Tichys Einblick
Trumps Fehler

Die deutschen Medienverlierer und ein selbsterklärter Sieger

Trumps Ankündigung, er werde den Supreme Court anrufen, um die weitere Auszählung zu unterbinden, ist ein Fehler - zumal zum Zeitpunkt seiner Ankündigung noch jede Chance für ihn bestand, das Präsidentenamt auch auf legale Weise zu behalten.

imago images / UPI Photo

Es sind zwei maßgebliche Aspekte, die so kurz nach den US-Wahlen benannt werden sollten. Der eine ist eher unbedeutend, aber symptomatisch. Der andere allerdings ist von einer Tragweite, deren Auswirkungen gegenwärtig nicht absehbar ist.

Beginnen wir mit dem unbedeutenden. Es ist ein deutscher Aspekt. Wieder einmal erlag die Medienmehrheit Deutschlands ihren eigenen Erzählungen. Wieder einmal zeigten sich in der Wahlnacht die langen Gesichter der Enttäuschung. Denn wieder einmal hatte man sich mit fragwürdigen Umfragen den Wahlausgang schöngeredet und schien die Ergebnisse nicht fassen zu können und zu wollen.

Umfragen, die den Herausforderer Joe Biden mit deutlichem Abstand vorn sahen, verursachten einen ähnlichen Selbstbetrug, wie er die Medienmehrheit bereits vor vier Jahren kalt erwischte. Es ist nicht nur das US-Wahlsystem, das eben nicht von einem Washingtoner Zentralstaat ausgeht, welches derartige Umfragen unbedeutend werden lässt, weil es den Rang der Bundesstaaten über die Union stellt und damit die Präsidentschaftswahl bereits auf Bundesstaatsebene Vorentscheidungen wird. Es ist offensichtlich auch die Methodik der Polls, die, blickt man heute auf die Ergebnisse, eine deutlich Biden-lästige Prognose produziert haben.

Selbst bei unbegrenzter Prognosengläubigkeit konnte jeder wissen, dass die veröffentlichten Zahlen selbst dann, wenn sie am Ende zutreffen sollten, nicht Eins zu Eins auf die Anzahl der Wahlmänner umrechnen lassen. Doch auch die Tatsache, dass bereits in den Fragestellungen demoskopische Umfragen Tendenzen beziehen können. Wer sich auf die Polls verlässt, kann insofern schnell verlassen sein.

So zumindest ist es dem ZDF-Redakteur Jörg Thadeusz ergangen, der in der Wahlberichterstattung enttäuscht bekannte, er habe eine deutliche Welle für Biden erwartet. Self-fullfilling-prophecy funktioniert auch dann nicht, wenn man sich auf Umfragen beruft.

Bemerkenswert auch das offensichtliche Unverständnis der Staatsmedienvertreter darüber, dass sowohl Hispanics und Farbige für Trump gestimmt haben. Hier offenbart sich ein weiterer Aspekt des permanenten Selbstbetrugs, der im Gefolge der rassistischen BLM-Aktionen offensichtlich davon ausging, dass alle Nicht-Weißen kollektiv dem Anti-Trumpismus frönten, wie es von den weißen deutschen Intersektionalisten als zwangsläufig unterstellt wurde. Doch auch diese Minderheiten der USA schauen erst einmal auf die eigene Lebenswirklichkeit, bevor sie sich einer polit-agitatorischen Bewegung unterwerfen. Und diese Lebenswirklichkeit ist es nicht selten, das vor allem erfolgreiche Amerikaner mit nicht-europäischem Ursprung überhaupt kein Interesse daran haben, sich durch sozialistisch motivierte Unruhen um ihren Wohlstand bringen zu lassen. Der eingeforderte, anti-weiße Kollektivismus scheitert spätestens an der Klippe des individuellen Egoismus, der als menschliche Grundeigenschaft unter Nicht-Weißen ebenso verbreitet ist wie unter europäisch-stämmigen Amerikanern.

Doch all diese Nabelschau auf den permanenten Selbstbetrug ist letztlich nur Lappalie bundesdeutscher Selbstgefälligkeit.

Weitaus bedeutender und in seinen möglichen Auswirkungen unabsehbar ist die Aussage, die Donald Trump kurz nach 8.00 Uhr MEZ tat. Er erklärte sich zum Wahlsieger – und kündigte an, die Auszählung der Briefwahlstimmen zu unterbinden beziehungsweise deren Ergebnisse nicht anzuerkennen. Grund für diese Ankündigung: In wichtigen Staaten lag Trump zu diesem Zeitpunkt vorn, jedoch waren erhebliche Mengen an Briefwahlzetteln noch nicht ausgezählt und damit unberücksichtigt. Da diese Briefwahlstimmen aus den eher den Demokraten zuneigenden Ballungsgebieten stammen, könnten sie tatsächlich die zwischenzeitlich an der Urne errungen Vorsprünge Trumps dahinschmelzen lassen – und ihm am Ende die Wahlmänner beispielsweise aus Pennsylvania „stehlen“. Trump unterstellt, es könnten gezielt hunderttausende unechte Stimmzettel auftauchen, die ihn um seinen Wahlsieg bringen sollen.

Belege für eine solche Behauptung hat Trump nicht. Auch in anderen Ländern verzögern sich die Bekanntgaben von offiziellen Wahlergebnissen durch die Auszählungen von Briefwahlzetteln. Insofern liegt der Verdacht nahe, dass Trump mit seiner Behauptung selbst den Versuch unternimmt, das Wahlergebnis in seinem Sinne zu manipulieren.

Zu seiner Ankündigung, er werde den Supreme Court anrufen, um die weitere Auszählung zu unterbinden: Seine Erfolgsaussichten dabei dürften eher gering sein, denn selbst die von ihm nominierten Richter werden nicht bestehendes Wahlrecht beugen, um dem Präsidenten einen Gefallen zu tun. Sollten dann bei den Auszählungen die Briefwähler die Ergebnisse zu Ungunsten Trumps verändern – und sollte nicht, was überaus unwahrscheinlich ist, irgendwo der untaugliche Versuch der Manipulation nachgewiesen werden können – ist nicht auszuschließen, dass Trump weder seine Niederlage beim Wähler noch beim Supreme Court akzeptiert. Das dann könnte die USA in eine tatsächliche Krise stürzen, weil damit die Grundfesten der amerikanischen Demokratie angegriffen werden.

Einen Gefallen getan hat Trump weder sich selbst noch seinem Land. Und das auch deshalb, weil zum Zeitpunkt seiner Ankündigung noch jede Chance für ihn bestand, das Präsidentenamt auch auf legale Weise zu behalten.

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