Spätestens seit dem herbeigeputschten Staatsstreich, über dessen tatsächliche Abläufe sich die NATO bis heute in tiefstes Schweigen hüllt, sollte ein jeder wissen: Märchen aus Tausendundeinenacht sind nicht zwangsläufig ins Mittelalter zu verorten. Die NATO zumindest weiß es. Und hüllt sich in Schweigen über jene Nacht des 15. Juni 2016, obgleich sie mit ihrer lückenlosen Kontrolle des gesamten Luftraums genau weiß, welche von Erdogans Erzählungen über seine tollkühne Flucht und nächtliche Verfolgungsjagden offenbar gänzlich unfähiger Jetpiloten bis hin zu jener glücklichen Wendung, dass die angeblichen Putschisten just 30 Minuten bevor der nächtliche Fluchtflieger dort landete, den von ihnen besetzten internationalen Flughafen von Istanbul wieder verlassen hatten.
Die Augenklappen des Westens
Die Gründe des NATO-nalen Schweigens und euro-nationalen Wegschauens sind vielfältig:
- Immer noch hoffen die Militärführer des westlichen Verteidigungsbündnisses darauf, in der Türkei einen getreuen Partner an der Südwestflanke Russlands zu haben.
- Immer noch träumen die USA davon, mit der Türkei eine Macht gegen den Iran aufbieten zu können, obgleich doch der engste US-Verbündete in Riad dem Muslimbruder in Ankara mehr verhasst ist als die schiitischen Abweichler in Teheran.
- Immer noch glauben die Westeuropäer – allen voran die Bundesrepublik – daran, aus den traditionell totalitären Traditionsmuslimen westlich-freiheitliche Staatsbürger formen zu können, die nur so lange ein Aufenhaltsrecht auf EU-Boden haben, wie die Türkei ihren EU-Beitrittsstatus behält.
- Immer noch befindet sich Bundeskanzler Angela Merkel in ihrer babylonischen Gefangenschaft der Migrantenflutungsdrohung seitens des Großsultans von Neu-Osmanien.
- Immer noch rechnen sich international agierende Konzerne ihre Milliarden-Investionen in der Türkei schön, fürchten bei einem Amok laufenden Kalifen den Totalverlust.
Und so schlafwandelt sich die politische Elite nicht nur unserer Republik durch die Zeit, redet sich den Islamdespoten schön und denkt laut darüber nach, einmal mehr Steuergelder in Fässern ohne Boden zu versenken, um den Totalzusammenbruch des faschistoiden Systems am Bosporus auf die Phase nach ihrer eigenen Amtszeit zu verschieben.
Gezielt in den Abgrund
Zu retten ist Erdogans Türkei nicht mehr. Der Mann aus dem kleinkriminellen Milieu der mittelalterlichen Welthauptstadt Byzanz hat von Wirtschaft so viel Ahnung wie ein Huhn vom Maisanbau. In der dem Islam eigenen Mischung aus sozialistischem Kollektivismus und irrealem Gottvertrauen setzt der Kämpfer des Islam darauf, dass Allah, diese Fiktivgestalt aus dem arabischen Frühmittelalter, seinem Glaubenskrieger schon die richtigen Wege zeigen werde; seinen getreuen Diener bei der Islamisierung der Welt nicht im Regen stehen lassen wird.
Doch irgendwie scheint es nun auch mit Allah so zu sein wie mit jenem Gott, den Karl Marx dereinst für tot erklärte. Nicht nur, dass Allah die massenvernichtenden Erdverschiebungen seit geraumer Zeit auf jene Region zu konzentrieren scheint, deren Bewohner sich vor einigen Jahrhunderten dem Islam unterwerfen mussten – er versäumt es auch, seinen getreuen Janitscharen zwischen Kara Deniz und Kara Dag eine expandierende und funktionierende Wirtschaft herbeizuzaubern.
Wiederholt schon rief der Sultan aus seinem 1.100-Zimmer-Palast (schließlich galt es, die legendäre 1.001 zu überbieten) seine Anhängerschaft auf, ihre gehorteten Euro und Dollar gegen die schwindsüchtige Landeswährung zu tauschen – „Gold gab ich für Eisen“ war schon immer der letzte Rettungsanker fehlgeleiteter Volkswirtschaften, und er wird dennoch spätestens dann den Despoten nicht mehr retten, wenn seine nicht minder mit den Abläufen internationaler Geldpolitik unvertrauten Landsleute auf die Idee kommen sollten, ihre inflationären Lira wieder zu echtem Geld machen zu wollen.
Ein letztes Aufbäumen der Zentralbank
Als im August die türkische Zentralbank in ihrer Not im Kampf gegen die Inflation den Leitzins für einwöchige Bank-Darlehen von bereits stolzen 17,75 % auf 24 erhöhte, war Schluss mit Erdogans Zurückhaltung. Seine „Geduld mit der Zentralbank“ habe ihre Grenzen, befand der selbsternannte Wirtschaftsexperte, der zuvor die Senkung der Zinsen gefordert hatte, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass niedrige Zinsen noch mehr Lira auf den Markt schwemmen und damit den Kurs weiter unter Druck bringen müssten.
In der Türkei aktive Unternehmen sollen nun in einem ersten Schritt die Preise ihrer Produkte um pauschal zehn Prozent senken. Mit der Bauernschläue von Trickdieben haben die Sippenführer des Erdogan-Clans dabei gegenwärtig vor allem jene Produkte im Visier, die zur Berechnung des Warenkorbes herangezogen werden. Denn, so die Idee, damit lässt sich vorgeblich die Statistik betrügen – vermutlich rechnen die Herren wie jene geschmähten Milchmädchen: Aus 17 Prozent Inflation macht man bei einer generellen Warenkorbpreissenkung von zehn Prozent am Ende eine Inflationsrate von nur noch 7 %. Und schon die die Welt wieder halbwegs in Ordnung und das Vertrauen der irritierten Finanzinvestoren wieder hergestellt.
Die Bauernschläue der Trickdiebe
Wie wenig funktionabel eine solche Idee ist, scheint den Clanchefs dabei nicht bewusst zu sein. Nicht nur, dass kaum jemand bereit sein wird, seinen ohnehin schon schmalen Gewinn ohne jegliche Gegenleistung der Staatsführung zu schenken – ein nunmehr unvermeidbares Zwangsdiktat wird das türkische Wirtschaftssystem ins Chaos stürzen. Die staatseigenen Betriebe sind bereits zwangsverpflichtet. Sie werden sich der ordre du mufti nicht entziehen können, nun entweder defizitär produzieren oder sich ihre Defizite mit noch mehr gedruckten Lira ausgleichen lassen müssen und so die Inflation weiter beflügeln.
Venezuela hat es vorgemacht
Was wir in der Türkei derzeit sehen, ist eine gezielte Zerstörung der wirtschaftlichen Grundlagen des Landes zwischen den Meeren. Wohin dieses führt, hat jüngst der von Linkspopulisten aka Sozialisten vernichtete, reiche Staat Venezuela vorgelebt: Preisdiktat, Zwangswirtschaft, Versorgungsmangel; Chaos und de facto Zusammenbruch des Staatswesens und jeglicher staatlichen Ordnung.
Der Weg von Neu-Osmanien scheint vorgezeichnet – Dank seiner sich als unfehlbar empfindenden Führung mit Volldampf in die Gruppe der als „failed states“ bezeichneten Systeme.
Es sei denn, Erdogans Allah hätte am Ende doch noch ein Einsehen und würde seinen Mentor entweder mit den Schätzen aus Aladins Räuberhöhle beglücken oder ihn gleich einstmals jenem Mohammed aus der Wüste Arabiens als Verbalinspiration über Nacht mit den Mechanismen der Wirtschaft vertraut machen. Wobei – letzteres ist leider auszuschließen, da Mohammed erklärtermaßen der letzte Mensch gewesen ist, der das Vergnügen eines unmittelbaren Kontaktes mit Allah hatte. Und bei der Schatzhöhle dürfte es heute mit einem dahin gemurmelten „Simsalabim“ auch nicht mehr getan sein.