Tichys Einblick

AKK und der Mond

Merkels alternativloser Postfaktionismus hat tiefe Spuren hinterlassen. Hauptsache, die Welt erklärt sich so, wie man sie gern hätte. Noch besser: Sie erklärt sich gar nicht. Und wenn, dann so, wie es die von der politischen Konkurrenz der CDU ebenfalls versuchen.

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„SPD-Vorsitz ist das schönste Amt neben dem Papst“, meinte einstmals der katholische Arbeiterführer Franz Müntefering. Nun ja – ob er sich diese Aussage wirklich überlegt hatte? Egal. Spielt bei dem Vortänzer der zum Atheismus neigenden Sozialdemokratie eine eher untergeordnete Rolle.

Anders ist das selbstverständlich bei der CDU. Zumindest dann, wenn sie das C in ihrem Namen noch ein wenig ernst nimmt. Da ist dann selbstverständlich der Papst-Job der allerschönste der Welt und der eines CDU-Vorsitzenden nicht einmal annähernd so beglückend … Nur ist der Papstjob gegenwärtig besetzt, hat gewisse Zugangsvoraussetzungen – und Frauen ist er in dieser archaischen Männerwelt ohnehin versperrt. Also bleibt für christdemokratische Frauen nur der Job des Parteivorsitzenden. Und um den bewirbt sich jetzt neben einigen anderen, sich sozialbedingt als ungegendert-männlich empfindenden Kandidaten auch Annegret Kramp-Karrenbauer, die wir angesichts des Zungenbrechers auch hier wieder als AKK abkürzen wollen.

Trommeln bei t-online

Da Trommeln bekanntlich zum Handwerk gehört, ist nun auch AKK auf Werbetour. Und da sie gleichzeitig auch „Muttis“ Liebling ist, öffnen sich ihr bei den Medien schnell alle Türen. Was ein gewisser Startvorteil sein kann.

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Fasten mit AKK - Die neue Diät im Test
Jüngst nun gab ihr t-online eine Plattform. Das ist jenes Internet-Portal, welches nur noch unter dem Segel des ehemaligen Staatsunternehmens schifft – weshalb wir davon ausgehen dürfen, dass der staatliche Aktienanteil von knapp 32% keinen Ausschlag gegeben haben dürfte. Eher schon wäre zu fragen, ob nicht die knapp fünf Prozent, die vom Globalfond „Black Rock“ gehalten werden, als Sperrminorität einer Gesprächseinladung hätten wirken können – schließlich steht deren deutscher Aufsichtsratschef Friedrich Merz gegenwärtig in unmittelbarer Konkurrenz zu AKK.

Aber, wie gesagt: Spielt keine Rolle. Denn das Web-Portal heißt nur noch so, ist es aber nicht mehr, sondern gehört dem Medienkonzern Ströer, den man sonst nur von Plakatwänden kennt. Und so bemüht man sich seit geraumer Zeit redlich, klassisch-redaktionelles Flair zu verbreiten. Was durchaus auch gelegentlich gelingt – sieht man einmal davon ab, dass der User dort beständig mit irgendwelchen „Analysen“ bombardiert wird, die sich bei genauerem Hinschauen als das entpuppen, was früher gemeinhin als „Kommentar“ bezeichnet wurde. Aber einverstanden: Analyse klingt einfach wissenschaftlicher – und es vermittelt den Eindruck, hier sei jemand mit viel Geistesschmalz und der unverzichtbaren Objektferne einer Sache neutral und wissenschaftlich auf den Grund gegangen.

„Ich kann Wahlen gewinnen!“

Sei’s drum. In diesem Portal durfte nun AKK ein Bewerbungsgespräch absolvieren. Von der Redaktion als Interview gestaltet. Neben dem üblichen Kotau vor dem Mainstream – USA werfen alle Regeln über Bord, Merkel hat alles richtig gemacht und die AfD kann niemals Partner der Union sein – hob sie selbstverständlich auch ihre ganz persönlichen Qualitäten hervor. Der dabei hübscheste Satz: „Ich weiß, wie man Wahlkämpfe führt. Ich habe bewiesen, dass ich Wahlen gewinnen kann.“

Das sind selbstbewusste Sätze, die gleichwohl einer gewissen Hinterfragung bedürfen.

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Seit wann ist AKK Generalsekretärin? Wie lange gehört sie dem Bundesvorstand ihrer Partei an, der letztlich die Verantwortung dafür trägt, ob eine Partei beim Bürger ankommt oder durchfällt? Glauben wir den nachlesbaren Daten ihrer Vita, so gehört AKK seit 2010 Mitglied zum Parteipräsidium. Ist also Vorstandsmitglied. Damals, im Jahr 2010, konnte die Union auf ein Bundestagswahlergebnisses des Vorjahres zurückgreifen. 33,8 Prozent sind hier AKKs Ausgangsbasis. Vier Jahre später holte das Präsidiumsmitglied dann sogar 41,5 % der Stimmen. Zugegeben – das war ein sogar deutlicher Gewinn.

Nun sei allerdings eingeräumt, dass die eigentliche Verantwortung für die Wahlkämpfe bei den Generalsekretären liegt. Sie sind die Chefmanager, organisieren den öffentlichen Auftritt – und müssen dann den Hut nehmen, wenn das so richtig daneben geht.

AKKs Vorgänger Peter Tauber kann ein Lied davon singen. Sein Wahlkampfslogan „#fedidwgugl“ (vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch – das stand für „In einem Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“) überforderte den Unions-Normalwähler ein wenig, gehörte der doch noch nicht zur dauertwitternden Politikergarde, die sich ständig gegenseitig mit unverständlichen Hashtags bombardiert. Und so schmierte die Union ganz heftig ab: Nur noch 32,9 % gab es für die Christdemokratischsozialen. Man war noch unter den absoluten Tiefststand von 2009 gefallen – Tauber musste seinen Hut nehmen und wurde umgehend mit dem Posten eines Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium der Verteidigung abgefunden. Seitdem darf der Oberleutnant der Reserve dort das Chaos von Ursula von der Leyen verwalten.

Bayern? Not my business!

Nun also war AKK an der Reihe. Sie schmiss ihren gemütlichen Job als Ministerpräsidentin der gerade einmal 900.000 Saarländer hin und wechselte als Generalsekretärin ins Berliner Haifischbecken. Dort wurde sie weiteres Puzzlesteinchen in der Merkel’schen Parteizentralenentmännlichungpolitik.

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Seitdem nun trägt AKK die Kernverantwortung dafür, dass die CDU beim Wähler Punkte macht. Das gilt auch für die Ergebnisse auf Länderebene – denn selbst wenn es Usus ist, Ländergewinne den Bundeshäuptlingen zuzuschreiben und Länderverluste den dort bestimmenden Indianern anzulasten, so weiß doch ein jeder, dass jede Landtagswahl eine kleine Bundestagswahl ist. Wobei die regionalen Spezifika selbstverständlich zu berücksichtigen sind. Soll heißen: Ist die Partei in einem Bundesland traditionell schwach, so wird auch das Ergebnis schwach sein. Und umgekehrt.

Von solchen Wahlen gab es nun seit GS AKK zwei, die ein Bild auf die Performance der Union werfen: Bayern und Hessen.

Bayern ist – zugegeben – etwas anders. Dort tritt die CDU als Partei nicht an, überlässt das weißblaue Himmelreich der statt demokratisch sozialen Schwester. Das erleichtert selbstverständlich die Behauptung, das dortige Ergebnis habe mit der CDU und deren Performance auf Bundesebene nicht das Geringste zu tun. Hinzu kam dieses Mal der Horst-Faktor – jenes vergebliche Bemühen des frisch gekürten Bundesministers des Inneren, in das Invasionschaos seit 2015 etwas Recht und Ordnung zu bringen.

Dabei nun hatte sich der Horst nicht nur mit der Angie angelegt – er hatte auch den rotgrünen Mainstream vom deutschen Wohlstand für alle Weltenbürger noch nicht so recht verstanden. Also folgte ein maßloses und gleichwohl maaßenhaftes Sperrfeuer gegen den Ingolstädter. Die Union in Bayern schmierte ab von 46,5 auf 36,7 Prozent – und alle, einschließlich AKK, konnten nun mit dem Finger nach Süden zeigen und rufen: „Der Horst war’s!“

Ob kantig oder kuschelig …

Blenden wir also Bayern aus. Bleibt noch Hessen. Obgleich es dort immer wieder mal recht knapp zuging, kann man das Land um die Mainmetropole Frankfurt durchaus als christdemokratisches Stammland bezeichnen. Immer wieder produzierte die dortige CDU kantige Politiker von bundespolitischer Bedeutung: Alfred Dregger, Manfred Kanther, Walter Wallmann, Roland Koch und nun Volker Bouffier. Wobei manch einer derart kantig war, dass er sich irgendwann selbst aus der Politik kantete.

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Dort, in diesem früheren Kurfürstentum, rutschte die CDU unter der Ägide AKK auf 27,0 Prozent und verlor satte 11,3 Prozentpunkte. Selbstverständlich wies AKK sofort mit dem Finger nach Wiesbaden – Bouffier wies zurück und zielte auf Berlin. Reden wir nicht drum herum: Selbstverständlich war dieser Zusammenbruch der Wählergunst maßgeblich dem Berliner Unionsauftritt geschuldet. Da mag AKK noch so viele Plattitüden verbreiten: Wenn sie tatsächlich, wie sie sagt, weiß, wie man Wahlen gewinnt – warum, in drei Teufels Namen, hat sie das dann den hessischen Parteifreunden nicht verraten?

Oder meinte sie damit ihre Kuschelergebnisse im verträumten Saarland? Dort überzeugte sie als Spitzenkraft ihrer Union beim ersten Anlauf 2012 genau 169.617 Bürger davon, sie in ihrem Bemühen zu unterstützen, als Ministerpräsidentin zu agieren. Vorgänger Peter Müller, der 2011 seinen Job an AKK abgetreten hatte, um ab sofort in Karlsruhe Verfassungsrecht zu sprechen, konnte sich immerhin noch auf 184.537 Fans berufen.

Beim zweiten Anlauf 2017 waren es dann immerhin 217.263 Saarländer, die AKK folgten.

Fassen wir zusammen: Ein einziges Mal aus einem nicht wirklich guten ein etwas besseres Ergebnis gemacht – indem sie die Einwohnerzahl einer kleinen Mittelstadt von sich überzeugen konnte. Wirklich grandios. Wenn das der Beleg dafür ist, dass man Wahlen gewinnen kann, dann bin ich gelernter Schneider. Schließlich habe ich auch schon einmal mit Nadel und Faden eine Hose genäht – und sie alsbald weggeworfen, weil eine Schwalbe eben noch keinen Sommer macht.

Von der unermesslichen Selbstüberschätzung des Seins …

Und doch ist diese Selbsteinschätzung ebenso bezeichnend, wie all die inhaltsleeren Sprüche, die AKK sonst regelmäßig in ihrer politischen Betrachtung der allgemeinen und der spezifischen Weltlage verbreitet. Denn all das beweist nur eines: Im Haifischbecken Berlin gelingt das Eintauchen in den Elfenbeinturm der eng beschränkten Sicht im Eiltempo. Offenbar sind die Gewebe des Selbstbetruges und der Wirklichkeitsferne in der Bundeshauptstadt derart fest gewirkt, dass selbst das Mädchen aus der Provinz schnell den Blick auf diese Welt verliert.

Was schade ist und mich selbst zu einer traurigen Erkenntnis veranlasst, hatte ich doch seinerzeit den Umzug der Bundesregierung vom damals noch verträumten Städtchen Bonn befürwortet.

Gegen die Mehrheit
Warum argumentieren CDU und SPD so oft und so vehement gegen ihre eigenen Wähler?
Mit dem Umzug vom Rhein an die Spree, so damals meine naive Erwartung, würde die Politik mit den Realitäten dieser Welt zwangsläufig konfrontiert werden. Jener Bonner Gemütlichkeit, die sich unverbrüchlich in den Köpfen der kleinstadtidyllischen Politiker eingenistet hatte, würde sich nun an der Konfrontation mit den versammelten Problemzonen der proletarischsten Metropole der Republik messen lassen müssen.

Traumwelt trifft auf Wirklichkeit – doch nichts davon. Offenbar hat der Umzug in den Moloch die Vorhänge an den Schwellen der politischen Wahrnehmung noch schneller und fester schließen lassen. Was dann eben auch erklärt, weshalb Berliner Politik in so ziemlich den meisten Politikfeldern irgendwie am Volk vorbei gemacht wird.

Vielleicht besser auf dem Mond …

Kosmos Berlin – selbst unter der gläsernen Kuppel des Reichstages dank sonnenabweisender Lamellen nur selten den Blick freigebend zu den Sternen. Von den Niederungen des Landes ganz zu schweigen.

GCM
Migration – einklagbares Recht unter dem Dach der Bundesrepublik
Vielleicht – auch wenn man das ja eigentlich nicht sagen soll – wäre es an der Zeit, diesen in der Blase ihres eingeschränkten Horizontes verharrenden Damen und Herren nun doch einmal die Chance zu geben, sich von der Weite der Schöpfung beeindrucken zu lassen. Da böte sich möglicherweise der Mond an, jenes uns beharrlich umkreisende Zweitgestirn. Vor allem die Rückseite dieses Trabanten, der den Erdbewohnern seit Ewigkeiten immer nur die eine seiner beiden Seiten zeigt, könnte sich empfehlen. Nicht nur, dass man dort der Wirklichkeit des irdischen Seins ebenso entrückt ist wie im Elfenbeinturm der Politik – es eröffnet sich dort auch der absolut ungehinderte Blick in die Unendlichkeit. Und gleichzeitig könnten die nun mit der Unendlichkeit beschäftigten Herrschaften versuchen, eine Frage zu beantworten, die laut ZDF-Wissenschaftssendung seit Generationen neben zahllosen anderen die Wissenschaft bewegt.

Sie lautet: Warum gab es auf dem Mond nur auf der erdzugewandten Seite Vulkanismus, während auf der anderen nichts dergleichen zu erkennen ist?

Die tiefen Spuren des Nonfaktionismus

Eigentlich dürfte das ja keine Frage sein. Denn wenn Erde und Mond dereinst in einem großen Zusammenprall entstanden sind und sich die kugelförmigen Objekte erst im Laufe von Äonen aus glühendheißer Materie formten, dann wird die große Erde mit ihrer Masse das unter der Mondkruste immer noch flüssige Gestein deutlich kräftiger angezogen haben, als es heute der Mond mit unseren Ozeanen tut. Also vulkan-aktivierte es auf der Seite, die ständig der Erde zugewandt ist – und kühlte unvulkanisierend auf der anderen ab.

Doch ich schweife ab – ohne mir dennoch die Feststellung zu verkneifen, dass offenbar das Niveau der Wissenschaftler (oder jener, die solche ungelösten Rätsel in Wissenschaftssendungen verbreiten) sich recht nah an jenen Verständnis- und Erklärungsebenen der AKKs und Co bewegt. Hauptsache, die Welt erklärt sich so, wie man sie gern hätte. Oder noch besser: Sie erklärt sich gar nicht. Und wenn überhaupt, dann bestenfalls so, wie es die Dame von AKKs politischer Konkurrenz versuchte. Pippi Langstrumpf ist eben überall – Muttis alternativloser Postfaktionismus hat tiefe Spuren hinterlassen.

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