Tichys Einblick
Schäbiges Geschäft

50 Eurofighter gegen einen Dämon? Schlechte Karten für einen Katalanen

Rajoy will bei Merkel und Macron 50 Eurofighter kaufen, wenn er den Katalanen kriegt. Offiziell bestätigt wird das ebenso wenig wie beim Waffen-Yücel-Deal mit Erdogan. Also stimmt es.

© Josep Lago/AFP/Getty Images

Selbstverständlich – Carles Puigdemont kann nichts dafür. Und doch klingt sein spanisch-katalanischer Nachname für einen Deutschen in seiner Aussprache auf den ersten Moment genau so, wie ihn sich sein derzeit erbittertster Feind, Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy, offensichtlich vorstellt: Putsch-Dämon.

Tatsächlich hat des Katalanischen (Ex)Regionalpräsidenten Name, der vollständig Puigdemont i Casamajó lautet, nichts mit Putsch und Dämon zu tun. „Puig“ steht im Katalan für „Hügel“, „de Monte“ heißt einfach nur „vom Berg“, und das „i Casamajó“ steht für „und schönes Haus“.  Insofern heißt Spaniens Staatsfeind Nummer Eins vollständig und ins Deutsche übersetzt also „Karl Hügel vom Berg und dem schönen Haus“. Was – zugegeben – auf Katalanisch/Spanisch deutlich hübscher klingt.

Wie auch immer: Dieser Puigdemont befindet sich gegenwärtig in Deutschland in Auslieferungshaft. Der Grund: Sein Intimfeind Rajoy hat gegen ihn einen internationalen Haftbefehl erlassen. Es geht um Putsch und Hochverrat – und um Veruntreuung von Staatsgeldern.

Es ist an  dieser Stelle nicht nötig, alle Anklagepunkte im Detail zu listen. Entscheidend ist: Puigdemont war/ist (das ist derzeit nicht so ganz klar) demokratisch gewählter Präsident der nordöstlichen Provinz Spaniens. Dort leben mehrheitlich Katalanen, von denen seit Jahrhunderten auch einige in der Mini-Pyrenäen-Republik Andorra, auf Deutschlands fast annektiertem Bundesland Mallorca nebst Balearen und im südfranzösischen Roussillon siedeln.

Separatismus und Geld

Spaniens Katalanen sind ein eigenwilliges Völkchen. Sie legen nicht nur großen Wert auf ihre eigenständige Sprache – sie träumen auch mehrheitlich davon, einen eigenen Nationalstaat zu bilden. Außerdem waren sie in jüngerer Vergangenheit so fleißig, dass sie – nach bundesdeutschen Länderfinanzausgleichsvorstellungen – innerhalb Spaniens ein Geberland sind. Will sagen: Spaniens Zentralregierung freut sich auf die regelmäßigen Überweisungen aus der prosperierenden Provinz. Was – nachdem die Katalanen schon im spanischen Bürgerkrieg von Francos Putschisten zwangsintegriert worden waren – heute für Unmut sorgt. Denn bekanntlich hört beim Geld die Freundschaft auf.

Als dieser Carles Puigdemont von seinem katalanischen Regionalparlament zum Präsidenten der Provinz gewählt worden war, betrieb er mit der Mehrheit der gewählten Parlamentarier den Gang in die Unabhängigkeit. Nun lässt sich im Nachhinein immer gut reden – doch unterstellen wir einfach mal, dass es ursprünglich nur darum ging, den Katalanen-Status innerhalb Spanien zu befördern und einen größeren Anteil der erwirtschafteten Staatsgelder in der provinziellen Selbstverwaltung  zu halten.

Madrid ging auf Konfrontation

Statt nun aber sich mit den unbotmäßigen Separatisten an einen Tisch zu setzen und nach gemeinschaftlichen Lösungen zu suchen, gingen Madrids Zentralisten auf Konfrontation. Aus dem ursprünglichen Ehekrach wurde ein Zerwürfnis, aus dem Zerwürfnis offene Gegnerschaft. Diese Gegnerschaft endete klassisch mit einem zerschnittenen Tischtuch, nicht aber mit dem Rauswurf des einen Partners aus der bis dahin gemeinsamen Wohnung durch den anderen. Zwar wollte der eine gern gehen – doch der andere bestand darauf, dass er bleibe. Es war dann doch wie bei einem klassischen Ehestreit, bei dem der eine kräftig aber arm ist, der andere aber eine bedeutsame Mitgift in die Ehe gebracht hat – und bei der Hochzeit auf einen den Ernstfall  regelnden Ehevertrag verzichtet wurde.

Legitim ist mehr als legal
Finger weg von Puigdemont
Als Puigdemont und die Seinen nun per Referendum das Ende der Ehe erzwingen wollten, wurde der Stärkere rabiat. Er be-setzte der Katalanen Rathäuser und die Vertreter der Separation ab. Gleichzeitig wurde in Spaniens Gesetzen gewühlt und aus dem demokratisch legitimierten Vorgehen der Separatisten ein Putschversuch als Hochverrat konstruiert. Als nun die Zentralisten begannen, die politische Führung der Separatisten zwecks Aburteilung ins Gefängnis zu werfen, konnte sich Puigdemont gerade noch rechtzeitig absetzen. Erste Station Belgien, wo er auf Grund des spanischen Haftbefehls vernommen und wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Belgiens Staatsanwälte kamen zu dem Schluss, dass dem Katalanen nach belgischem Recht nichts vorzuwerfen wäre. Und Internationale Haftbefehle müssen nach den Interpol-Statuten nur dann exekutiert werden, wenn der Straftatsvorwurf dem landeseigenen Recht entspricht. Was Sinn macht, denn andernfalls wäre vermutlich in Deutschland rund die Hälfte aller türkeistämmigen Bürger in Auslieferungshaft: Ein Drittel als Kurden wegen automatischer Zugehörigkeit oder Unterstützung zur von Deutschland und der Türkei als Terrororganisation eingestuften PKK, der Rest als Gülenisten oder Nicht-Erdoganisten wegen Putschversuchs und Hochverrat.
Puigdemonts Scheinsicherheit

Sich in dieser Rechtssicherheit wähnend, wechselte der Katalane seinen Aufenthalt nach Dänemark, wo die Staatsanwaltschaft, auf die Beurteilungsfähigkeit der belgischen Kollegen vertrauend, überhaupt nichts tat. Und nun machte Puigdemont einen fundamentalen Fehler. Wäre er mit den deutschen Independent-Medien wie Tichys Einblick vertraut, hätte er wissen müssen: Seit einigen Jahren wird der deutsche Rechtsstaat Stück für Stück über die Einführung politisch begründeten Scheinrechts aufgelöst. Doch das hatte sich bis zu ihm noch nicht herumgesprochen – und so fuhr er bei Flensburg in die Staatsparteienrepublik Deutschland ein und bewegte sich auf der A7 Richtung Elbe.

Wer auch immer den Staatsorganen des Landes „zwischen den Meeren“ den entscheidenden Tipp gegeben hatte: Puigdemonts Wagen wurde auf der Autobahn gestoppt und Katalaniens (Es)Präsident im Mittelzentrum Neumünster in Untersuchungshaft genommen. Seitdem befindet sich Rajoys Erzfeind in deutschem Gewahrsam – und die Anzeichen mehren sich, dass Schleswig-Holsteins Staatsanwaltschaft auf (Zu)Rechtbiegen und –brechen den mittlerweile in Auslieferungshaft sitzenden Mann nach Spanien schicken will.

50 Fighter gegen einen „Puschisten“?

Glaubt man diplomatischen Kreisen mit Kontakten zu höchsten NATO-Ebenen, so läuft hinter den Kulissen einmal mehr ein ziemlich schmutziger Deal. Denn dort wird bestätigt, was bereits seit Tagen durch spanische Gazetten geistert: Spaniens Oberzentralist soll seinen EU-Kollegen in Berlin und Paris den Kauf von 50 Eurofightern zugesichert haben für den Fall, dass er den Katalanen in die Finger bekommt. Offiziell bestätigt wird ein solcher Deal selbstverständlich nicht – aber das kennen wir bereits aus dem Waffen-Yücel-Deal mit den türkischen Angriffskriegern,  den es – wie der damalige Bundesaußenminister umgehend unterstrich, „in diesem Zusammenhang“ nicht gegeben habe.

Da sowohl Paris als auch Berlin ein solches Geschäft für ihre Airbus-Standorte überaus genehm wäre, stehen Puigdemonts Chancen schlecht. Eigentlich geht es jetzt nur noch darum, den Auslieferungsbeschluss auf Grundlage des spanischen Haftbefehls irgendwie mit deutschem Recht kompatibel zu machen. Denn Separatismus ist in Deutschland kein Straftatbestand.  Und die Nummer mit dem Hochverrat – nunja. Nicht bei einem gewählten Regionalpräsidenten, der die Mehrheit seines Parlaments hinter sich weiß. Wie wir aber spätestens seit der Beckedahl-Affäre des damaligen Bundesministers der Justiz und Nachfolger Sigmar Gabriels wissen, ist Recht in Deutschland ziemlich dehnbar geworden. Vielleicht lässt sich ja etwas aus der Veruntreuung konstruieren. Warten wir es ab – ein paar Tage zum Hinbiegen hat sich Schleswig-Holsteins Justiz noch erbeten.

Europas Stiere zerstören die EU

Übrigens – nur um das an dieser Stelle klarzustellen: Die Sympathie des Autors hält sich zu beiden Streithähnen in heftigen Grenzen. Beide sind wie zwei spanische Toros mit blutunterlaufenen Augen aufeinander zugerast und mit voller Kraft aneinander geknallt. Sonnt sich der eine heute in der weltweiten Beachtung, die ihm als Konditorensohn sein Davidskampf gegen den Goliath Rajoy eingebracht hat, so hat der andere aus der Missachtung seiner gefühlten Autorität nun einen persönlichen Rachefeldzug gemacht, den er allein schon für sich selbst um wirklich jeden Preis gewinnen muss. Puigdemont ist mittlerweile tatsächlich zu Rajoys persönlichem Dämon geworden.

Wirklich bedauerlich an all dem ist nur, dass die ursprüngliche Idee eines demokratischen Europas einmal mehr durch die Diktatur des Zentralismus zerstört wird. Diese Europäische Union, die eine Angelegenheit von internationaler Sprengkraft wie jenen Spanien-Katalonien-Konflikt zur „inneren Angelegenheit“ Spaniens erklärt und sich genüßlich zurücklehnt, gleichzeitig aber meint, sich hemmungslos in die tatsächlich inneren Angelegenheiten von Ländern wie Polen und Ungarn einmischen zu müssen, macht sich gerade einmal wieder selbst zum Affen. Diese EU braucht keine Feinde von außen. Sie vernichtet sich selbst von innen.

Schade – als ich in den Siebzigern und Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts ein überzeugter Verfechter der Idee eine geeinten Europas war, glaubte ich noch an eine gemeinsame Region von alte Gegensätze überwindender Einheit in Recht und Freiheit . Geworden ist daraus ein neue Uneinheit mit gebeugtem Recht und Unfreiheit.

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