uns heute ängstigen, weil sie als unsere nächsten Verwandten mit Bezeichnungen wie Schimpanse, Bonobo, Gorilla, Orang-Utan und Gibbon keine Chance mehr gegen die Nachkommen jener Intelligenzbestien haben.
Historisch war Klimawandel nie menschengemacht
Bemerkenswert ist auch eine andere der dargelegten, wissenschaftlichen Erkenntnisse. Denn – eigentlich unnötig, dieses zu erwähnen – jener des Öfteren erfolgende Klimawandel, der den heute bekannten Menschen erst möglich machte, konnte selbstverständlich nicht menschengemacht sein. Denn den gab es entweder noch gar nicht – oder aber sein Einwirken in die Natur unterschied sich nicht von jenen biotop-kulturellen Veränderungen, die Büffelherden oder Elefanten durch ihr Fress- und Wanderverhalten verursachen. Insofern mussten dafür andere Ursachen vorhanden sein – und auch die wussten die Wissenschaftler zu benennen. Denn jener Klimawandel ging in aller Regel mit einer Verschiebung der Erdachse einher, wodurch die Sonneneinstrahlung sich verschob. In diesem Zusammenhang: Hat schon mal jemand aktuell untersucht, ob das gegenwärtig auch der Fall sein könnte?
Wie auch immer: Da die Erkenntnisse der Paläontologen, die als seriöse Wissenschaftler ihr Wissen eben aus Fakten und nicht aus Fiktionen ziehen, den Nachweis erbracht haben, dass Klimawandel unverzichtbar ist, um Homo auf die nächst höhere, kulturell-intellektuelle Stufe seiner Entwicklung zu bringen, müssten wir Menschen doch in den höchsten Tönen jubeln darüber, dass es endlich wieder einmal so weit zu sein scheint! Endlich, nach Zigjahrhunderttausenden, macht uns unsere Erde das Angebot, vom Homo sapiens, dem „vernünftigen Mensch“, zum Homo litteratus, dem „gebildeten Mensch“, zu werden! Friedrich Nietzsches Übermensch ist zum Greifen nah!
Wären da nur nicht jene Furchtsamen und Ängstlichen, die in ihrer reaktionären Rückwärtsgewandtheit sich der Evolution entgegen zu stellen trachten, der menschlichen Gattung die Chance zur Weiterentwicklung nehmen wollen und Homo damit letztlich zum Aussterben verurteilen – denn wer aufhört, sich zu entwickeln, der wird in absehbarer Zeit von diesem Planeten verschwinden. Spezialisten ökologischer Nischen wie der kuschelige Große Panda sind Prachtbeispiele dafür, dass Evolution ohne Entwicklung in die Sackgasse führt.
Evolution ist die Basis von Entwicklung
Im Übrigen ist die Feststellung, dass jene, die den Klimawandel aufhalten wollen, sich an der Gattung Mensch vergehen, nicht die einzige, die man dieser Tage aus dem Konsum der öffentlich-rechtlichen Spartenangebote lernen konnte. So gab es eine wunderbare Serie über die Naturwunder Amerikas – und selbstverständlich wurde dabei dem ersten Nationalpark der Weltgeschichte ein eigenes Kapitel gewidmet. Dieser auf einer riesigen Caldera befindliche Park im nordamerikanischen Wyoming, der seine Existenz eben jener Tatsache zu verdanken hat, dass unter ihm ein Vulkan brodelt, dessen nächste Explosion alles in den Schatten stellen wird, das Mensch jemals an sogenannten Umweltgiften produzieren kann, und der dabei die Zivilisation, wie wir sie kennen, für den Fall, dass es diese dann noch geben sollte, global hinwegfegt, wurde bereits am 1. März 1872 unter Schutz gestellt.
Nur – das mit dem Schutz war eine eher fragwürdige Angelegenheit. Seinerzeit und in den Folgejahrzehnten war der vernünftige Homo noch nicht so vernünftig zu verstehen, dass ökologische Zusammenhänge wichtig sind, um ein natürliches Gleichgewicht zu erhalten. Vielmehr waren die Menschen auch damals schon häufig pseudoreligiös inspiriert, und so meinten sie – manche übrigens bis heute – die sie umgebende Tierwelt in moralisch Gutes und Böses einteilen zu müssen. Als Böses galt damals das, was heute von Wissenschaftlern als Beutegreifer bezeichnet wird. Gemeinhin und in weniger gebildeten Kreisen heißen diese Lebewesen noch Raubtier, weil sie sich – wie der Mensch – maßgeblich von fleischlicher Kost ernähren, die sie sich zumeist über den Tod ihrer Beutetiere verschaffen.
Die Folge war – Nationalpark hin oder her – dass im Gelbsteingebiet Wölfe und Grizzlies gnadenlos bejagt wurden, bis sie so gut wie verschwunden waren. Und was war die Folge dieses menschlichen Eingriffs in die Natur? Richtig: Ihre klassischen Beutetiere, allen voran die Wapitihirsche, vermehrten sich explosionsartig, fraßen all das Park-notwendige Grün weg mit der Folge, dass der Park kurz vor seinem ökologischen Ende stand. Dann kamen ein paar kluge Umweltschützer – also jene, die die Natur tatsächlich vor ihrem ärgsten Feind, dem sich selbst in seiner Hybris als „vernünftig“ bezeichnenden Menschen, zu schützen gedachten – auf die Idee, Wölfe und Bären wieder dort anzusiedeln, wo sie von Natur aus hingehörten.
Es half. Heute ist der Yellowstone-Park wieder im Gleichgewicht. Wölfe und Bären fangen die schwachen und kranken Huftiere weg, die Wapiti-Population schrumpfte – und gesundete. Die Pflanzen konnten sich erholen. Kurz: Die Natur ist wieder in ihrem natürlichen Zustand, der Nationalpark tatsächlich fast das, was er immer sein sollte: Ein vom zivilisatorischen Einfluss des Menschen weitgehend geschütztes Gebiet.
„Die Natur“ ist Evolution
Das nun führt uns zu einer weiteren Überlegung. Denn selbstverständlich ist es nicht „die Natur“ als Wesen, die ein gesundes Gleichgewicht organisiert. Es sind ihre Akteure, die sich durch den Druck, den sie gegenseitig aufeinander ausüben, die Existenz des Lebens im Gleichgewicht halten. Beutegreifer oder Raubtiere sorgen dafür, dass alte und schwache Tiere aus dem Prozess entfernt werden. Dadurch sind Huftiere und Nager nur in einem Maße in der Lage, die Pflanzenwelt zu bedrängen, dass diese davon keinen Schaden nimmt. „Natürlich“ ist insofern sowohl die Tendenz zur übermäßigen Population einzelner Spezies, wenn regulierende Eingriffe fehlen – als auch eben diese Eingriffe in diese Population durch die Entnahme einzelner Individuen. Beides wiederum übt jenen evolutionären Druck aus, der einem ständigen Wettrüsten gleich die Beutetiere schneller und kräftiger und die Beutegreifer geschickter und leistungsfähiger macht. „Die Natur“ – was immer wir darunter auch verstehen – sorgt für sich selbst. Und sie sorgt im Falle einer Klimaveränderung auch dafür, dass jene Spezies verschwinden, die nicht in der Lage sind, sich den sich verändernden Bedingungen anzupassen. So, wie sie in der Vergangenheit dafür sorgte, dass die frühen Hominiden vom Affen zum Menschenaffen, vom Menschenaffen zum aufrecht gehenden Frühmenschen, vom Frühmenschen zum Homo sapiens wurden. Der von den natürlichen Bedingungen und Veränderungen ausgehende Druck sorgte dafür, dass manche Arten in revolutionären Entwicklungssprüngen immer leistungs- und überlebensfähiger wurden. Und so sorgten sie dafür, dass der aufrecht gehende Homo erectus irgendwann zum Homo sapiens werden konnte.
Diese im wahrsten Sinne des Wortes natürliche Entwicklung fordert jedoch auch Opfer. Auf der Strecke bleibt, wer unfähig ist, sich dem Wandel zu stellen, mit dessen Konsequenzen zu leben. Wer auf seiner Entwicklungsstufe verharrt, der verschwindet. So, wie Mamut und Wollnashorn irgendwann verschwanden, weil ihre Lebensräume sich veränderten und sich ihre Art nicht schnell genug umstellen konnte. Das ist übrigens im Sinne der Evolution kein Verlust. Denn frei werdende Ökosysteme werden zumeist eher über kurz als über lang von jenen besetzt, die mit den neuen Bedingungen besser klarkommen. Gleichzeitig aber besagt dieser Gang der Dinge auch, dass der Tod auch zahlreicher Individuen bis hin zum Verschwinden ganzer Arten ein völlig natürlicher Prozess ist. Er ist die natürliche Antwort des Lebens darauf, dass sich Lebensräume verändern.
Homo sapiens hat eine einmalige Chance
Blicken wir nun auf den Homo sapiens, der, folgten wir den Erkenntnissen der Paläontologen, gegenwärtig die Chance hätte, sich evolutionär zu einer neuen, höheren Entwicklungsstufe zu entwickeln, dann ist dieser der real existierende Widerspruch zu allem, was wir bislang als wissenschaftlichen Erkenntnis gewonnen haben. Er war Dank jener klimabedingten Entwicklungssprünge in der Lage, sich die Welt das zu machen, was eine fehlerhafte Bibelübersetzung als „untertan“ bezeichnet. Seine Eingriffe in die natürlichen Abläufe sind dabei derart radikal, dass mittlerweile unzählige Mitgeschöpfe entweder bereits ausgestorben sind oder vor dem Aussterben stehen; dass Ökosysteme derart radikal verändert wurden, dass sie nicht nur das verloren haben, was Naturromantiker als „natürliche Schönheit“ bezeichnen, sondern dass aus ehemals ökologisch gesunden und ausgeglichen Landschaften ökologische Wüsten wurden. Mit der Folge, dass manch einem Homo sapiens dämmert: Irgendetwas ist schief gelaufen. Und tut es immer noch.
Rolle rückwärts statt angemessener Reaktion
Statt nun im evolutionären Sinne angemessen darauf zu reagieren, beginnt Homo mit einer absurden Rolle rückwärts. Einerseits agiert er wie jener Wapiti des Gelbsteinterritoriums, vermehrt sich ungebremst und vernichtet dabei seine eigenen Lebensgrundlagen. Denn als Prädator an der Spitze der Nahrungspyramide hat er jene, die seine explosionsartige Vermehrung früher einmal in einem natürlichen Gleichgewicht hätten halten können und gehalten haben, längst vernichtet.
Doch die Evolution ist nicht mitgekommen. Anders als bei früheren Prädatoren hat Homo die sprichwörtlich affenartige Geschwindigkeit seiner Vermehrung beibehalten. Denn sie war seine Antwort auf die sich wandelnden Umweltbedingungen – frei nach dem Motto: Wenn viel produziert wird, wird schon etwas Überlebensfähiges dabei sein. Gäbe es tatsächlich, wie in jenem Öko-Klassiker „Avatar“ so idealisierend dargestellt, eine denkende Vernunft der Natur; gäbe es eine sich an der biblischen Urmutter orientierende „Ewah“ als neuronal existierende Vernunft, dann hätte diese längst eingegriffen, um die natürliche Vielfalt auf dem Planeten Erde vor dem alles dominierenden Homo zu schützen.
Wobei Mystiker nun durchaus geneigt sein könnten, in den menschengemachten Massenselbstvernichtungen namens Krieg, in Sturmfluten wie 2004 im Indischen Ozean, in Wirbelstürmen und in Dürrekatastrophen wie in Mozambique und Zimbabwe/Rhodesien genau eine solche steuernde Vernunft zu erkennen. Zumindest in ihren Ansätzen – denn die Opfer dieser Vorgänge sind, gemessen an der Vermehrungsfreude des Homo, mathematisch bislang nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein.
Geböte folglich nicht die Logik eine grundlegende Umorientierung? Müsste Homo nicht, wollte er wie im Yellowstone-Park das ökologische Gleichgewicht retten, all solche für ihn als Katastrophen empfundenen Vorgänge als natürliche Regulative zur Verhinderung der finalen Vernichtung des Planeten begreifen? Wären insofern nicht alle Maßnahmen, Menschen dort vor dem Hungertod zu bewahren, wo die natürliche Ressourcenvernichtung diesen unvermeidbar machen, im evolutionären Sinne zum Erhalt der natürlichen Vielfalt kontraproduktiv? Müssten wir nicht lernen zu verstehen, dass das Überleben von Menschen in naturbedingten Katastrophen durch Menschen von außen wider die Natur ist und deshalb der Tod durch Verhungern oder durch klassische Naturkatastrophen ein uneingeschränkt natürlicher Prozess?
Die Umweltkatstrophe ist kein unnatürlicher Vorgang
Ja, das wäre unmenschlich. Aber es wäre nicht wider die Natur. Wer im Tsunami ertrinkt, weil er in Unkenntnis oder in Leugnung einer vom Meer ausgehenden Gefahr dort lebt oder urlaubt, wo ihn das unglückliche Schicksal eines unberechenbaren Tsunami treffen kann, der stirbt im evolutionären Sinne eines natürlichen Todes. Wer, wie in Zimbabwe, es zulässt, sich von einer kleinen Clique selbstherrlicher Despoten um seine Zukunfts- und Überlebenschancen bringen zu lassen – auch der stirbt, wenn er verhungert, eines natürlichen Todes. So, wie letztlich auch der Tod der Maya insofern natürlich war, weil sie sich, nachdem sie die sie ernährende Natur vernichtet hatten und der Klimawandel ein weiteres tat, gegenseitig abschlachteten. All das ist natürlich, wenn wir es aus der unbeteiligten Brille eines Wissenschaftlers betrachtet, der Ursache und Wirkung miteinander in Zusammenhang bringt und dann die daraus konsequent sich unvermeidliche Mathematik des Eins plus Eins macht Zwei beobachtet.
Jedoch: Was natürlich ist, das ist nicht zwangsläufig menschlich. Was als evolutionärer Prozess in den natürlichen Abläufen notwendig und zwangsläufig ist, entspricht nicht dem, was menschliche Philosophie uns zu gebieten scheint. Und das ausschließlich deshalb, weil der Mensch sich längst um Äonen von natürlichen Vorgängen entfernt hat. Was wiederum ihn in besonderem Maße anfällig macht für Änderungen im Ablauf dieser natürlichen Vorgänge, weil er verlernt hat, darauf evolutionsgerecht zu reagieren.
Die Philosophie der Menschlichkeit ist unnatürlich
Eine Philosophie, die sich die explosionsartige Vermehrung der Spezies Homo schönzureden sucht, indem irgendwelche und absolut ungesicherte Prognosen einer selbstgefühlten Weltregierung namens UN die Behauptung verbreiten, irgendwann bei zehn oder elf Milliarden Menschen würde die Vermehrungsrate automatisch rückläufig werden und niemand müsse Hunger leiden, hat nun einmal mit natürlichen Entwicklungen nichts zu tun. Wie die selbsternannten Vordenker der Menschheit in den zivilisierten Stuben der UN zu solchen Ideen kommen, wenn immer mehr vermehrungsfähige und vermehrungswillige Individuen den Planeten bevölkern werden, muss ihr Geheimnis bleiben.
Eine Philosophie, die nun auch ansetzt, jenen von den Paläontologen festgestellten Prozess der evolutionären Entwicklungssprünge zu verhindern, indem sie den festzustellenden Klimawandel aufzuhalten versucht, ist es auch. Sie ist, sachgerecht betrachtet, wider die Natur. Denn der Mensch wird natürliche Prozesse nicht aufhalten – und natürlich im eigentlichen Sinne wäre der Klimawandel selbst dann, wenn er ausschließlich eine Folge der Kultivierung des Planeten durch den Mensch sein sollte. Denn bei allem, was er sich zu sein wähnt: Der Mensch ist und bleibt nichts anderes als ein besonders hochentwickeltes Tier, das von der Beute zum dominierenden Beutegreifer aufstieg, weil die durch sich wandelnden Umweltbedingungen erzwungenen Evolutionsschübe ihm ein Gehirn schufen, mit welchem er seine dominante Position beharrlich und beständig ausbauen konnte. Der erkennbare Nachteil dieser Entwicklung: Statt im evolutionären Prozess ständig weiter die Stufen der Weiterentwicklung zu erklimmen, entwickelt er sich intellektuell zurück.
Domestikation ist evolutionärer Rückschritt
Es ist die klassische Domestikation, die Homo ebenso ergriffen hat wie zahlreiche jener Mitgeschöpfe, die er zur Erleichterung seiner Natur als Beutegreifer in Ställe und Gatter gezwängt hat, um nicht mehr von den Unberechenbarkeiten natürlicher Büffelwanderungen und Hirschpopulationen abhängig zu sein. Die Domestikation des Homo ist allein schon an seinem Äußeren unverkennbar. Haben seine nächsten Verwandten sämtlich noch die nach vorn geschobene Schnauze – so wie sie auch bei frühen Hominiden unverkennbar ist -, so entwickelte sich dieses Merkmal radikal zurück. Die Beißwerkzeuge wurden nicht mehr gebraucht, um wie beim Schimpansen lebende Beute zu fassen und mit einem Biss zu töten. Gekochte Nahrung lässt die Kraft des Kiefers schwinden, um dafür andere Fertigkeiten wachsen zu lassen. Der virtuose Gebrauch der Hände gehört ebenso dazu wie ein Gehirn, das in der Lage ist, vorausschauend zu planen und auf jegliche Veränderung der Umwelt adäquate Antworten zu entwickeln.
Doch die Domestikation des Homo sapiens bringt es offensichtlich auch mit sich, dass er sich der Evolution verweigert. Das, was er „in der Natur“ als selbstverständlichen Prozess nicht nur akzeptiert, sondern – Beispiel Yellowstone – sogar im eigentlichen Wortsinne reformiert, darf für ihn selbst nicht gelten. Der moderne Mensch begreift sich nicht als Teil natürlicher Prozesse, sondern wähnt sich über ihnen stehend. Deshalb meint er nun, den Klimawandel stoppen zu müssen, der ein naturgegebener Prozess selbst dann bleibt, wenn allein das Wesen Mensch ihn verursacht haben sollte.
Warum er das tut? Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Der grundlegende ist jedoch jene gefühlte und gelebte Überhebung über die Natur, die Homo sapiens, der vernünftige Mensch, zum Kernelement seines Denkens gemacht hat. Er paart sie auf der Grundlage der ihm naturgegebenen Eigenschaft des für ihn überlebensnotwendigen Sozialverhaltens mit der Vorstellung, jedes einmal das Licht der Welt erblickende Menschenwesen müsse um jeden Preis erhalten werden. Er nennt dieses Mitmenschlichkeit – und tatsächlich ist dieses eine seiner hervorragendsten Eigenschaften und macht ihn maßgeblich aus. Auch wenn wir Akte dessen, was wir als Mitmenschlichkeit bezeichnen, ebenso bei Tieren antreffen. Und dort nicht nur bei Primaten. Denn Mitmenschlichkeit – oder nennen wir sie besser Empathie – ist Voraussetzung eines jeden Sozialverbandes, der über den Zustand des Schwarms und der Herde hinausgeht.
Der Dissens menschlichen Verhaltens
Dieser offensichtliche Dissens zwischen Evolution und menschlichem Verhalten ist nun genau jener gordische Knoten, den Homo nicht zu lösen in der Lage scheint.
Wohlmeinende, hochdomestizierte Menschen, wie wir sie vor allem in den absolut naturfernen Siedlungsgebieten der großen Städte antreffen, vermuten ständig Gefahren für sich und ihre Kinder zu erkennen – falls sie welche haben. Haben sie keine, machen sie sich die Menschheit selbst zu ihrem Kind. In ihrer degenerativen weil von natürlichen Erfahrungen abgekoppelten Weltsicht des Homo domesticus ersinnen sie sich Traumbilder einer Natur, die sie idealisieren und die Natur mit all ihrer vom Menschen als Brutalität empfundenen Radikalität zu einem Garten Eden der vollkommenen Glückseligkeit verklären. In ihrer absoluten Naturferne schaffen sie sich Idealbilder von etwas, das es so nie gegeben hat und niemals geben wird. Zumindest nicht dann, wenn es tatsächlich natürlich sein soll.
Reden wir nicht drum herum: Verhielte sich der Mensch im eigentlichen Sinne natürlich, also in einer Weise, wie es ihm die Evolution gebietet, dann hätten die Starken längst die Schwachen vernichtet. Jene, die Mittel gefunden haben, Überbevölkerung und Ressourcenvernichtung für sich in den Griff zu bekommen, müssten jene vernichten, die durch ihr Handeln und Denken die globale Existenz und damit den Planeten als ihren Lebensraum gefährden. Es wäre dieses tatsächlich eines Homo sapiens würdig – denn es wäre vernünftig. Vernünftig im Sinne des minimalen Vorsprungs in der evolutionären Entwicklung, den die einen haben und die anderen nicht, weil die einen sich mit der Fähigkeit der Vernunft über als religiös oder auch ideologisch begründete Dogmen erheben – und die anderen eben dazu nicht in der Lage sind. Vernünftig eben auch, um den immer knapper werdenden Lebensraum auf diesem Planeten vor dem Menschen zu retten – und damit der Vielfalt des Lebens eine Chance zu geben.
Tatsächlich wäre ein solches Verhalten im Sinne eines evolutionären Vorteils, aus dem ein evolutionärer Fortschritt wird, im klassischen Begriffssinne darwinistisch. Nicht allerdings sozialdarwinistisch, wie es jener Idiotie zugeschrieben wird, bei der sich die Begabten ihrer Hochbegabten entledigten, weil sie in sozialideologischer Manier es nicht ertragen konnten, dass es Menschen gibt, die nicht gleich ihnen gleich, sondern ihnen intellektuell überlegen sind. Für die die Gleichheit im Kollektiv als Gleichsein in der Masse definiert wird und die mit diesem Anspruch jegliche Grundlage eines evolutionären Fortschritts, der ausschließlich aus der Ungleichheit entstehen kann, grundlegend zerstörten.
Dabei gilt nach wie vor: Wäre es ein solches Verhalten darwinistisch und damit auf den Grundlagen der wissenschaftlichen Erkenntnis der Evolution basierend, so wäre es auch natürlich. Und damit wäre es zwangsläufig auch vernünftig. Und doch wäre es eines nicht: menschlich.
Das unlösbare Dilemma
So befindet sich die Menschheit heute in einem scheinbar unlösbaren Dilemma. Die Gesetze der Evolution geböten es, den Klimawandel als Chance zu begrüßen. Sie geböten es auch, sich nicht darum zu scheren, wenn – egal ob durch Klimawandel oder durch Kriege oder selbstvernichtende Ressourcenzerstörung, Millionen von Menschenleben vorzeitig aus dem Leben schieden. Eine solche Konsequenz aber gilt als unmenschlich. Denn sie würde es unvermeidbar machen, dass Menschen Menschen töten oder ihren Tod zumindest in Kauf nehmen, um damit dem natürlichen Prozess der Evolution gerecht zu werden.
Was also tun? Der gegenwärtig zu erkennende Versuch, sich einmal mehr wider die natürlichen Prozesse zu stellen, den Menschen wieder einmal als etwas zu verstehen, das sich aus dem seit Milliarden von Jahren erfolgreich funktionierenden Prozess ausklinken kann, ist absurd. Es ist absurd zu glauben, durch das Rückfahren angeblich oder tatsächlich „die Umwelt“ belastender Emissionen „das Klima“ retten zu können, indem das Idealbild einer vorgeblichen Natur geschaffen wird, die es niemals gegeben hat und niemals geben wird.
Homo hat sich eine eigene Welt geschaffen
Homo, der Vernünftige, hat sich schon vor Generationen seine eigene Welt geschaffen. Er hat es tatsächlich gewagt, sich über die natürlichen Prozesse einer für die einzelne Spezies im Zweifel tödlichen Evolution zu erheben. Will er davon zurück, dann muss er die Welt, die er sich selbst geschaffen hat, mit absoluter Radikalität vernichten. Kein technischer Fortschritt mehr: Zurück zur Feuerstelle in der Lehmhütte. Aber: Das wird weder das domestizierte Wesen mit der Bezeichnung Mensch retten, noch wird es die Massen der Menschen, die dieses Wesen gezeugt hat, ernähren können. Die Technikfeindlichkeit des nicht nur politisch „grünen“ Homo domesticus, die es zu allen Zeiten gegeben hat und die in der Vergangenheit zum Glück der Spezies immer wieder von vernünftigen Menschen überwunden werden konnte, wird die Menschheit nicht retten. Sie wird ihn nur von einem Desaster zum nächsten führen. Und sie wird im Kampf der Evolution, den der Mensch gezwungen ist zu führen auch dann, wenn er meint, sich dem entziehen zu können, seine eigene Vernichtung organisieren. Weil sie das Grundgesetz eben dieser Evolution verneint.
Dieses Grundgesetz bedeutet: Der Weg führt niemals zurück, sondern immer voran.
Ein Homo sapiens, der der Vernunft fähig ist, hat nicht die Wahl zwischen einen Zurück zur Natur und zivilisatorischem Fortschritt. Er hat nur die Chance, seine Vernunft im Zweifel auch angesichts eines selbstverursachten, klimawandelbedingten Anpassungsprozess einzusetzen. Eben vom Homo sapiens zum Homo litteratus zu werden. Zum wissenden Menschen, der begreift, dass er seine Fähigkeit zur Überwindung von naturbedingten Widrigkeiten einsetzen kann und einsetzen muss, um seine dominante Position auf diesem Planeten zu sichern. Und das bedeutet im konkreten Falle: Nicht den Errungenschaften der Nutzung fossiler wie kernenergetischer Energien den Hahn abzudrehen, sondern sie immer weiter zu verbessern, sodass die mit ihnen verbundenen negativen Folgen überwunden werden können. Den unvermeidbaren Konsequenzen des nicht zu verleugnenden Wandels des Klimas sich nicht durch unrealistische Wünsche nach einer Rückkehr zur gefühlten, idealisierten Natürlichkeit zu begegnen, sondern diese als Herausforderung anzunehmen.
Die Herausforderungen annehmen
Will die Menschheit im Einklang mit dem leben, was ein unvermeidlicher, natürlicher Prozess der evolutionären Entwicklung ist, dann muss er seine Fähigkeit nach vorn entwickeln – nicht zurück. Dann muss er tatsächlich vom Homo sapiens zum Homo litteratus werden. Zu einem Wesen, das den Wert seines Planeten begreift und mit diesem Begreifen die Erkenntnis verbindet, dass weder Stagnation und schon gar nicht Rückschritt die Antwort sein können. Nur und ausschließlich ein Mehr an technischer und wissenschaftlicher Entwicklung kann die Antwort des Homo auf die Krisen sein, mit denen er konfrontiert wird. Und dieses unabhängig davon, ob und in welchem Maße er sie selbst verursacht hat. Denn dass er unmittelbaren Einfluss auf seine Umwelt nimmt, ist eine Binsenweisheit. So, wie einst auch jene Büffelherden Nordamerikas die großen Steppen schufen, weil sie diese als Nahrungsquelle nutzten. So, wie Elefanten ihr Lebensumfeld veränderten, weil sie Bäume zerstörten, um sich an ihren Blättern satt zu fressen.
Evolutionäre Prozesse sind nicht aufzuhalten. Sie prägen diesen Planeten seit Anbeginn kohlenstoffbasierten Lebens. Entweder, die Wesen, die diesen Planeten bevölkern, akzeptieren ihre Regeln – oder sie werden untergehen. Daran führt kein Weg vorbei. Die Idee von einem Garten Eden ist etwas für eine Minipopulation in abgeschlossenem Biotop und den realitätsfernen Phantasien der Träumer vom Paradies. So, wie es vielleicht die Bonobos hatten, bevor der erfolgreichere Mensch in ihre Urwälder eindrang.
Deshalb aber befindet sich die aktuelle, das Denken dominierende, pseudogrüne Ideologie auch auf einem Irrweg. Sie wird vielleicht Gewissen beruhigen können – nicht aber den Menschen als diesen Planeten beherrschende Spezies retten. Was die Menschheit benötigt, ist eine technisch-intellektuelle Evolution. Kein Rückschritt in scheinbar bessere Wunschvorstellungen, die einer Menschheit, die, will sie das Dogma der Menschlichkeit bewahren, nur Kleister auf die Augen schmieren. Existenz war und ist Kampf. Homo hat das längst erkannt, wenn er auf das schaut, was er Natur nennt. Sie wird es auch bleiben dann, wenn es dem Menschen nicht gefällt. Wer sich diesem Kampf nicht stellt, geht unter. Das war in den vergangenen Jahrmilliarden der Evolution so – und Homo wird es nicht ändern. Deshalb gilt es, alle Kräfte und Energien in den Fortschritt zu lenken. Einen Fortschritt, der mit der im Verlauf der Evolution erworbenen Fähigkeit zur Überwindung von naturgegebenen Widrigkeiten die Menschheit bis heute erfolgreich begleitet hat. Nicht aber mit einem nur scheinbaren Fortschritt, der tatsächlich ein Rückschritt ist, weil er sich der Erkenntnis verweigert, dass Homo sapiens längst schon viel zu weit gegangen ist, um seine eigene evolutionäre Entwicklung aufhalten oder sogar zurückdrehen zu können.
Wird dieser Fortschritt Kollateralschäden erfordern? Das ist nicht auszuschließen, weil eben in evolutionären Prozessen immer jene auf der Strecke bleiben, die sich neuen Bedingungen nicht anpassen können. Doch sie werden weitaus geringer sein als jene unvermeidbaren Konsequenzen, die Homo erwarten, wenn er sich von seinem ewigen Weg des wissenschaftlich-technischen Fortschritts hinwendet zu pseudowissenschaftlichen Ersatzphilosophien und Heilsversprechen der Umkehr. Krieg und Umweltzerstörung sind nicht deshalb unweigerlich, weil wir zu viel technischen Fortschritt haben – sie sind deshalb unweigerlich, weil wir zu wenig davon haben. Philosophische Weltbetrachtung und daraus resultierende Selbstkasteiung bis hin zur Vernichtung der Basis unseres evolutionären Fortschritts mögen dem Homo domesticus vorübergehenden Seelenfrieden bringen. Einen Homo sapiens jedoch werden sie niemals befriedigen – und schon gar nicht retten können. Einen Homo litteratus, der zu werden, wir nun vielleicht die einmalige Chance haben, schon gar nicht.
Nehmen wir die Änderungen der evolutionären Voraussetzungen, nehmen wir die Natur nicht als Gefahr, sondern als Ansporn. Nicht, indem wir die Zeit zurückzudrehen suchen, sondern indem wir den erfolgreichen Weg, der die Menschheit dorthin gebracht hat, wo sie heute steht, mit aller Kraft fortsetzen. Verstehen wir uns endlich als ein Wesen, das wie jedes andere unter den Bedingungen der natürlichen Evolution existiert – und das diesen Prozess nicht wird ändern können, so sehr es sich vielleicht in seiner Furcht auch anstrengt, genau dieses zu tun.
Dann – aber nur dann – werden wir vielleicht in der Lage sein, den nächsten Evolutionssprung unserer Entwicklung vom affengleichen Frühmenschen zum Homo erfolgreich zu gehen. Den Weg fort vom Homo sapiens, der nur allzu häufig den Beweis erbracht hat, dass er diese Bezeichnung nicht verdient, hin zum Homo litteratus. Folgen wir den Erkenntnissen der Paläontologen, dann haben wir jetzt die Chance, genau diesen Schritt zu wagen. Und sollten ihre Erkenntnisse trotz fundierter Wissenschaft tatsächlich nicht mehr zutreffen, weil für Homo sapiens die Regeln der Evolution außer Kraft gesetzt sind, so ist es dennoch der einzig denkbare Weg, den Homo zu gehen hat, den er gehen muss. Denn Rückschritt ist der Weg in die Selbstvernichtung. Diese Erkenntnis der Evolution hat den Menschen auch ohne die fundierte Erkenntnis ihrer selbst bei seinem Aufstieg begleitet. Sie wird es auch künftig, wenn er seinen erfolgreichen Weg fortsetzen und nicht in der Stagnation seiner eigenen Angst verenden will.