Die Trump-Administration wirft Deutschland vor, den schwachen Euro für seine Exportindustrie auszunutzen. Diese Unterstellung, die Trumps Handelsstratege Peter Navarro formulierte, hat einen wahren Kern. Auch wenn die Kanzlerin schnell darauf hinweist, dass die EZB unabhängig sei und die Bundesregierung auf deren Politik keinen Einfluss nehme. Fakt ist: die Kanzlerin und ihr Finanzminister schauen mit wohlmeinender Miene zu. Mario Draghi, der EZB-Chef, macht für die deutsche Regierung die Drecksarbeit. Das macht er sehr gern, kommt ihm doch seit der Eurokrise und seiner Inthronisation im November 2011 eine mächtige Schlüsselrolle in Europa zu. Bis Ende 2017 wird die EZB Schulden von Staaten, Banken und Unternehmen in der Größenordnung von über 2,2 Billionen Euro aufgekauft haben.
Schon heute ist der Markt für Unternehmensanleihen und Pfandbriefen faktisch leergekauft. Bald muss sich die EZB etwas Neues einfallen lassen und die Qualität der aufgekauften Papiere immer weiter senken. Geht es so weiter, kauft sie vielleicht auch bald alte Fahrräder und gibt dafür neues Zentralbankgeld heraus. Wer weiß? Es ist eine Irrsinnsstrategie, die in dieser Form kein historisches Vorbild kennt.
Exportsubvention der Notenbank
Doch Mario Draghi bezweckt damit zweierlei. Zum einen will er die Finanzierungsfähigkeit der Eurostaaten erhalten, indem er den Zins am langen Ende drückt. Dies hat ein paar Jahre funktioniert. Inzwischen laufen jedoch die Renditen der Staatsanleihen in der Eurozone wieder verschärft auseinander. Der andere Zweck besteht darin, den Euro im Außenwert zu schwächen, um die Exportindustrie zu fördern. Es ist eine Art Exportsubvention der Notenbank, um die heimische Wirtschaft in Schwung zu bringen. Ist der Euro gegenüber dem Dollar im Außenwert niedrig, sind die Produkte dort preiswerter. Der Preis ist bekanntlich nicht alles. Die Qualität muss auch stimmen. Dies scheint wohl für die deutsche Exportindustrie zu gelten. Der historisch hohe Überschuss Deutschlands in der Leistungsbilanz von 300 Milliarden Euro im vergangenen Jahr drückt unter anderem diese Entwicklung aus.
Innerhalb des Euroraums wird zwar in allen Ländern mit der gleichen Währung bezahlt. Wieviel davon im jeweiligen Land für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr in der Eurozone zur Verfügung gestellt wird, hängt aber auch von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Wenn die Forderungen der Bundesbank im Target-System sich inzwischen auf 754 Milliarden Euro belaufen und die Verbindlichkeiten der italienischen Notenbank 356 Milliarden Euro betragen, dann bedeutet dies nichts anderes als, dass Italien anschreiben darf, um Waren und Dienstleistungen, unter anderem aus Deutschland, bezahlen zu können. Doch anders als im Krämerladen gibt es im Target-System kein Ende, sondern der Zettel wird immer länger. Wenn man so will, ist dies letztlich auch eine Subvention des Euro-Systems für die deutsche Exportindustrie. Deutsche Unternehmen können nur so lange nach Italien, Spanien, Griechenland oder Portugal exportieren, so lange das Anschreiben auf den unendlichen Zettel der EZB möglich ist.
Stellen Sie sich das so vor: Mario Draghi sitzt in einem Ruderboot. Und auch Janet Yellen, die Präsidentin der amerikanischen Notenbank FED, sitzt in einem. Ebenso wie der Präsident der japanischen Notenbank und der chinesischen Notenbank. Doch sie sitzen nicht gemeinsam in einem Boot, sondern jeder hat ein eigenes. Sie rudern in der Geldpolitik um die Wette. Einige sind früher gestartet, haben die Zinsen zuerst gesenkt und die Schulden zuerst aufgekauft, um sich dadurch einen Vorsprung zu erpaddeln. Sie können jetzt eine kleine Pause einlegen. Andere werfen sich Anabolika in den Rachen und rudern plötzlich doppelt so schnell, um die anderen einzuholen. Es ist ein hartes Rennen, um einen Vorteil zu erzielen. Beide, die Frühstarter und die Drogenabhängigen spielen unfair. Sie manipulieren und täuschen.
Trumps Kritik ist berechtigt. Auch die Kritik Italiens an Deutschland hat einen wahren Kern. Doch die Finger, die auf Deutschland zeigen, richten sich gleichzeitig auch auf die USA und innerhalb des Euroraums auf Italien. Die Entwicklung ist eine Folge konstruktivistischer Geldpolitik. Sie folgt keinen allgemeinen Regeln, sie ist nicht regelgebunden, sondern zerstörerisch. Sie setzt Wissen über die künftige Höhe des Zinses und die wirtschaftliche Entwicklung voraus, die kein US-Präsident, keine Bundeskanzlerin und kein Notenbanker auf dieser Welt jemals haben kann. Mehr Bescheidenheit und Demut vor der Zukunft wäre daher der erste Schritt zur Besserung.