Vorweg eine Klarstellung: Das, was wir gegenwärtig zwischen Bug und Don erleben, ist der Russisch-Ukrainische Krieg, und er hat bereits 2014 mit der Besetzung der ukrainischen Krim und den Ostprovinzen begonnen. Was wir gegenwärtig erleben, ist der Übergang von einem warmen in einen heißen Krieg.
Wie in jedem Krieg spielen auch in diesem Krieg Lügen und Desinformationen eine entscheidende Rolle. Und die Frage nach der angeblichen Legitimität des Krieges. Beides ist in vielerlei Hinsicht von Bedeutung – nicht nur für jene unermüdlichen Putin-Anhänger, die dessen Neo-Eurasiatische Ideologie teilen und jeden Völkerrechtsbruch des Leningraders feiern. Wesentlich bedeutender sind die Lügennarrative für jene, die unmittelbar in den Konflikt involviert sind. Denn dabei geht es auch darum, wie ein Krieg geführt wird.
Spätestens mit dem überflüssigen Besuch des Olaf Scholz im Kreml hätte jeder wissen können: Putins Drehbuch steht – und diplomatisches Geplapper wird ihn nicht abhalten, danach zu verfahren. In der Pressekonferenz zum Abschluss des Besuchs fielen die entscheidenden Stichworte. Putin ließ wissen, dass die Duma fordere, die sogenannten Volksrepubliken auf ukrainischem Boden anzuerkennen. Er habe aber noch nicht darüber entschieden. Letzteres war eine Lüge, um seinen Gesprächspartner ein wenig zappeln zu lassen – eine von vielen. Das Duma-Scheinparlament entscheidet nichts, ohne dass Putin diesem zuvor zugestimmt hat. Mit dem Duma-Beschluss hatte sich Putin die Scheinlegitimation für sein weiteres Vorgehen geschaffen.
Das zweite Stichwort lautete „Völkermord“. Ein Völkermord, den die Ukrainer angeblich an den Russen in den beiden Ostprovinzen vornähmen. Auch das ist eine Lüge allein schon deshalb, weil die Selenskyj-Regierung sorgfältig jeden möglichen Anlass für eine russische Intervention vermieden hat. Doch dieses Stichwort sollte die anstehende Invasion legitimieren – Putin orientierte sich zynisch an der Begründung, mit der die NATO einst ihren Angriff gegen Serbien begründete. Nur mit dem Unterschied, dass serbisch gesteuerte Einheiten tatsächlich Massenmorde an vor allem muslimischen Mitbürgern im Kosovo unternahmen und es nicht um die Unterstützung eines völkerrechtswidrig installierten Systems prorussischer Separatisten eines souveränen Staats ging.
Nun mag man durchaus feststellen, dass solche hehren Ziele in Kriegen regelmäßig auf der Strecke bleiben – doch Putin hat mit seinem Vorgehen klargemacht, dass er zu keinem Zeitpunkt auch nur im Ansatz daran gedacht hat, bei seiner militärischen Übernahme des Nachbarlandes irgendwelches internationales Recht gelten zu lassen.
Putin spricht von einer „Militäraktion“. Sie findet aus russischer Beschreibung statt in einem Land, das es nicht gibt und das von einer kriminellen Junta okkupiert wurde. Deshalb musste Putin keine Kriegserklärung überreichen – und er muss sich nicht einen Deut um jene Grundsätze scheren, die in den Verträgen von 1906 und 1907 auch vom russischen Zaren unterzeichnet worden waren.
Die russische Invasionsarmee muss und wird in ihrem Kampf gegen die Ukrainer keinerlei Rücksicht nehmen. Sie kann Städte und ihre Zivilbevölkerung bombardieren, Flüchtlingsströme angreifen, Standgerichte durchführen. Putin ist zurückgefallen in die Barbarei und hat so sich und sein Land aus dem Konsens der zivilisierten Nationen geführt.
Putins Ziel ist es, über seinen neorussischen Imperialismus in alle vorstellbare Ewigkeit als der große Restaurator des Russischen Großreichs in den Geschichtsbüchern zu stehen. Nichts wird ihn nun noch davon abhalten – und er hat es jeden zu jeder Zeit wissen lassen, noch bevor der nächste Schritt in seinem Krieg gegangen wurde.
Doch die westliche Politik wollte nicht hören, was sie zu hören bekam. Zu sehr hat sie sich verrannt in ihrer Schimäre einer Welteinheitsregierung, geeint durch globalen Handel und in der angeblich alternativlosen Klimaweltenrettung. All das aber steht jetzt zur Disposition. Nicht nur in der Ukraine.
Putins Russland bombt jetzt die Zivilisation zurück in vormoderne Zeiten. Die Solidaritätsbekundungen der westlichen Träumer an die Ukraine sind in der aktuellen Situation nichts anderes als der Zuruf an jemandem, der von einem brutalen Straßenräuber verprügelt wird, man sei in seinem Leid bei ihm. Jene, die zum x-ten Mal „alles“ zu tun versprechen und nichts machen werden, sollten einfach nur noch still sein.
Oder, um es sarkastisch zu fragen: Sind die 5.000 Helme, die die Bundesregierung großzügig angekündigt hatte, eigentlich schon in der Ukraine? Falls nicht, kann Christine Lambrecht sie nun zurück ins Bundeswehr-Magazin legen. Sie werden keinen einzigen Kopf retten. Und jeder, wirklich jeder, hätte es wissen können, wenn er seinen Blick auf Russland nicht mit Illusionen verstellt hätte.