Man mag sich fragen, warum das konsensdemokratische Modell der Einparteienherrschaft in der Volksrepublik China trotz der allumfassenden Macht der Partei immer noch auf absolute Einstimmigkeit angewiesen ist – wie auch immer: Am Sonnabend kam es zu einem Vorgang, der seinesgleichen sucht.
Xi Jinping wollte den 2.300 Delegierten seines Celebration-Day die Tagesordnungspunkte der entsprechenden Verfassungsänderung aufrufen lassen. Die ausgesuchten Marionetten des Systems sollten dem großen Führer eine Allmacht zukommen lassen, die bislang nur der Massenmörder Mao Zedong innehatte. Doch offenbar hatte es im Vorfeld Probleme gegeben.
Hu, der traditionell auf dem Podium des Politbüros aus Saalsicht unmittelbar rechts neben seinem Nachfolger saß, soll sich geweigert haben, für die entsprechende Abschaffung der bisherigen Begrenzung des Präsidentenpostens auf zwei Amtszeiten zu stimmen. Ob mit dieser Weigerung auch die Ablehnung der von Xi geforderten „neuen Ära“ der „Vier Bewusstseinsbereiche“ (Si ge yishi) einherging, wird nicht zu ergründen sein. Der Eklat war dennoch nicht zu übersehen.
Der Mann wird aus dem Saal geführt
Unmittelbar vor den Abstimmungen gingen auf den alten Herrn zwei Saalordner zu, die ihn am rechten Arm ergriffen und vom Stuhl zogen. Nun hinter Xi stehend, redete Hu noch auf seinen mit stoischer Miene unbeteiligt wirkenden Nachfolger ein – doch es half nichts. Umrahmt von den beiden Ordnern wurde der Elder Statesman aus der Halle des Volkes geführt – deutlich sichtbar nicht nur für die Delegierten, sondern auch für die offenbar etwas zu früh auf die Zuschauertribüne gelassenen Medienvertreter. Die hielten den Vorgang fest und verbreiteten ihn, bevor die chinesische Zensur dieses verhindern konnten.
Nur in den staatlichen Medien der VRC war von dem Vorgang nichts zu sehen – lediglich der leere Platz neben dem künftigen Präsidenten auf Lebenszeit, der nun all seine Vorschläge mit einstimmiger Mehrheit verabschieden ließ.
Nun wird gerätselt: Wollte Xi nur eine ihm unangenehme Gegenstimme loswerden – oder sollte gar der öffentliche Abtransport symbolisch den radikalen Schnitt mit der bisherigen Geschichte der KPCh aufzeigen?
Alleinherrscher von Maos Gnaden
Xi jedenfalls hat sich mit dem Parteitag nicht nur die nunmehr tatsächliche unbegrenzte Macht gesichert – er hat sich mit den Konzepten der Bewusstseinbereiche auch das Instrumentarium in die Hand gegeben, die Volksrepublik nach ausschließlich seinen Vorstellungen zu gestalten. Im Mittelpunkt steht dabei die Unterstützung der Parteiführung, das strikte Einhalten der Parteilinie sowie die Loyalität und politische Integrität gegenüber dem Staats- und Parteichef.
Der gebrechlich wirkende Hu Jintao war offenbar vor allem in der Frage der Loyalität nicht Xi gerecht. So präsentierte der rote Diktator lieber eine symbolische Leerstelle neben sich als einen einsamen Finger, der als Mahnung des letzten Überlebenden der Ahnenreihe an der falschen Stelle zum Himmel zeigte.