Wolfgang Schäuble kommt die Nominierung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD sehr recht. Es gibt ihm die Chance, die SPD in der Eurofrage in den kommenden Wochen an die Wand zu spielen. Das ist zumindest in dieser Frage einfacher, als wenn Sigmar Gabriel Kandidat der SPD geworden wäre. Dieser sitzt mit Schäuble am Kabinettstisch, Schulz dagegen nicht. Er ist Sinnbild des EU-Zentralismus und war der Repräsentant der Ja-Sager im EU-Parlament.
Der Taktiker Schäuble hat spätestens seit dem zweiten Griechenlandpaket 2010 nicht mehr geglaubt, dass Griechenland Willens und in der Lage ist, sich innerhalb des Euroraums von seinen Schulden nennenswert zu befreien und auf einen wirtschaftlich soliden Pfad zu kommen. Er hat dennoch alle Programme für Griechenland mitverhandelt und unterschrieben. Er ist also eindeutig mitschuldig an der verzwickten Situation des Euros, weil er sie lange hat schleifen lassen. Er wollte die Probleme innerhalb seiner Amtszeit als Finanzminister aussitzen. Seine historische Rolle als Finanzminister, der Überschüsse im Bundeshaushalt erzielt und die relative Verschuldung Deutschlands zurückführt, wollte er sich nicht durch die unbelehrbaren Sozialisten in der griechischen Regierung kaputt machen lassen.
Der dauerhafte Schuldenschirm ESM sieht jedoch eine zwingende Beteiligung des IWF nicht mehr vor. Dieser wird in den Statuten lediglich eingeladen, sich zu beteiligen. Nur die deutsche Zustimmung 2015 zum dritten Griechenlandpaket über 86 Milliarden Euro macht die Beteiligung des IWF zur Bedingung. Diese Bedingung ist jedoch „nur“ eine Aufforderung des Bundestages an die eigene Regierung – nicht mehr und nicht weniger. Schäuble versprach damals vor dem Parlament, sich dafür einzusetzen, wohlwissend, dass die Realisierung nicht sehr wahrscheinlich ist.
Die Euro-Zone ist auf sich alleine gestellt. Die aggressiven Äußerungen aus der Trump-Administration zur EU und zum Euro lassen erkennen, dass Trump lieber die Finger in die Wunde des Euros legt, anstatt zu helfen. Er setzt wirtschaftspolitisch auf eine Schwächung der EU und des Euro, weil er sich dadurch Vorteile für sein Land erhofft. Doch die Schwächung des einen bedeutet nicht automatisch die Stärkung des anderen. Letztlich sitzen Amerika und Europa wirtschaftspolitisch in einem Boot. In Griechenland tut sich nach wie vor nichts. Während der Primärüberschuss im Haushalt schon als Trendwende verkauft wird, schrumpft selbst die Tourismusindustrie Griechenlands, obwohl eigentlich alle, wirklich alle Rahmenbedingungen für Hellas sprechen. Die unsichere Lage in der Türkei und in Nordafrika sind eigentlich ideale Voraussetzungen für den Sommerurlaub in Griechenland, und dennoch gingen die Einnahmen 2016 im Tourismus um rund sieben Prozent zum Vorjahr zurück. Ende des dritten Quartals 2016 lag die Staatsverschuldung bei 311 Mrd. Euro oder bei 177 Prozent zur Wirtschaftsleistung, trotz mehrfachem Schuldenerlass.
Der Maastrichter Vertrag, der in dieser Woche dieses Jubiläum feiert, legte die Grundlage für die Konvergenzkriterien der öffentlichen Verschuldung der Mitgliedsstaaten. Er war ein Produkt staatlicher Ingenieurskunst. Beamte haben sich am Schreibtisch überlegt, wie die ideale EU auszusehen hat. Doch Papier ist gerade in der EU geduldig. Die Verschuldungskriterien von 60 Prozent für die Staatsverschuldung und von drei Prozent für das maximale Haushaltsdefizit waren schon das in Papier geschriebene Misstrauen in die Solidität der Mitgliedsstaaten. Es war sehr berechtigt, weil es anschließend nie funktioniert hat. Doch eigentlich braucht es diese Verschuldungskriterien nicht. Soll doch jede Regierung, jedes Parlament so viel Schulden machen können, wie sie und ihre Wähler es für richtig halten. Es braucht eigentlich nur eine Regel, auf die sich alle verständigen und die hart und entschlossen durchgesetzt werden muss: Jeder haftet für seine Schulden selbst. Daran, und nur daran macht sich die Zukunft des Euros fest.