Zack, da poppt sie auf im Smartphone, die Eilmeldung von Ströer-Medien alias t-online. Um 9.57 Uhr am 3. März melden die Haltungspopulisten: Die gesamte AfD wird als Partei vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als „rechtsextremer Verdachtsfall“ eingestuft.
Die AfD als „rechtsextremer Verdachtsfall“
Ströer-Medien beruft sich bei seinem Popup auf eine Meldung der AFP und verlinkt auf einen Artikel des Wochenmagazins von der Hamburger Ericusspitze, online erschienen um 9.07 Uhr. Der Spiegel will demnach erfahren haben, dass die gesamte AfD – also von Meuthen bis Höcke – bereits seit dem 25. Februar als entsprechender Verdachtsfall geführt wird. Was bedeutet: Das BfV geht bis auf weiteres davon aus, dass die Mitglieder der größten parlamentarischen Oppositionspartei – und somit letztlich auch ihre Wähler – „Rechtsextremisten“ sind. Das wiederum bedeutet nun auch: Das BfV kann diese Personenkreise mit geheimdienstlichen Mitteln „beobachten“, also ausforschen und in deren Privatsphäre eindringen.
Ohnehin: Das Gericht verpflichtete das BfV auch, eine solche Einstufung als Verdachtsfall nicht öffentlich bekannt zu geben. Was allein für sich Fragen aufwirft – auch an das Gericht. Denn entweder, das BfV stuft die AfD als Verdachtsfall ein – dann haben die Partei und die Öffentlichkeit nicht nur das Recht, sondern den Anspruch, dieses zu erfahren. Oder das BfV tut eben dieses nicht, weil das Gericht in seiner Entscheidungsfindung noch nicht zum Abschluss gekommen ist. In diesem Falle also würden die „Schlapphüte“ ihrem Image in jeder Hinsicht gerecht werden: Nach Außen im Schafsfell getarnt durch die Gegend wandern, während als geheime Kommandosache bereits auf Grundlage noch nicht juristisch abgesicherter Annahmen heftig ermittelt wird.
Das BfV dementiert nicht
Ob es sich nun so oder so verhält – dazu hüllt sich das BfV folgerichtig mehr oder weniger in Schweigen. Das Wochenmagazin zitiert „eine Sprecherin“ des Amtes mit der Aussage: „Mit Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht äußert sich das BfV in dieser Angelegenheit nicht öffentlich.“
Das ist selbstverständlich alles andere als ein Dementi und soll sagen: Diejenigen im stets abwehrbereiten Staatsapparat, die es wissen müssen, wissen es. Dieses auch, weil Horst Seehofer als letzte Instanz zur rechtlichen Absicherung des Vorgehens die Freigabe habe erteilen müssen, welche wiederum auf einem rund 1.000-seitigen Gutachten beruhe, welches vom BfV erstellt worden sei und „etliche Belege für mutmaßliche Verstöße gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zusammengetragen“ haben soll. Man achte bei diesem Satz auf die Formulierung: „mutmaßliche Verstöße“. Das bedeutet: Es handelt sich dabei um nicht verifizierte oder verifizierbare Vermutungen – nicht um gerichtsfeste Tatsachen. Auch sind laut Grundgesetz „Verstöße“ allein kein Grund, jemanden mit geheimdienstlichen Mitteln zu beobachten – ich werde darauf zurückkommen.
Die politische Intention des Herrn Haldenwang
Nun mag man zu der AfD stehen, wie man will, und der öffentliche Eindruck mag durchaus sein, dass sich in den Niederungen der Oppositionspartei auch der eine oder andere tummelt, der nicht gänzlich frei ist von gedanklicher Nähe zu jenen Thesen, die einst Adolf Hitler und seine Gesinnungsgenossen als ihre Weltanschauung entwickelt und vertreten haben. Gleichwohl – rechtfertigt dieses, eine gesamte Partei unter „Rechtsextremismus-Verdacht“ zu stellen? Grundlage für ein solches Vorgehen ist – die zitierte Aussage deutet es an – das Vorgehen der Beschuldigten gegen die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“, kurz FDGO.
Dabei allerdings könnte Haldenwang einer Selbsttäuschung unterliegen. Denn die durch eine solche „Verdachtsfallfeststellung“ beabsichtigte Stigmatisierung kann durchaus auch nach hinten losgehen, indem es Wählerkreise, die sich als überzeugte Demokraten und Verfechter der Verfassungsinterpretation von 1949 verstehen, deshalb jedoch der beharrlichen Umwandlung der Parlamentarischen Demokratie in eine NGO-gesteuerte Räterepublik bei gleichzeitigem, vorgeblich Corona-bedingten Abbau der Grundrechte mehr als kritisch gegenüberstehen, zu einer „Jetzt-erst-recht“-Position treiben.
Civeys Erkenntnisse
Zu dieser Erwartung passt ein Schlaglicht, welches am 2. März das Volksbefragungsunternehmen „Civey“ veröffentlichte. Civey hatte gefragt: „Wen würden Sie wählen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre?“ Einmal abgesehen davon, dass die Frage korrekt nicht „wen“, sondern „was“ hätte lauten müssen, denn zur Auswahl stehen Parteien, die keine Personen sind, veröffentlichte das Unternehmen mit Stand 13.47 Uhr folgendes repräsentativ genannte Ergebnis: CDU/CSU 32,3 %, Grüne 19,3 %, SPD 15,4 %, AfD 10,3 %, PdL 8,5 %, FDP 7,9 %.
Zeitgleich aber gab es auch die Ergebnisse der sogenannten „Rohdaten“ – also all jener, die sich insgesamt und nicht gewichtet an der Umfrage online beteiligt haben. Und die zeigen ein deutlich anderes Bild: AfD 23,5, CDU/CSU 20,7 %, Grüne 17,2 %, SPD 14,3 %, FDP 10,3 %, PdL 9,1 %.
Bei den Rohdaten hat also die AfD die Nase mit Abstand vorn. Im Sinne der angewandten Meinungsforschung wird das dadurch erklärlich, dass die Umfrage bereits seit dem 19. Juli 2016 läuft und sich auf 13.972.597 Teilnehmer bezieht. Die sogenannten „Repräsentativen Ergebnisse“ beruhen hingegen auf nur 10.078 ausgewerteten Datensätzen, die ausschließlich von Personen gewonnen werden, die sich bei Civey als Abstimmungsteilnehmer haben registrieren lassen. Eine Hürde, die manch ein AfD-Sympathisant allein schon deshalb scheut, weil er angesichts der öffentlichen Hetzjagd auf alles „Rechte“ um Ruf und Existenz fürchtet, sollte seine Identität dem der SPD nahestehenden Befragungsunternehmen bekannt sein.
Acht Millionen Verdachtsfälle
Wer steht auf dem Boden der FDGO?
Dieses Schlaglicht allerdings ist nur eines – und in der Gesamtsicht eher lapidar, wenn wir den Blick auf das vorgebliche Handeln des BfV richten. Dabei geht es nicht nur um Nebelkerzen, die durch eine geframte Wortwahl geworfen werden – es geht vor allem darum, ob das BfV selbst noch auf dem Boden der FDGO steht.
In einer gutachterlichen Stellungnahme, die ich im vergangenen Herbst für den Landtag von NRW erstellt hatte, findet sich folgende Passage:
„Das GG [Grundgesetz] ist in seiner ursprünglichen Aufgabe darauf angelegt, das Verhältnis zwischen Bürger und ‚Staat‘ als Synonym für staatlich-institutionelle Organe und deren Handeln zu regeln. Hierbei stehen notwendig die Schutzrechte des Bürgers gegen staatliche Eingriffe in seine individuelle Lebensgestaltung im Vordergrund. Daraus ergibt sich, dass sogenannte ‚Staatsaufgaben‘, die in einer Verfassung festgeschrieben werden können, grundsätzlich unter der Maßgabe zu betrachten sind, dass hierdurch nicht die Grundrechte des Individuums in einer Weise beeinträchtigt werden, dass sich dadurch eine Verletzung eben dieser Grundrechte ergeben könnte. Hierbei ist insbesondere das Gleichbehandlungsgebot nach Art 3 maßgeblich, welches jegliche individuelle Schlechterstellung durch den Staat aufgrund u.a. der politischen Anschauungen ausschließt.
Das GG unterscheidet nicht zwischen religiösen und weltanschaulichen Positionen, d.h. es behandelt metaphysische Welterklärungsmodelle mit transzendenter Zukunftsperspektive gleich mit politischen Welterklärungsmodellen mit utopistischer Zukunftsperspektive. Für das GG sind insofern politisch-ideologische gleich religiösen Auffassungen zu behandeln.
Daraus ergibt sich grundsätzlich das Recht des Individuums, für sich selbst auch Positionen zu vertreten, die nicht in Übereinstimmung mit der FDGO stehen. Die Vertreter entsprechender Positionen genießen denselben Schutz gegenüber staatlichen Organen. Hieraus ergibt sich wiederum zwingend, dass auch radikale politische Positionen, die auf eine Überwindung der FDGO zielen könnten, insoweit unter dem Schutz des GG stehen, als sie sich zum demokratischen Prozess der freien Meinungsbildung gem. Art 5(1) bekennen. Die Notwendigkeit dieses grundsätzlichen Schutzes ergibt sich auch aus der Tatsache, dass eine menschliche Gemeinschaft, d.h. hier eine staatliche Ordnung, der ständigen Entwicklung unterliegt und ein starres, unveränderliches Grundrecht einer solchen Entwicklung widerspräche. Das GG sieht deshalb gem. Art 79 vor, dass dieses GG durch eine qualifizierte Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages und des Bundesrates geändert werden kann. Für unzulässig erklärt werden gem. Art 79 (3) Änderungen, welche die in den sog. Grundrechten der Art 1 bis 20 niedergelegten Grundsätze berühren.
Aus dieser Einschränkung ergibt sich, dass die FDGO nicht über einen politischen Meinungsbildungsprozess geändert werden kann. Hierdurch wird die FDGO über Art 18 insofern gegen religiöse und weltanschauliche Bestrebungen mit der Absicht der Überwindung der bestehenden Ordnung geschützt, soweit diese Bestrebungen die Grundrechte zum ‚Kampf‘ gegen die FDGO missbrauchen. Hier besteht folglich ein Zielkonflikt zwischen dem unveräußerlichen Recht des Individuums, sich religiös oder politisch auch gegen die bestehende Ordnung zu erklären, und dem höherrangigen Schutz eben dieser bestehenden Ordnung gegen entsprechende Bestrebungen.
Das GG versäumt in diesem Zusammenhang die Definition des Begriffs ‚Kampf‘, welcher gemeinhin als Anwendung physischer Gewalt verstanden wird, gleichwohl aber auch beispielsweise als ‚Kampf der Systeme‘ religiöse oder weltanschauliche Konflikte beschreiben kann, die auf physische Gewalt verzichten, sondern sich auf Möglichkeiten der kommunikativen Einflussnahme auf Dritte beschränken, gleichwohl mit dem Ziel der Überwindung der FDGO auf friedlichem Wege.
Insofern bleibt die Frage unbeantwortet, ob religiöse oder politische Bekenntnisse mit der definitiv festzustellenden Absicht, die FDGO abzuschaffen oder zu überwinden, bereits dann nach Art 18 zu beurteilen sind, wenn sie im demokratisch-politischen Prozess friedlich Positionen vertreten, die in Teilen oder in Gänze auf die Überwindung von Teilen der geschützten Artikel des GG hinauslaufen könnten. Soweit der Kampfbegriff in diesem letzteren Sinne zu interpretieren wäre, ist die Gefahr einer FDGO-Diktatur insofern offenkundig, weil jegliche, friedlich vorgetragene Kritik an dieser Ordnung oder Teilen derselben sowie religiöse oder politische Bestrebungen, welche beispielsweise auf eine Ungleichbehandlung der Bürger über gesetzliche Quotierungen oder ethnische Bevorzugungen, Eingriffe in das Eigentumsrecht und selbst Eingriffe in das Grundrecht auf Unversehrtheit mit eben dieser Formulierung zu begründen wären.
Die FDGO steht folglich nicht nur in der Gefahr, durch offen bekundende Gegner derselben angegriffen zu werden, sondern durch eine als Überinterpretation des Art 18 zu bezeichnende Reaktion des Staates und dessen Organen auf ebensolche Gegner selbst zum Gegner der FDGO zu mutieren. Insofern ist bei der Bekämpfung von Bestrebungen, die gleichsam ‚von außen‘, also durch Personenkreise getragen werden, die sich selbst über die Ablehnung der FDGO definieren, stets und maßgeblich darauf zu achten, die Mutation der FDGO zu einer FDGO-Diktatur ebenso zu verhindern, wie die von ‚außen‘ im oben definierten Sinne drohende Gefahr abzuwehren. Konkret bedeutet dieses, dass staatliches Handeln gegenüber religiösen und weltanschaulichen Bestrebungen, die auf die Abschaffung oder Überwindung der FDGO zielen, maßvoll und angemessen zu erfolgen hat.“
Der Zielkonflikt des GG
Diese vielleicht auf den ersten Blick etwas schwer verständliche Darlegung besagt folgendes:
- Gemäß GG hat jeder Deutsche das Recht, politisch für die Überwindung der FDGO zu werben, soweit er dieses auf den verfassungsgemäßen Wegen der politischen Debatte und innerhalb der Parlamente auf friedliche Weise tut und dabei die Grundrechte an sich nicht infragestellt.
- Der Staat hat eine Schutzverpflichtung selbst gegenüber Bürgern, die auf eine Überwindung der bestehenden Ordnung hinarbeiten, solange dieses im Rahmen einer Weltanschauung auf friedlichem Wege erfolgt. Das bedeutet: Auch der Kommunist hat diesen Schutzanspruch, wenn er seine kommunistische Weltanschauung glaubhaft machen kann, ebenso wie sogar der nationale Sozialist, wenn für ihn beispielsweise die Hitler-Schriften eine durch das GG zu schützende Weltanschauung begründen.
Vor allem letzteres mag absurd klingen, ist aber durch das GG zwingend dann geboten, wenn die Vertreter dieser Weltanschauungen ihre Positionen im Rahmen eines demokratischen Wettstreits ohne jegliche Gewaltanwendungsabsicht verfolgen.
Von diesen radikalen Vertretern politischer Weltanschauungen zu unterscheiden galt es die zu Staatsfeinden erklärten, gewaltbereiten oder gewaltanwendenden Extremisten, wie sie sich beispielsweise in Form der RAF aus dem linksradikalen Milieu rekrutierten. Die Trennlinie zwischen jenen, die der freiheitlich-demokratische Staat zu erdulden, im Sinne des GG sogar zu schützen hat, und jenen, die zutreffend als gewaltbereite Staatsfeinde durch den Staat zu verfolgen waren, lag genau zwischen Radikalismus und Extremismus.
Staatsparteienautokratie
Wenn ich zum Landtag NRW von der Gefahr einer „FDGO-Diktatur“ schrieb, dann beschrieb dieses – bedauerlicherweise – genau jenes Vorgehen, welches wir nun offensichtlich ausgerechnet beim BfV feststellen müssen.
Wenn die Begründung der Einstufung der AfD als Verdachtsfall tatsächlich ausschließlich darauf beruht, dass das Amt „etliche Belege für mutmaßliche Verstöße gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zusammengetragen“ hat; wenn also diese Begründung ausreicht, um der AfD eine „extremistische“ Position zu unterstellen, dann darf dem BfV durchaus ein gerüttelt Maß an Grundgesetzbeugung und der bewusste Einstieg in eine „FDGO-Diktatur“ vorgeworfen werden.
Das BfV aber – womit sich eine Parallele zum entsprechenden Vorgehen gegen die „Identitäre Bewegung“ auftut – agiert mittlerweile auf einer Grundlage, die die noch in den 70ern und 80ern bedeutsame und durch das GG gebotene Unterscheidung zwischen „radikal“ und „extremistisch“ nicht nur verwischt, sondern gänzlich vom Tisch fegt. Damit muss die Feststellung zutreffen, dass sich das BfV selbst vom „Boden der FDGO“ entfernt hat, indem es offensichtlich in der Wertung des Verhaltens politischer Weltanschauler nicht mehr das freiheitlich-staatliche Schutzrecht vor dem Staat bedient und in den Vordergrund stellt, sondern den Staat als Schutzobjekt zum eigentlichen Inhalt seines Auftrages verkehrt und damit den Grundrechtsschutz vom Bürger als Individuum auf ein Abstraktum Namens Staat verlagert.
Die AfD lässt keinen Extremismus erkennen
Sollte das BfV belastbare Belege dafür haben, dass die AfD oder Teile derselben im Sinne der gängigen Extremismusdefinition tatsächlich als gewaltbereite Gruppe zu verstehen ist oder sind, dann hat es mit seiner offensichtlich vorliegenden Einschätzung recht. Das Problem ist nur: Weder das Parteiprogramm, noch das Verhalten der Abgeordneten der AfD, lassen bislang erkennen, eine gewaltsame Überwindung der FDGO anzustreben. Ganz im Gegenteil vermitteln Personen wie Meuthen eher den Eindruck, sich mit Vehemenz für eben den Erhalt der FDGO einzusetzen – allerdings in jener freiheitlich-liberalen Interpretation, die bis in die Neunzigerjahre Gültigkeit hatte, und nicht in einer verfassungsbeugenden Interpretation des GG, die den Staatsschutz über den Individualschutz stellt.
Sollte die Berichterstattung von Spiegel und Co. den Tatsachen entsprechen – und leider gibt es keine ernsthaften Zweifel, dass dem so ist – dann erleben wir gegenwärtig jenen von mir beschriebenen Einstieg in eine „FDGO-Diktatur“, die faktisch nichts anderes ist als die Diktatur eines staatsparteilichen Herrschaftsapparats, der die Organe der Gewährung der Verfassungsgrundlagen mit politischen Opportunisten besetzt hat, deren Auftrag nicht mehr der Schutz der staatlichen Grundlagen ist, sondern der Schutz der aktuellen Staatsmacht vor genau diesen Grundlagen.
Das staatliche Vorgehen verlässt die Verhältnismäßigkeit
Wie gesagt: Man mag von der AfD halten, was man will. Aber bislang lässt sich an keiner Stelle belegen, dass diese Partei die Absicht verfolgt, die FDGO mit der Anwendung von Gewalt zu überwinden. Selbst von einem „politischen Kampf“ gegen die FGDO könnte nur gesprochen werden, wenn das verfassungsgegebene Individualrecht auf politische Weltanschauung als abgeschafft und jedwede Opposition gegen die staatlichen Organe als verfassungsfeindlich zu betrachten wäre. Noch allerdings steht genau dieses Recht auf eine sogar radikale Opposition im Grundgesetz – und solange dem so ist, muss die Überwindung dieses Grundrechts mit höherrangigen Rechtsgrundsätzen begründet werden. Hierbei ist vor allem die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Kann der Staat mit seinen Organen dieses Grundrecht auf Opposition nicht mehr gewährleisten oder wird er sogar selbst zum aktiven Überwinder der grundgesetzlich geschützten Individualrechte, so ist er selbst derjenige, der den Boden des Grundgesetzes verlässt.
Das dünne Eis der Demokratie
Das Bundesamt für Verfassungsschutz und mit ihm die Staatsparteien bewegen sich, sollten sie tatsächlich noch Anhänger einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung sein, mit einem solchen Vorgehen auf mehr als dünnem Eis. Politisch-argumentativ mag man die AfD auf allen dafür möglichen Bühnen bekämpfen – der politische Streit ist Kernelement des Demokratie. Der Einsatz von Verfassungsorganen als Instrumente parteipolitischer Agenda und Ziele jedoch ist, wenn er festzustellen wäre, der Untergang jenes Verfassungsstaats, der 1949 nach dem Untergang des Deutschen Reichs aus der Taufe gehoben wurde.
Das Grundgesetz kennt keine Staatsparteien – weder CDU noch CSU noch SPD noch Grüne oder FDP. Und die als Linkspartei verkleideten Kommunisten als Anhänger einer radikalen Weltanschauung schon gar nicht. Was wir gegenwärtig zu erleben scheinen, ist jedoch genau der Weg in eine Staatsparteienautokratie, welche sich anmaßt, jegliche Opposition gegen ihren verfassungsinterpretativen Konsens mit allen, auch fragwürdigen Mitteln, zu unterbinden. So wird dann aus der freiheitlich-parlamentarischen Demokratie eine „FDGO-Diktatur“, die allerdings den Schönheitsfehler hat, sich selbst von der FDGO entfremdet und diese zum Instrument politischer Machtkämpfe instrumentalisiert zu haben.