Das Treffen des deutsch-französischen Ministerrates in dieser Woche sollte dazu dienen, Angela Merkel und Emmanuel Macron als die neuen Reformer in Europa zu präsentieren. Eine engere militärische Zusammenarbeit wurde vereinbart, gemeinsame Forschungsprojekte angestoßen und das Handlungsfeld für die Reformen der Währungsunion abgesteckt. Konkretes war bei Letzterem Mangelware.
Das Thema Euro ist für die Kanzlerin zu heikel, als dass es den Wahlkampf stören sollte. Im Hintergrund wird aber bereits seit Wochen verhandelt. Macron und Frankreich wollen seit Langem einen Euro-Finanzminister mit einem eigenen Haushalt etablieren, um durch öffentliche Investitionen die Angleichung der Volkswirtschaften in der Eurozone zu erreichen. Merkel und Wolfgang Schäuble wollen den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM zu einem Europäischen Währungsfonds weiterentwickeln, der im Notfall Kredite vergeben kann, aber ohne die Beteiligung des unliebsamen Internationalen Währungsfonds. Eine weitere Differenz beider ist die Vorgehensweise. Macron will dies alles durch Änderungen der Europäischen Verträge erreichen, die deutsche Seite ist hier skeptischer, ob dies gelingen kann und ob noch mehr Kompetenzen an die Kommission abgegeben werden sollten. Insbesondere Schäuble misstraut den Bürokraten in Brüssel und will daher lieber an der EU vorbei intergouvernementale Verträge der Euro-Staaten untereinander schließen. So funktioniert bereits der ESM, die Kommission und das EU-Parlament haben darauf keinen Einfluss.
Jetzt hat der Chef des Euro-Krisenfonds ESM, Klaus Regling, die Katze aus dem Sack gelassen. Er schlug vor, den ESM nicht nur bei Gefahren für den Euro als Ganzes einzusetzen, sondern auch bei „plötzlich schweren Krisen“ in einem Mitgliedsland. Der Fonds sollte dafür von derzeit 700 um weitere 100 bis 200 Milliarden Euro gefüllt werden. Anleihe nimmt Regling am „Rainy-Day-Fonds“ in den Vereinigten Staaten, der bei Naturkatastrophen in den einzelnen US-Bundesstaaten zum Einsatz kommt. Vergleiche hinken, auch dieser.
Doch was Macron will, ist nicht nur einen größeren Krisenfonds zu schaffen, sondern einen Finanzausgleich, vergleichbar dem Länderfinanzausgleich in Deutschland. Dieser wurde zwar hierzulande gerade beerdigt, aber dennoch dient er als Vorbild. Es soll ein Umverteilungsmechanismus geschaffen werden, bei dem die reicheren Länder den ärmeren Ländern regelmäßig helfen. Der deutsche Anteil an diesem Topf würde rund 30 Prozent betragen, also je nach Größe bis zu 60 Milliarden Euro. Zum Vergleich, das ist mehr als das Dreifache dessen, was der Bund derzeit für Bildung und Forschung ausgibt. Das ist für eine Kanzlerin vor einer wichtigen Wahl schwierig zu erklären.
Beide Pläne sind daher sehr gefährlich für den Steuerzahler hierzulande. Der Einstieg in einen Länderfinanzausgleich wäre ein Fass ohne Boden, der unendliche Summen verschlingen würde, ohne dass die Ursachen der Wirtschaftsschwäche in Südeuropa wirklich angegangen würden. Im Gegenteil würden der Reformdruck genommen und private durch öffentliche Investitionen ersetzt. Aber auch ein Europäischer Währungsfonds, der den IWF rausschmeißt, würde das Kungeln innerhalb der Eurogruppe nur noch erhöhen. Mehr Prinzipientreue ist dadurch nicht zu erwarten. Deutschland gewinnt nichts, wenn es die falschen Rezepte zur Krisenbewältigung von Frankreich übernimmt, nur weil man Präsident Macron stützen will. Und Frankreich gewinnt nichts, wenn es Deutschland durch einen Länderfinanzausgleich schwächt, nur weil man nicht bereit ist, die Hausaufgaben im eigenen Land zu machen. Und Angela Merkel gewinnt nichts, wenn sie die Wähler über ihre eigentliche Absicht hinter die Fichte führt.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung.