Tichys Einblick
Journalistische Selbstkritik

BBC gesteht Fake News – Falsche Berichterstattung zu Giftgaseinsatz in Syrien

Großbritanniens öffentlich-rechtlicher Sender hat zugegeben: Ein Bericht über einen vermeintlichen Giftgaseinsatz des Assad-Regimes war nicht zutreffend. Hinweise auf den Fake-Charakter der Nachricht wurden von einer BBC-Journalistin ignoriert. Daraufhin war es zu westlichen Militär-Einsätzen gekommen.

shutterstock/Willy Barton

Die höchstamtlichen FakeNews, mit denen die USA seinerzeit bei der UNO ihre Intervention im Irak begründeten, sollten noch in guter Erinnerung sein. Angeblich verfügte der sunnitisch-laizistische Diktator Saddam Hussein über Arsenale an Massenvernichtungswaffen – was damals durchaus glaubwürdig erschien. Schließlich hatte Hussein selbst mit deren Besitz geprahlt und einige Jahre zuvor ein komplettes kurdisches Dorf mit Chemiewaffeneinsatz vernichtet. Gleichwohl: Gefunden wurden die Massenvernichtungswaffen bis heute nicht, ihr angebliches Vorhandensein hatte jedoch mit dem 20. März 2003 den Beginn eines seit längerem erwogenen Kriegs gegen das Zweistromland veranlasst.

Als gut zehn Jahre später im Nachbarland Syrien der von Außen befeuerte Krieg zwischen den Bevölkerungsgruppen auf seinem Höhepunkt war, sollten es wiederum Chemiewaffen sein, die nach den Worten des früheren US-Präsidenten Barack Obama eine „rote Linie“ bilden sollten, welche durch Diktator Assad zu überschreiten einen Einsatz der US-Armee veranlassen würde. Prompt war es im April 2018 so weit: Das Assad-Regime sollte laut einem von BBC verbreiteten Bericht der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) bei einem Angriff auf Zivilisten und Aufständische in der Stadt Douma Giftgas eingesetzt haben. Der Weltbevölkerung wurden Bilder von Toten präsentiert, die Zahl von über 50 zivilen Opfern kursierten in den Medien.

Das Assad-Regime wies seine Beteiligung zurück, doch der Bericht der OPCW schien derart eindeutig, dass die USA, Frankreich und Großbritannien am 18. April zahlreiche Luftangriffe gegen Stellungen des Assad-Regimes flogen und aktiv in das Kriegsgeschehen eingriffen.

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Infolge des Angriffs kam es innerhalb der OPCW zu harten Auseinandersetzungen. Einige der beteiligten Wissenschaftler gingen an die Öffentlichkeit mit dem Vorwurf, dass Erkenntnisse, die das Assad-Regime entlasteten, im Bericht gezielt ausgelassen worden seien. Auch hätten westliche Medien, die über diese Situation von „Whistleblowern“ unterrichtet worden waren, entsprechende Informationen vorsätzlich unterdrückt. Kurz: Führende Kreise der OPCW hätten in Kooperation mit westlichen Medien – namentlich der BBC – den Vorgang derart geschildert, dass die Verantwortung des Assad-Regimes offensichtlich wirkte. Das aber sei sie eben nicht gewesen. Vielmehr habe es deutliche Hinweise darauf gegeben, dass der angebliche Giftgas-Angriff von interessierten Kreisen gestellt gewesen sei. Ein Propaganda-Fake – nicht mehr.

Nun räumt die BBC ein: Ja, die Vorwürfe stimmen. Tatsächlich seien seinerzeit jene Hinweise auf die Möglichkeit einer gegen Assad gerichteten Propaganda-Show bewusst unterdrückt worden. Vielmehr hätte die Berichtserstattung der BBC die Skeptiker in der OPCW gezielt und vorsätzlich diffamiert, um deren Bedenken ausblenden zu können. Zu diesem für den Sender überaus unerfreulichen Ergebnis kam die sendereigene Kontrollinstanz, die Exekutive Complaints Unit (ECU), im Rahmen einer Untersuchung des Vorgangs. Die Controller stellten fest: „BBC investigative journalist Chloe Hajimatheou failed to meet the Corporation’s editorial standards for assurancy by reporting false claims“. Sinngemäß übersetzt: Investigativ-Journalist Chloe Hajimatheou – die Briten verzichten gottlob auf den Genderschwachsinn – verfehlte die BBC-Standards zur Fakten-Sicherung durch die Übernahme nicht gesicherter Behauptungen.

Mit anderen Worten: BBC ist heute nicht nur der Auffassung, seinerzeit mehr als unvollständig berichtet zu haben und dadurch möglicherweise einer Propagandashow aufgesessen zu sein – die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt des Vereinigten Königreichs räumt auch ein, durch mangelnde Berücksichtigung journalistischer Standards eine Mitverantwortung für die unmittelbar darauffolgenden Einsätze der Alliierten im Kriegsgeschehen zu haben.

Das international renommierte Medium stellt damit trotz und gerade aufgrund seiner Mitverantwortung gleichwohl unter Beweis, dass es sich auch dann journalistischen Standards verpflichtet fühlt, wenn diese durch das damit verbundene, mehr als schlechte Erscheinungsbild letztlich zum Nachteil des Senders gereichen – ein Prozess, auf den man bei den haltungsgerechten, bundesdeutschen ÖRs vermutlich ewig würde warten müssen.

In Syrien nichts neues

Was übrigens den Kriegsschauplatz Syrien selbst betrifft, könnte die Überschrift lauten: Im Südosten nichts neues. Nach wie vor beschießen sich tagtäglich syrische Einheiten mit den von der Türkei unterstützen Islamkämpfern in der Provinz Idlib im Nordwesten des Landes. Die kurdische Widerstandsbewegung in der von der Türkei widerrechtlich besetzten Provinz Afrin ist ebenfalls weiterhin aktiv. Am Euphrat beschäftigt sich die Türkei mit gelegentlichen Angriffen auf Stellungen der kurdisch-arabischen Syrian Democratic Forces, welche sich mit Attacken gegen die türkischen Invasionstruppen revanchiert. Auch die USA sind immer noch im Geschäft und konzentrieren sich gegenwärtig darauf, Stützpunkte und Einheiten der Iranischen Garden, die in Syrien eigene Interessen verfolgen, durch Luftschläge zu dezimieren.

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Weitgehend friedlich hingegen ist es im Südwesten des Landes um die Hauptstadt Damaskus. Da durch die Intervention Russlands an der Seite Assads die Widerstandskämpfer in die Idlib-Region verdrängt wurden und der türkisch-kurdische Konflikt weit von den arabisch bewohnten Gebieten zumeist ohne Beteiligung von Einheiten der syrischen Assad-Armee ausgefochten wird, kann ein großer Teil des Landes gegenwärtig als befriedet gelten. Lediglich dann, wenn iranisch unterstützte Einheiten den Territorien Israels zu nahe kommen, kommt es zu durch Israel grundsätzlich nicht bestätigte Schläge seiner Luftwaffe gegen süd-syrische Gebiete.

Auf einen tatsächlichen Frieden allerdings wird das geschundene Land noch hoffen müssen. Vor allem die Ansprüche der Türkei, die sich als Schutzmacht der Radikal-Muslime im Hinterland der türkischen Hafenstadt Iskenderun versteht und territoriale Ansprüche auf Kurdengebiete geltend macht, halten den Konflikt am Köcheln und liefern sowohl Putin die Begründung für die russische Militärpräsenz, wie es dem Iran den Einsatz von schiitischen Einheiten aus libanesischer Hisbullah und eigenenRevolutionsgardisten ermöglicht.

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