Tichys Einblick
Wozu noch eine Bundesrepublik?

Dann können doch EU, EZB und EuGH gleich alles selbst machen

Ein Tatsachenbericht mit polemischer Schlussfolgerung, zornigen Bemerkungen und sarkastischen Empfehlungen.

imago images / Patrick Scheiber

Vorab ein Wort des Dankes. Mein tiefempfundener Dank an Gott, die Vorsehung, das Fliegende Spaghettimonster oder auch den Geschäftsverteilungsplan des Bundesverfassungsgerichts – je nach tatsächlicher Verantwortlichkeit – dafür, dass die Entscheidung zur EZB-Finanzierung der Südländerschulden durch deutsche Guthaben noch vor dem 6. Mai 2020 gefallen ist. Sozusagen auf den allerletzten Drücker konnte sich der Jurist Andreas Voßkuhle als Chef des Gerichts und des Zweiten Senats mit der Klage befassen. Nur etwas später, dann hätte vielleicht der ehemalige Vizechef der CDU-Bundestagsfraktion und Merkel-Gefolgsmann Stephan Harbarth den Vorgang verhandelt. Auch wenn wir es nie werden beweisen können: Wäre es so gewesen, hätten wir vermutlich mit viel Verfassungswindungen ein deutlich anderes Urteil vorgesetzt bekommen.

Das Abschiedsgeschenk des Andreas Voßkuhle

Nun aber ist es so. Voßkuhle, der als renommierter Rechtswissenschaftler auf Vorschlag der SPD am 25. April 2008 dieses Amt übernommen hatte, legte der Bundesrepublik als Abschiedsgeschenk mit nur etwas Verspätung ein richtig dickes Osterei ins Nest. Deutschlands höchstes Gericht hatte sich auf Antrag von Peter Gauweiler und anderen mit der Finanzpolitik der Europäischen Zentralbank beschäftigt. Die hatte allein schon für den Zeitraum 2015 bis 2018 rund 2,6 Billionen Euro (weil es hübscher aussieht: 2.600.000.000.000 €) in die Ankäufe ungedeckter Schecks vor allem aus Südeuropa gesteckt. Geld, dass nicht etwa irgendwo erwirtschaftet wird, sondern das die EZB virtuell schöpft. Geld, das letztlich nur dann von seinen Empfängern zurückgegeben werden kann, wenn eine galoppierende Inflation den Euro von Tag zu Tag auffrisst. So, wie diese Politik des lockeren Geldes eben auch bereits seit geraumer Zeit die Altersrücklagen anständiger Bürger aufzehrt und Immobilienpreise ebenso wie Aktienkurse trotz Corona in die Höhe treibt.

Diese EZB-Politik der ständigen Geldschöpfung nun wurde vom Bundesverfassungsgericht deutlich kritisiert. Die Ankäufe durch die EZB verstießen, so die Karlsruher Richter, gegen deren Kompetenzen. Statt mit offenen Händen virtuelles Geld zu verteilen, habe die Eurobank zu prüfen, ob die Maßnahmen tatsächlich verhältnismäßig seien. Weil sie das der EZB widerstandslos durchgehen ließen, hätten daher auch Bundesregierung und Bundestag Grundrechte verletzt – kurz: gegen die bundesdeutsche Verfassung verstoßen.

Es war ein Urteil wie ein Donnerschlag selbst dann, wenn sich die Richter nicht dazu durchringen mochten, den offensichtlichen Verstoß der EZB gegen das Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung der EU-Länder als solchen zu benennen. So viel Mut brachten die immer politisch denkenden Herrschaften dann doch nicht auf. Doch allein schon das im Namen des Volkes Festgestellte reichte, um die Politik kräftig zu schütteln, hatte doch der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Sitz in der Steueroase Luxemburg zuvor etwas anderes beschieden und der Gelddruckmaschine grünes Licht gegeben.

Der EU-Konter

Nach einer kurzen Schrecksekunde, in der die Hoheiten in EZB und Europäischer Kommission offenbar ihren Schock darüber überwinden mussten, dass es ein paar germanische Winkeladvokaten wagten, die unerschöpfliche Weisheit nicht nur der EZB-Göttin, sondern auch des EuGH in Frage zu stellen, schlugen Gemaßregelte und solche, die von der Gelddruckmaschine substantiell und in Nach-Corona-Zeiten noch mehr abhängen, zurück.

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Christine Lagarde ist, allen anderslautenden Legenden zum Trotz, zweifelsohne die mächtigste Frau der Welt. Sie hatte ihr Handwerk in einer der weltgrößten Wirtschaftskanzleien mit Hauptsitz in den USA gelernt und ist – selbstverständlich nur ein Kavaliersdelikt – bereits von einem französischen Gericht wegen „fahrlässigen Umgangs mit öffentlichen Geldern“ schuldig gesprochen worden. Sie hatte als Wirtschaftsministerin der Grande Nation einem Aktienspekulanten ohne gerichtliche Anordnung 403 Millionen Euro in die Tasche geschoben – angeblich, um noch höhere Ausgaben zu Lasten des Steuerzahlers zu vermeiden.

Lagarde, für die ein paar Millionen Dollar oder Euro spätestens seit ihrer Zeit als Präsidentin des Internationalen Währungsfonds in etwa dasjenige Gewicht haben, das im Geldbeutel einer Krankenschwester ein Zehn-Cent-Stück ausmacht, lehnte sich zurück und ließ wissen: Was interessiert mich dieses dämliche Gericht in der deutschen Provinz – ich bin die Sonnenkönigin des €uropäischen Geldes und mache weiter wie bisher. Selbstverständlich drückte sie es etwas diplomatischer aus – aber in der Sache ist die Aussage der EZB, sie werde auch künftig alles Notwendige tun, damit die geldpolitischen Maßnahmen mit dem Ziel Preisstabilität auf alle Teile der Wirtschaft und auf alle Gerichtsbarkeiten der Eurozone übertragen würden, nichts anderes als eine Doppelwatschen erst ins Gesicht Voßkuhles – und dann in das Gesicht der Deutschen, die es vor allem sind, die die Geldstabilität zwischen Athen, Paris und Lissabon zu finanzieren haben. Wir lernen: Als Französin muss sich die Dame nicht um die bundesdeutsche Verfassung scheren – und als La Grande Madame von allerhöchsten Gnaden steht sie über jedem Gericht, welches nicht in Luxemburg oder noch höher angesiedelt ist.

Chaos-UvdL ohne GG

Nicht minder arrogant reagierte die EU-Kommission. Ursula von der Leyen, die in jedem von ihr regierten Bundesministerium das blanke Chaos hinterließ und deshalb von Kumpel Angela Merkel auf den Sitz des Kommissionspräsidenten weggelobt wurde; die seitdem ihre deutsche Sprache verlernt hat und nur noch Englisch spricht – wo doch Deutsch für rund 90 Millionen Europäer die Muttersprache ist und nur 4,6 Millionen sich des Englischen bedienen – hält auch nichts von den subalternen, deutschen Verfassungsrichtern.

In einem Scheiben an den EU-Grünen Sven Giegold ließ sie wissen, dass die Währungspolitik ausschließliche Angelegenheit der EU sei, EU-Recht grundsätzlich Vorrang vor Landesrecht habe und die Urteile des EuGH nach dem klassischen Muster des Ober schlägt Unter jede Entscheidung anderer Gerichte toppen und überflüssig machen. Kurz: Was schert das deutsche Röschen aus dem Niedersächsischen das Grundgesetz, hat sie doch nun mit dem vom deutschen Volk nicht zugestimmten EU-Konstrukt, doch mit einem wider die Regeln freier und gleicher Wahl besetzten Pseudoparlament alle Instrumente in der Hand, um das EU-Volk ohne lästige Ein- und Widersprüche zu führen.

Bemerkenswert ist diese Hinwegsetzung über das Bundesverfassungsgericht, welches doch sonst immer gern als oberste aller Verfassungsweisheitsinstanzen verkauft wird, nicht zuletzt auch deshalb, weil Voßkuhle und die Seinen festgestellt hatten, dass das EuGH-Urteil zu den EZB-Käufen nicht nur „objektiv willkürlich“, sondern sogar „methodisch nicht mehr vertretbar“ sei. Was bedeutet: Die Luxemburger Herrschaften richten nicht nach Recht, sondern nach politischer Intention – und das machen sie dann sogar so schlecht, dass der Rechtsprofessor Voßkuhle sie in Erstem und Zweitem Staatsexamen hätte durchrasseln lassen.

Die so um ihre Juristenehre gebrachten Herrschaften in dem Kleinstaat zwischen Deutschland, Belgien und Frankreich mit dem hübschen Titel Großherzogtum Luxemburg halten es derweil klassisch. Die je zwei Richter aus Belgien und Spanien, die den Vorsitz dieses Gerichts innehaben, hüllen sich in das Schweigen des Buddha. Motto: Was interessieren uns die Aussonderungen dieser Rechtsverdreher aus der deutschen Provinz, die sich erdreisten, unsere alles überragende, juristische Kompetenz auch nur ansatzweise in Frage stellen zu wollen!

Dann ist da noch das Fußvolk

Selbstverständlich kommt nun, wie immer in solchen Fällen, auch das Fußvolk aus dem Busch. So jener Giegold, der dem Bundesverfassungsgericht „Nötigung“ vorwirft und der EU-Ober-Frau empfiehlt, nun endlich ein Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einzuleiten, weil das Gericht die EU-Verträge verletzt habe.

Vor allem aber glänzt Deutschlands ehemalige Frau Justizminister, die von ihrer Partei auf den lukrativen Vizepräsidentenstuhl des EU-Parlaments wegentsorgt wurde, mit wohlfeilen Einlassungen. Katarina Barley erblickt in der Karlsruher Entscheidung das „fatale Signal“ einer „großen Institution“, die „einen schwarzen Tag“ gehabt habe. Will sagen: Kaum wagt es jemand, dem Moloch EU ein wenig die Stirn zu bieten, gibt er Anlass zu Zweifeln an seiner Zurechnungsfähigkeit. Aber das kennen wir ja schon: Wer nicht der richtigen „Haltung“ frönt, hat eben einen Dachschaden.

Auslaufmodell und Ex-Oberfinanzer Wolfgang Schäuble – jener Präsident des Deutschen Bundestages, der mit einer sogenannten Reform das ursprünglich als Bürgervertretung gedachte Parlament endgültig zum Parteienversorgungsinstitut umstricken möchte und mit wirklichkeitsfremden Corona-Vorschlägen zu schülerischem Ferienverzicht glänzt, sieht durch die Unvernunft der Karlsruher Richter gar den Euro in Gefahr. Doch da muss er sich keine Sorgen machen. Allein schon, weil niemand wüsste, wie die niemals auszugleichenden, horrenden Target-II-Forderungen der Deutschen im Falle einer Euro-Abschaffung zu handhaben wären, werden sich alle denkbaren Instanzen notfalls mit dem Einsatz einer hochgerüsteten Guardia di Finanza gegen solche Ansinnen zur Wehr setzen.

Weg damit!

Da sich nun folglich alle einig sind, dass das Bundesverfassungsgericht völlig aus dem Ruder gelaufen ist – und wir gleichzeitig feststellen, dass wir es nicht nur nicht brauchen, sondern es sogar gefährlich ist, bietet sich die Abschaffung desselben an. Wir haben ja den EuGH in Luxemburg, der doch bereits das tut, was auch vom Karlsruher Gericht erwartet wird: Entscheidungen nicht nach juristischen Maßstäben zu treffen, sondern als politische Instanz die eigenen Ziele durchzusetzen. Also abschaffen, dieses überflüssige Gericht aus Zeiten, als in Deutschland noch eine gewisse Souveränität über die eigenen Angelegenheiten anzutreffen war.

Wenn wir schon dabei sind, das Verfassungsgericht zu streichen, können wir auch gleich das als Verfassungsersatz dienende Grundgesetz entsorgen. Wir haben ja nun gelernt, dass es auf EU-Ebene ohnehin keine Bedeutung hat und dass EU-Rechtsprechung jeglichen deutschen Verfassungsgrundsatz bricht. Also in den Mülleimer der Geschichte damit – spart allein an Druckkosten unendliche Summen und erleichtert der Politikerkaste den gesellschaftlichen Radikalumbau.

Abwickeln können wir auch die Deutsche Bundesbank. Sie hat schon lange nichts mehr zu sagen – und an deutsche Verfassungsgrundsätze muss sie sich, wie wir gerade lernen, auch nicht halten. Also weg damit – überflüssig.

Und wenn nun schon das Verfassungsgericht und dessen Basiswerk namens Grundgesetz abgeschafft ist, dann können wir uns nun den Verfassungsschutz schenken. Also Tschüß, Herr Haldenwang. Der Mohr (sorry, darf man ja eigentlich nicht mehr sagen) hat seine Schuldigkeit getan – der Mohr kann gehen.

Geldpolitik der EZB
Dieses Urteil aus Karlsruhe bedeutet Sturm
Ach, was soll es. Wickeln wir doch gleich alles ab. Über unser Geld können wir nicht mehr verfügen, sind stattdessen der Plünderung durch die EZB anheimgegeben. Unsere Verfassung hat jeglichen Wert verloren, weil ein EuGH sie jederzeit für nichtig erklären kann – die EZB-Präsidentin nebst EU-Vortänzerin haben dieses ohnehin bereits getan. Deutsche Gesetzbücher? Welch ein überflüssiger Ballast – lasst das doch die EU-Instanzen machen! Dann können wir uns die teure Juristenausbildung an den Universitäten schenken – und haben sogar die Garantie, dass nicht im Beruf erfolglose Advokaten massenhaft in die dann ebenfalls überflüssigen Parlamente strömen.

Also weg damit! Mit allem! Mit Bundes- und Landesregierungen, mit deutschen Gesetzen und deutschem Vermögen. Alles überflüssig. Lösen wir doch am besten gleich die Bundesrepublik auf. Wird auch nicht mehr gebraucht. Hat ja nichts mehr zu sagen,– und zu entscheiden schon gar nicht. Wird nur noch als Melkkuh gebraucht – aber dazu benötigt die EU nicht die zahllosen Instanzen, die den Fluss der Geldströme regeln. Das schaffen die Eurokraten in Brüssel auch so, wenn sie gleich den tumben Michel direkt melken. Vorausgesetzt selbstverständlich, solche Provinzjuristen wie der Voßkuhle werden künftig abgeschaltet. Auch wenn sie ohnehin nichts zu sagen haben – allein schon ihr lästiges Gequake wirkt störend auf die Kreise der Eurokratie. Und deren Kreise möge doch bitte das Fußvolk der unterwerfungswilligen Vasallen nicht stören – auch wenn es sich mit dem überflüssigen Titel eines Bundesverfassungsgerichtspräsidenten schmückt.

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