Alles hängt mit allem zusammen. Wenn die Präsidentin der amerikanischen Notenbank Fed, Janet Yellen, in der nächsten Woche die Leitzinsen wie erwartet erneut leicht erhöht, dann hat das in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern tiefgreifende Folgen. Die dortigen Regierungen und Unternehmen sind überwiegend in Dollar verschuldet. Erhöht die US-Notenbank den Leitzins und steigen die Zinsen in Amerika anschließend auf breiter Front, dann werden Anlagen in den USA relativ zu Anlagen in anderen Ländern attraktiver. Die Folge: Anlagekapital fließt verstärkt in die USA. Der Wert der US-Währung steigt im Verhältnis zu anderen Staaten, die diesen Schritt nicht mitgehen. Wer Schulden in Dollar hat, muss daher als Regierung oder Unternehmen erheblich mehr zurückzahlen. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer schaffen das meist nicht, da sie in der Zwischenzeit ihre Ausgaben massiv ausgeweitet haben und diese nicht rechtzeitig reduzieren können oder wollen.
Auch der Euro hat gegenüber dem Dollar in den vergangenen drei Jahren fast 24 Prozent seines Wertes verloren. Seitens der Europäischen Zentralbank ist das gewollt, glaubt man doch, dass eine billige Währung die Exporte ankurbelt und so die Konjunkturschwäche in Südeuropa beseitigen hilft. Doch dauerhafter Wohlstand kann nicht mit einer immer billigeren Währung erkauft werden. Hierfür gibt es viele historische Beispiele. Man muss dafür nicht erst nach Simbabwe schauen.
Der Blick sollte hier – aus aktuellem Anlass – eher auf die Entwicklung der Türkei gelenkt werden. Die Neue Türkische Lira hat in der gleichen Zeit rund 70 Prozent des Wertes eingebüßt – und allein in den vergangenen zwölf Monaten rund 30 Prozent. Der Grund dafür: Die Türkei steht aktuell wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand.
Der langanhaltende Aufstieg des Landes scheint zu Ende zu gehen. Dabei war die Türkei lange eine Erfolgsgeschichte. In den vergangenen 30 Jahren hat die Industrieproduktion sich verdreifacht. Selbst die Weltfinanzkrise 2007/2008 hat die Türkei gut überstanden. Zum Tief 2009 legte die Industrieproduktion um fast 50 Prozent zu. Das ist sehr bemerkenswert und zeigt, wieso die Politik Recep Tayyip Erdogans so lange von der großen Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wurde.
Doch inzwischen steigt die Staatsverschuldung massiv an und die Auslandsverschuldung ist im Wesentlichen im Dollarraum angesiedelt. 2016 hat die Notenbank massiv Staatsanleihen gekauft und so die eigene Verschuldung durch die Notenpresse finanziert. Gleichzeitig wurden exportorientierte Unternehmen mit geldpolitischen Maßnahmen subventioniert, um das Handelsbilanzdefizit zu reduzieren. Denn die Währungsreserven der Türkei sinken massiv, gleichzeitig steigen die Verbraucherpreise stark an. Investoren verlassen das Land und auch die wichtige Tourismusindustrie bricht massiv ein. Hinzu kommt, dass viele kluge Köpfe das Land verlassen, was zu einem Verlust von Wissen führt.
Das ist wohl der Grund, wieso Präsident Erdogan immer autoritärer im In- und Ausland auftritt. Wirtschaftliche Probleme werden oftmals politisch dadurch kaschiert, dass Regierungen ablenken, neue Feindbilder schaffen und die Notenbanken zur Staatsfinanzierung missbrauchen. So macht es jetzt auch Erdogan. Der kommende Zinsschritt in den USA wird die Probleme der Türkei daher weiter massiv verschärfen.
Auf den Druck und die Provokationen Erdogans sollte die deutsche Regierung mit Klarheit antworten. Angela Merkels Flüchtlingsdeal mit Erdogan hat diese Klarheit nicht geschaffen, sondern die Bundesregierung erpressbar gemacht. Um so mehr Klarheit müsste eine Kanzlerin jetzt an den Tag legen, wenn eine ausländische Regierung ihre Probleme durch provokative Wahlkampfauftritte in Deutschland lösen will. Eine ausländische Regierung kann sich nicht auf das Minderheitenrecht der Meinungsfreiheit berufen, um innenpolitische Fragen in einem anderen Land zu thematisieren. Diese Klarheit muss die Bundesregierung nun schaffen.
PS: Es wäre am Besten, wenn sich Kanzlerin Merkel daher aus aktuellem Anlass solidarisch mit der niederländischen Regierung zeigen würde und die übrigen EU-Staaten gleich mit.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung.