Wofür Corona nicht alles gut ist. Nun geht es also an den Umbau der Krankenversicherung – eines der heiligsten Güter unserer Republik. Und jene, die seit eh der Nähe vor allem zur Sozialdemokratie unverdächtig sind und sich als Vertreter der Arbeitnehmerschaft verkaufen, protestieren bestenfalls verhalten, während der Möchtegern-Kanzler der SPD um das Thema Arbeitnehmerrechte in diesem Fall einen großen Bogen macht.
Ziel der Durchimpfung verfehlt
Es ist offensichtlich: Die von den Regierenden gewünschte Durchimpfung der Bevölkerung mit Vakzinen, die gegen Corona gefeit machen sollen, hat noch nicht die erwartete Dichte erreicht. 61,9 Prozent der Bevölkerung sind aktuell zweimal geimpft, 66,3 Prozent haben sich erst eine Impfung abgeholt. Diese Zahlen machen deutlich: Rund ein Drittel der erfassten Bevölkerung fremdelt mit „dem Pieks“.
Glauben wir den offiziellen Verlautbarungen, dann sind jene, die gegenwärtig intensiv betreut werden müssen, überwiegend der Gruppe der Ungeimpften zuzuordnen. Wobei offensichtlich auch die Impfung nicht uneingeschränkt wirkt. Anfang September meldete das Robert-Koch-Institut, welches die täglichen Wasserstandsmeldungen zum Corona-Geschehen veröffentlicht, insgesamt bereits über 18.000 sogenannte „Impfdurchbrüche“ – Fälle, in denen Corona trotz vollständiger Impfung ausbrach. Stefan Kluge, Direktor der Intensivmedizin am Universitätsklinikum Eppendorf, weist jedoch darauf hin, dass in Hamburg gegenwärtig so ziemlich alle, die wegen Corona auf die Intensivstation müssen, ungeimpft seien. Also geht die Politik davon aus: Wer geimpft ist, mag zwar an Corona erkranken, doch ist der Krankheitsverlauf dann weniger dramatisch.
Der Druck auf Ungeimpfte wird erhöht
Gleichwohl scheint diese Schlussfolgerung manch einen nicht davon zu überzeugen, vom „Impfverweigerer“ zum Impfbereiten zu konvertieren. Folglich wird der Druck erhöht. Zwei-G-Regeln (geimpft oder genesen) sollen dafür sorgen, dass ausgesuchte Bevölkerungsgruppen wieder in den Genuss der ihnen grundgesetzlich garantierten Grundrechte kommen dürfen. Drei-G-Regeln (besagtes plus frisch getestet) sollen auch jenen diese Rechte jeweils befristet einräumen, die den Gang zur Spritze ablehnen. Lässt man die Grundrechtsproblematik außer Acht, so mag man diesen Regelungen noch eine gewisse Sinnfälligkeit abgewinnen zumindest dann, wenn private Unternehmen wie beispielsweise Clubbesitzer sie im Rahmen ihres Hausrechts anwenden.
Doch das ist vielen Landesregierungen nicht genug. So wird nun durch die Hintertür daran gearbeitet, ein Grundprinzip der Krankenversicherung auszuhebeln, welches da lautet, dass der Gesundheitsschutz unabhängig davon garantiert wird, wie der Betroffene zu seiner Krankheit gekommen ist.
Kein Lohnausgleich für Ungeimpfte
Vorreiter ist das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg, einst als liberales Musterländle der Republik bekannt. Dort gilt mit Datum 15. September 2021: Wer als Ungeimpfter in Quarantäne muss, weil er als Kontaktperson identifiziert wurde oder sich in ausländischen „Risikogebieten“ aufhielt, erhält keine Lohnfortzahlung mehr. Diese war bislang durch das Land übernommen worden, um Härten für solche Personenkreise abzufedern. Lediglich bei Quarantäne-Homeoffice soll der Lohn weiterlaufen – was allerdings ohnehin gewährleistet ist, da der Arbeitgeber keinerlei Grund zur Lohnkürzung hat, wenn der Angestellte seine Leistung am heimatlichen Küchentisch erbringt.
Das südwestdeutsche Beispiel macht parteiübergreifend Schule. Das rot-grün-gelbe Rheinland-Pfalz zieht am 1. Oktober nach. Hessen (schwarz-grün) und Mecklenburg-Vorpommern sowie Niedersachsen (beide rot-schwarz) denken laut in ähnliche Richtung.
Laumann verkündet nun: „Wenn ich mir die Freiheit rausnehme, mich nicht impfen zu lassen, dann muss ich für die Konsequenzen, die daraus entstehen, auch in vollem Umfang selbst persönlich einstehen.“ Kurzum: Das „Selberschuld-Prinzip“ soll zumindest dann Anwendung finden, wenn wegen ihrer von der Politik als Bockigkeit empfundenen Nicht-Impfung als Selbstverschulder identifizierte Personen Opfer staatlicher Maßnahmen werden.
Ein Grundprinzip der Krankenversicherung wird ausgehebelt
Angesichts der gezielt erzeugten Corona-Hysterie kann die Politik derzeit davon ausgehen, dass die breite Masse der Bevölkerung dieses Vorgehen als „gerecht“ empfindet. Und dabei die hinter diesen Maßnahmen stehende Logik gänzlich ausblendet.
Nur aus den Gewerkschaften, die sich die Vertretung der Arbeitsnehmerinteressen auf ihre Fahnen geschrieben haben, kommt verhaltene Kritik. Kritik allerdings, die ebenfalls am eigentlichen Kern der Problematik meilenweit vorbeigeht. Aus den Reihen des DGB des Landes NRW werden Zweifel angemeldet, ob der ständig zunehmende Druck auf Impfunwillige die Impfbereitschaft tatsächlich erhöhen werde. Auch handele es sich um „Scheindiskussionen“ die zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen könnten.
Das mag zwar zutreffend sein – blendet jedoch aus, dass es vor allem die Krankenversicherer sein dürften, die die aktuelle Debatte mit großem Interesse verfolgen. Denn das, was gegenwärtig durch mehrere Bundesländer angestrebt wird, bietet Raum für eine Debatte, die bislang im irreleitend als „Gesundheitswesen“ bezeichneten Umgang mit Erkrankten als Tabu betrachtet wurde.
Wenn eine Leistung, die ihre Ursache in einer durch Krankheitsgeschehen verursachten Situation hat, mit der Begründung des Selbstverschuldens der Betroffenen gestrichen wird, dann ist der Weg vom Ausfall einer staatlichen Lohnfortzahlung hin zur Ursachen-orientierten Krankheitsversorgung nur noch ein kurzer.
Jemand macht Urlaub im Hochrisikogebiet und erhält deshalb keine Lohnersatzleistung mehr – jemand macht Skiurlaub und bricht sich das Bein. Wo ist der Unterschied? Niemand hat den Skifahrer gezwungen, dieses Risiko einzugehen – weshalb also soll die Gemeinschaft der Versicherten für die Folgekosten aufkommen?
Oder schauen wir auf die Raucher, Kiffer und Alkohol-Trinker. Jedem sind die mit dem Drogen-Konsum verbundenen Gesundheitsrisken hinlänglich bekannt. Warum also für Folgekosten der Krankenversorgung die Gemeinschaft blechen lassen? Andere Gruppen, denen es demnächst ergehen kann wie den Ungeimpften, sind Übergewichtige und Bulimie-Erkrankte, Extremsportler und Sportverweigerer – kurz: Jede Gruppe, die durch ihr spezifisches Verhalten besondere Risiken eingeht, kann mit derselben Begründung, wie sie gegenwärtig die Politik für „Impfverweigerer“ anführt, künftig entweder von der Versorgung ausgeschlossen, zumindest jedoch mit Sonderkosten hinsichtlich der Krankenversicherung belegt werden.
Die Krankenversicherer werden das Politik-Signal zu nutzen wissen
Das wird sich nun ändern. Denn mit der Selbstverschuldungsklausel bei Corona-Quarantäne bricht der Damm. Noch halten sich die Krankenversicherer bedeckt. Doch wir dürfen sicher sein: Sie werden sehr genau beobachten, ob und auf welche Widerstände die staatlich organisierte Schuldübertragung stößt. Halten sich diese in Grenzen, wird die entsprechende Debatte nicht mehr lang auf sich warten lassen. Und ein Lauterbach, der damit seinen Geltungsdrang befriedigen möchte, wird sich auch schnell finden.
Starten wir einfach bei Corona. Wer sich nicht impfen lässt, ist selber schuld. Deshalb kann er auch nicht erwarten, dass die Gemeinschaft der artig geimpften Krankenversicherten für die Kosten aufkommt, die seine Corona-Erkrankung verursachen. Kurzum: Eine Impfpflicht wird es selbstverständlich nicht geben. Aber der Zwang zu einer Corona-Risikoversicherung für „Impfverweigerer“ – da wird die große Mehrheit der Bevölkerung sofort in Jubel ausbrechen. Und nicht bemerken, dass sie mit ihrem eigenen Verhalten auch unzählige Anlässe bietet, sich künftig mit Risiko-KV für alles und jedes zusätzlich versichern lassen zu müssen.