Tichys Einblick
Diätenerhöhung in Baden-Württemberg

Den notleidenden Parlamentariern hilft Kretschmann am meisten

Während der Wirtschaft eine Rezession droht und die Bürger die EZB-hausgemachte Inflation zu spüren bekommen, gönnt sich die Bundesregierung neue Beamtenstellen und Baden-Württemberg den Landtagsabgeordneten eine besonders großzügige Aufwandsentschädigung.

IMAGO / Arnulf Hettrich

Ach, was haben wir uns nicht erhaben gefühlt, wenn wir auf unsere verarmten griechischen EU-Nachbarn geschaut haben, weil dort nach jedem Regierungswechsel erst einmal Unmengen an neuen Staatsstellen geschaffen wurden, um Verwandte, Freunde und Parteigänger mit lukrativen Staatsjobs zu versorgen. Was haben wir geschimpft, wenn man dann dort noch auf die Idee kam, die Diäten der Volksvertreter kräftig anzuheben, während das Land vor Auslandsschulden kaum noch atmen konnte. Nepotismus ist im deutschen Bewusstsein fest als levantinisches Handlungsmodell verankert – und die Levante beginnt in dieser Weltsicht eben schon in Korfu und auf dem Balkan im Allgemeinen.

Nepokratismus auch in der Bundesrepublik

Doch längst schon können wir es ebenso gut – wenn nicht besser. Während Deutschlands Wirtschaft stöhnt, weil völlig überzogene Corona-Lockdown-Aktivitäten ihr den Hals zugedreht haben und nun noch das drohende Gas-Aus die längst schon EZB-hausgemachte Inflation in ungeahnte Höhen treibt, will die rotgrüngelbe Bundesregierung im Handstreich 758 Beamten- und 54 Angestelltenstellen neu schaffen. Wohlbemerkt: NEU!

Dabei wäre das überhaupt nicht nötig, um die Getreuesten der Getreuen zu versorgen. Laut Statistischem Bundesamt verfügte der Bund im Jahr 2020 über 189.160 Beamte einschließlich Richterstellen, 172.070 Soldaten und 128.360 Angestellte im Öffentlichen Dienst. Davon werden laut Deutschem Beamtenbund in den kommenden fünf Jahren 46.525 öffentlich Bedienstete in den Ruhestand gehen. Auch ohne RG2-Blitzeinstellungsaktion viel Raum also, um Kumpels und Kumpelinen in die Staatsversorgung zu überführen.

Auch die notleidenden Parlamentarier bedürfen dringender Unterstützung

Nun ist es allerdings nicht so, dass der sichere Beamtenjob der einzige Ausgabentopf wäre, mit dem die politische Kaste der Republik ihre Bedürfnisse deckt. Während die politischen Vortänzer dem Volk wegen Energieeinsparung das Autofahren abgewöhnen wollen und das Heizen der Wohnung unerschwinglich machen, erhöhen sich die notleidenden Volksvertreter mehr oder weniger heimlich schon mal ihre Staatssubvention, auch Diät genannt. Der regelmäßigen Debatte darüber leid, wie viel dem Bürger „sein“ Parlamentarier wert sein dürfe, hatte der Bundestag dafür gesorgt, dass die Erhöhung der Diäten ohne lästige Debatte erfolgt.

Von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, kommen die aktuell 736 Parlamentarier des Bundestags in den Genuss eines Diätengesetzes, welches 2014 das leidige Thema gleichsam für alle Ewigkeit erledigt haben sollte. Zumindest, soweit es die öffentliche Diskussion betraf. Seitdem sind die offiziell „Entschädigungen“ genannten, zu versteuernden Zuwendungen an die Lohnentwicklung gekoppelt. Laut Information der Bundestagsverwaltung vom 16. Februar 2021 belief sich der Betrag vom 1. Juli 2019 bis zum 30. Juni 2021 allerdings durchgehend auf 10.055,84 € – angesichts der Existenzenvernichtungsaktion wegen Corona hatten die gewählten Volksvertreter großzügig darauf verzichtet, von ihrem verbrieften Recht Gebrauch zu machen.

Wobei sich die Großzügigkeit durchaus in Grenzen hielt. Denn neben dieser steuerpflichtigen Grundentschädigung erhalten MdB auch noch eine „allgemeine Kostenpauschale“. Die soll dazu dienen, Kosten für Wahlkreisbüros und Mitarbeiter auszugleichen. Über die Verwendung allerdings müssen die Empfänger keine Rechenschaft ablegen, zudem sind diese Einkünfte steuerfrei und steigerten sich zwischen 2019 und 2021 von 4.418,09 Euro auf 5.560,59 Euro. Zudem gibt es Zuschüsse für Krankenversicherung und weitere Vergünstigungen nach Beamtenrecht.

2021 mussten die Abgeordneten dann sogar – die allgemeine Lohnentwicklung war rückläufig – eine finanzielle Einbuße verkraften. Statt der 10.055,84 Euro gab es nur 10.012,89 Euro. Damit nun nicht aber etwa unsere Volksvertreter ihren Job hinwerfen, weil ihnen die Entlohnung nicht angemessen erscheint, soll es zum 1. Juli 2022 endlich wieder das geben, was freundschaftlich „Anpassung“ genannt wird und den Parlamentariern laut selbstbestimmten Recht zusteht. Über eine Erhöhung von 3,1 Prozent wusste die Bild bereits im Februar zu berichten – es geht um 310,40 Euro rauf auf 10.323,29 Euro. Ein entsprechender Beschluss, der den gesetzlichen Automatismus bestätigt, war gegen die Stimmen von AfD und PdL bereits am 16. Dezember 2021 abgesegnet worden.

Auch Baden-Württemberg legt kräftig drauf

Nun ist es selbstverständlich nicht so, dass ausschließlich unsere Bundestagsabgeordneten am Hungertuch nagen. Auch auf Länderebene führt kein Weg daran vorbei, die Arbeit der unersättlichen – pardon: unersetzlichen – Volksvertreter angemessen zu entlohnen. Da setzen aktuell die Südwestdeutschen ein Zeichen. Da offensichtlich die Lohnentwicklung im Ländle energischer als auf Bundesebene voranschreitet, sollen es dort nun sogar 3,8 Prozent sein, um die die Aufwandsentschädigungen ab Juli angehoben werden.

Nun sind die Landtagsabgeordneten in Stuttgart nicht ganz so heftig beschäftigt wie die im Bundestag, und so wird das zu versteuernde Einkommen auf nur 8.275 Euro ansteigen. Hinzu kommt auch bei den sparsamen Schwaben nebst anderen Baden-Württembergern eine Erhöhung der steuerfreien Kostenpauschale um 3,0 Prozent auf 2.371 Euro – neben einer „Mitarbeiterpauschale“ in aktueller Höhe von 10.897 Euro monatlich. Dafür schmälert sich der Vorsorgebeitrag für die Altersversorgung um satte 0,7 Prozent auf nur noch 1.900 Euro.

Vom Großverdiener zum Hungerleider

Die Großverdiener unter den Landtagsabgeordneten sitzen hingegen in Nordrhein-Westfalen. Da liegt die Grunddiät derzeit bei 9.603 Euro und satten 2.453 Euro für die Vorsorge sowie 8.984 Euro für die Mitarbeiter. Dafür fällt die Aufwandspauschale flach.

Nicht ganz so großzügig sind die meisten anderen Landesparlamente. So müssen die Bayern mit 8.886 Euro zwar etwas mehr als die süddeutschen Nachbarn versteuern – bekommen dafür aber eine steuerfrei Kostenpauschale von 3.726 Euro und können immerhin noch 8.866 Euro für Mitarbeiter auskehren. Für die Altersversorgung gibt es allerdings nichts extra.

Im hohen Norden müssen die Abgeordneten selbst deutlich mehr arbeiten als im Süden. Sie bekommen für Mitarbeiter nur 3.425 Euro, dafür aber 8.886 Euro Grunddiät. Für den Aufwand gibt es in Schleswig-Holstein nichts, aber 1.500 Euro für Versorgungsaufwendungen.

Rang vier belegen die Hessen. Im Wiesbadener Landtag werden 8.297 Euro Diät plus (nur) 966 Euro Pauschale ausgekehrt. Für die Vorsorge gibt es nichts extra – für Mitarbeiter stehen 5.240 Euro zur Verfügung.

Im Mittelfeld finden sich Brandenburg (7.604 Diät + 1.003 Pauschale + 1.856 Vorsorge + 4.619 Mitarbeiter), Rheinland-Pfalz (7.394 – 1.530 + 0 + 4.064), Sachsen-Anhalt (7.230 + 1.914 + 0 + 4.129) und Niedersachsen (7.175 + 1.456 + 0 + 3.560).

Im unteren Drittel rangieren Berlin (6.657 + 2.779 + 0 + 6.930), Mecklenburg-Vorpommern (6.466 + 1.587 + 0 + 4.726), Saarland (6.238 + 1.459 + 0 + 0), Sachsen (6.237 + bis zu 4.389 + 0 + 8.128) und Thüringen (6.036 + bis zu 2.845 + 0 + 3.831).

Echte Hungerleider unter den Volksvertretern auf Länderebene leben in den beiden Hansestädten mit ihren „Freizeitparlamenten“. Hier hat das notorisch völlig überschuldete Bremen in der Grundentschädigung (5.150 + 0 + 795 + 0) die Nase vor Hamburg (3.555 + 540 + 0 + 3.289). Damit das in der Stadt der sparsamen Pfeffersäcke nicht so bleibt, hatte die „Diätenkommission“ der Bürgerschaft bereits 2018 empfohlen, die Grunddiät um 1.000 Euro zu erhöhen. Der sprichwörtliche Geiz an der Elbe ließ dann aber doch nur 450 Euro daraus werden.

Nach der Corona-bedingten Unterbrechung wird nun jedoch die Lücke gefüllt: Im April beschloss die Bürgerschaft die Heraufsetzung auf 4.081 Euro. Denn, so Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD): Die Parlamentsarbeit bedeute für viele, dass sie im normalen Job auf Geld oder Karrieremöglichkeiten verzichteten und außerdem seien die Hamburgischen Volksvertreter ohnehin notorisch unterbezahlt. Eine Tüte Mitleid bitte für dieses ungewollte, schwere Schicksal …

Auch künftig gibt’s mehr Geld – ganz automatisch

Da sich in der Bundesrepublik die Parteien den Staat zu eigen gemacht haben, sind die Abgeordnetengehälter zumeist an die Preisentwicklung oder an die Entwicklung der Entlohnung gehobener Staatsbeamter gekoppelt. Somit ist gewährleistet, dass regelmäßige Erhöhungen unter dem Radar einer diskutierenden Öffentlichkeit stattfinden können.

Wo sonst auch wäre es möglich, direkt aus der Bafög-Unterstützung nach erfolglos absolviertem Studium in die Gehaltsstufe eines Richters aufzusteigen? Selbst für einen nur mäßig begabten Rechtsanwalt ist ein festes Monatseinkommen – bezogen auf den Mittelwert der Länderparlamente – in Höhe von 7.712,38 Euro durchaus lukrativ. Vor allem, wenn dann noch steuerfreie Pauschalüberweisungen, Unterstützung bei der Altersversorgung und ein Handgeld für die Beschäftigung von Mitarbeitern, die für einen die Arbeit tun, für die man eigentlich selbst bezahlt wird, oben draufgelegt wird.

Immerhin belief sich der Monatsbruttoverdienst eines jener zu vertretenden Vollzeitarbeitnehmers im Jahr 2020 auf durchschnittlich 3.975 Euro – da gehören die Landtagsabgeordneten mit Ausnahme der bedauernswerten Hansestädter schon zu den Besserverdienern – von den Topverdienern im Bundestag, deren Arbeit sich im Wesentlichen darauf konzentriert, von der Exekutive vorgelegte Gesetzesvorlagen durchzuwinken, ganz zu schweigen.

Unsere Abgeordneten sind uns also einiges wert – und das völlig unabhängig davon, ob ihre Arbeit das auch wert ist. Und sie werden von Jahr zu Jahr wert-voller. Ganz ohne unser Zutun und zumeist auch so, dass wir es nicht einmal bemerken.

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