Das ist eine wunderbare Idee, die Boris Johnson jetzt in einem Beitrag in der Times präsentiert hat. Er bietet den Bürgern Hongkongs die Einwanderung und erleichterte Einbürgerung in Großbritannien an. Der britische Premierminister begründet diesen Schritt mit dem Verstoß Chinas gegen das Prinzip „Ein Land zwei Systeme“, das der frühere Staatspräsident Deng Xiaoping geprägt hat. Es war das Versprechen Chinas an die Hongkong-Chinesen, als sie 1997 den Anschluss von Großbritannien an China vollziehen mussten, dass sie ihre autonomen Freiheiten gegenüber dem kommunistischen China behalten dürfen. Als Hongkong damals nach 156 Jahren seinen Status als britische Kronkolonie verlor und der Volksrepublik China eingegliedert wurde, hatten Großbritannien und China vereinbart, den Sonderstatus Hongkongs für mindestens 50 Jahre aufrecht zu erhalten.
Dies alles wird auch im Nachbarland Taiwan mit großer Aufmerksamkeit beobachtet. Denn auch hier spricht China von „einem Land und zwei Systemen“ und begründet damit die internationale Vertretung Taiwans durch Festlandchina selbst. Eine Konsequenz dieses Anspruchs ist freilich das Verdrängen Taiwans aus sämtlichen Organisationen der internationalen Kooperation wie UN und WHO. Sollte Hongkong seinen Sonderstatus verlieren, steht auch der Annexion Taiwans immer weniger im Wege.
Angesichts dieser bedrohlichen Lage ist der Vorstoß von Boris Johnson folgerichtig und mutig. Die besondere Rolle Großbritanniens in der Beziehung zu Hongkong drückt sich schon darin aus, dass von den 7,5 Millionen Hongkong-Chinesen fast 3 Millionen noch unter den Status von Bürgern eines britischen Überseegebietes fallen und daher visafrei in Großbritannien einreisen können. In Anknüpfung daran schlägt Johnson jetzt vor, den Einreisenden aus britischen Überseegebieten eine zwölfmonatige Arbeitsgenehmigung zu erteilen, die danach verlängert werden und anschließend den Weg zur Einbürgerung eröffnen kann.
Der Schritt Johnsons ist ein Paradigmenwechsel in der Auseinandersetzung mit China. Über viele Jahre haben die westlichen Demokratien, von den USA einmal abgesehen, bei den tapferen Protesten in Hongkong weggeschaut – Deutschland vorneweg. Das immer schärfere Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong sollte den Westen motivieren, die eigene Zurückhaltung zu überdenken. Nicht nur Großbritannien ist hier am Zug, sondern auch die EU und Deutschland. Es wäre doch ein kluger Schritt, bei den stockenden Verhandlungen über das künftige Abkommen zwischen der EU und Großbritannien einen eigenen Status für die Bewohner Hongkongs zu vereinbaren und diesen den visafreien Zugang zum Schengen-Raum und dessen Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Man kann die blumige Präambel des Lissabon-Vertrages dann mal wieder mit Leben füllen, die sich beruft auf das „kulturelle, religiöse und humanistische Erbe Europas, aus dem sich die unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als universelle Werte entwickelt haben.“ Momentan tun das nämlich am ehesten die zuletzt vielgeschmähten Briten.