Wer vor 10 Jahren über Geldwettbewerb und die Privatisierung des Geldes diskutierte, war meist nicht im ökonomischen Mainstream unterwegs. Die, die das dennoch gemacht haben, bezogen sich aber immerhin auf die Idee eines Nobelpreisträgers. Es war eine kleine Gruppe. Selbst Freunden von Friedrich August von Hayek galt seine Idee der „Entnationalisierung des Geldes“ aus dem Jahr 1976 nicht als sein bestes Werk. Sie sprachen lieber über den „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“ oder das „Wieselwort soziale Gerechtigkeit“. Doch wer es liest, merkt schnell, dass Hayek hier etwas Großes gelungen ist. Das Buch war zwar geprägt vom Ende des letzten Gold-Ankers, durch die Aufkündigung der Goldeinlösepflicht der amerikanischen Notenbank Fed für Dollarreserven anderer Notenbanken 1971, und durch die anschließende Inflationsperiode in den späteren 1970er Jahren. Doch Hayeks Verdienst ist vor allem, dass er nicht nur den Wettbewerbsgedanken auf das Geld übertragen hat, sondern auch für dessen Privatisierung eingetreten ist.
Viele Jahrzehnte später gewinnen diese Gedanken an Zustimmung. Als Hayek sein Buch schrieb, war die Entwicklung des Internets noch nicht absehbar. Und als das Internet seinen Siegeszug startete, war die Blockchain-Technologie noch nicht absehbar. Und als die Blockchain-Technologie erstmalig mit Bitcoin eine brauchbare Anwendung fand, war auch noch nicht absehbar, dass 10 Jahre später Facebook auf die Idee kommen würde, mit „Libra“ eine eigene Kryptowährung aufzusetzen. Inzwischen ist die Nervosität sehr groß. Bundesbank-Vorstand Jürgen Wuermeling ist da nur eines von vielen Beispielen: „Ich hielte es für bedenklich, wenn Nationalstaaten auf diese Weise abhängig würden von einem einzigen Konzern.“
Hier wird viel Panik verbreitet. Denn der Wettbewerb des Geldes wird nicht dazu führen, dass Facebook mit „Libra“ ein Monopol erreichen wird. Es wird vielleicht den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr preiswerter und schneller machen. Es wird vielleicht auch den Zahlungsverkehr in den Regionen der Welt erleichtern, wo Menschen der Zugang zu Bankdienstleistungen und Bankkonten verwehrt ist. Hier wird „Libra“ ein Player sein. Doch wahrscheinlich nicht der einzige. Den „Libra“ ist mehr staatliches Zahlungsmittel, als man auf den ersten Blick denkt. Nicht nur, weil es an einen Korb staatlicher Währungen gekoppelt ist, sondern auch weil es ausschließlich auf Vertrauen setzt. Die Menge von „Libra“ ist nicht begrenzt, sie kann im Gegensatz zum Bitcoin beliebig ausgeweitet werden. Die Deckung von „Libra“ ist lediglich ein Versprechen der „Libra Association“, hinter der einige internationale Unternehmen stehen. Staatliche Währungen waren historisch auch einmal voll gedeckt mit Gold oder Silber. Historisch wurde der Metallgehalt erst bei den Münzen und später auch bei der Reservehaltung immer weiter reduziert. Aus einem ursprünglichen Vollgeld wurde sukzessive ein Teilreservedeckungssystem, das nur noch auf Vertrauen beruht. Wer garantiert, dass sich dies bei „Libra“ nicht auch so entwickelt?
Doch der entscheidende Unterschied von „Libra“ zu Dollar oder Euro ist ein ganz anderer. „Libra“ ist nicht gesetzliches Zahlungsmittel. Es muss sich am Markt bewähren. Nur wenn es den Kunden einen Nutzen stiftet, werden sie „Libra“ verwenden. Daher muss „Libra“ Vertrauen schaffen. Gelingt dies nicht, werden die Nutzer Alternativen suchen. Dies ist gut und richtig so. Denn niemand will schlechtes Geld halten. Heute sind wir teilweise gezwungen, schlechtes Geld zu halten. Das „gesetzliche Zahlungsmittel“ zwingt uns dazu. Zwar können privatrechtliche Verträge auch in anderen Währungen als Euro abgeschlossen werden, dennoch ist der Staat Herr des Großteils des Zahlungsverkehrs und daher Monopolist. Würde er das gesetzliche Zahlungsmittel aufgeben und einen Währungswettbewerb zulassen, dann würde sich gutes Geld durchsetzen. Es würde ein Selektionsprozess stattfinden, wie Hayek es formuliert hat, in dem sich jene Währungen durchsetzen, die die Nutzer unter den von den verschiedenen Instituten ausgegebenen als die beste ansähen. Es würde rasch jenes Geld, das sich als ungeeignet oder wertlos herausstellt, verdrängen. Das gute Geld verdrängt das schlechte Geld. Die Überwindung der Überschuldungskrise von Staaten und Banken könnte so über einen evolutorischen Prozess stattfinden. Schon alleine das wäre einen Versuch wert. Denn wer das private Geld nicht nutzen will, soll es nicht tun müssen. Aber wer darin ein besseres Geld sieht, soll es dürfen. Heute ist es umgekehrt. Wer in den staatlichen Währungen das schlechtere Geld sieht, ist darin dennoch gefangen und kann nur sehr schwer ausweichen. „Libra“ ist ein wichtiger Schritt zu mehr Freiheit. Doch diese Freiheit erfordert Selbstverantwortung der Bürger von staatlichem Paternalismus. Und das erfordert Mut.