Vielfach wird in der Europäischen Union darüber geklagt, dass die gemeinsame Währung, der Euro, nicht zur Konvergenz der Wirtschaften im Währungsgebiet geführt hat, wie das viele seiner Väter damals angenommen hatten. Das stimmt. Die Target II-Salden der Euro-Staaten zeigen es. Sie sind das in Zahlen gefasste Auseinanderfallen der Eurozone. Allein die Deutsche Bundesbank hatte im Juni Target-Forderungen von 860 Mrd. Euro gegenüber anderen Notenbanken in der Eurozone. Die italienische Notenbank dagegen hatte zur gleichen Zeit Verbindlichkeiten von 413 Mrd. Euro. Man muss keine prophetischen Gaben haben, um festzustellen, dass die Zukunft des Euro an der weiteren Entwicklung Italiens festgemacht werden kann.
Die Frage ist: Wie kommt ein Land aus dieser negativen Entwicklung heraus? Sicherlich nicht, indem Macron den Arbeitsmarkt weiter zuschnürt und die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Industrie weiter einschränkt. Die Zahlen in Frankreich sprechen auch hier für großen Handlungsbedarf. Noch immer liegt die französische Industrieproduktion 12 Prozent unter dem Hoch von 2008, das Baugewerbe liegt sogar um 21,8 Prozent darunter. Und auch im Juni schrumpfte die Industrieproduktion zum Vormonat um 1,1 Prozent. In dieser Situation hat Macron seine angekündigte Steuerreform erstmal verschoben und erhöht stattdessen die Steuern. Auch ein Signal.
Die Einführung von Zeitarbeit, die stärkere Begrenzung des Arbeitslosengeldes und die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe waren die entscheidenden Momente für jene Trendwende. Viele Maßnahmen von damals hat die große Koalition inzwischen wieder zurückgenommen oder erneut reguliert. Dennoch wirken die Reformen bis heute und sind der eigentliche Grund für das „Beschäftigungswunder“ in Deutschland. Die jetzige Regierung ruht sich auf dieser Entwicklung aus. Die Reformmüdigkeit liegt wie Mehltau über dem Land.
Kein Wunder, dass sich Emmanuel Macron und Angela Merkel so gut verstehen. Sie ticken gleich. Beide scheuen Schrödersche Reformen und sind verliebt in die Allmacht des Staates – Macron will sogar eine europäische Arbeitslosenversicherung schaffen. Da trifft es sich gut, wenn die Bundesagentur für Arbeit über 10 Milliarden Euro Rücklagen der Beitragszahler gebunkert hat, die man dann für französische, italienische oder griechische Arbeitsbeschaffungsprogramme nutzen kann. Nein, so wird das nichts. Wer Wachstum und Arbeit in Europa schaffen will, muss die Arbeitsmärkte liberalisieren und flexibler machen. Er muss die Entsenderichtlinie entbürokratisieren und vereinfachen. Nicht weniger Personenfreizügigkeit in Europa schafft Wohlstand für alle, sondern mehr davon. Dafür muss sich eine neue Regierung in Europa einsetzen. Ansonsten kämpfen wir bald nicht nur außerhalb Europas gegen Protektionismus, sondern verstärkt auch innerhalb des gemeinsamen Marktes, mit fatalen Folgen für uns alle.