Die Kommunen sind der Hort der Freiheit. Zumindest waren Sie es einmal. Im Mittelalter machte „Stadtluft“ frei. Menschen wurden in der Stadt zu freien Bürgern, die nicht mehr Untertanen ihrer Landesherren waren. Die Hanse war Ausdruck der wirtschaftlichen Stärke vieler Städte im Norden Europas. Rund 200 Städte gehörten zeitweise dem Bund an. Die Wirtschaftsbeziehungen im Nord- und Ostseeraum waren eng und intensiv. Noch heute sind die prunkvollen Rathäuser in Hamburg, Lübeck und Bremen stolze Zeugnisse dieser Epoche. Es waren aber nicht nur die großen Städte, die von den Freiheitsrechten profitierten. Auch kleinere wie Lemgo in Ostwestfalen-Lippe, Medebach im Sauerland oder Stendal in der Altmark gehörten dazu.
Die Autonomie von damals ist längst passé. Heute hängen die Kommunen am Tropf der Länder, und immer mehr mischt sich der Bund in die kommunale Selbstverwaltung ein. Als weitere Ebene kommt inzwischen sogar die europäische hinzu. Der Bau von Straßen, die Renovierung von historischen Gebäuden und die Finanzierung von Beschäftigungsprojekten vor Ort werdem von der EU vielfach mitfinanziert. Das ist keine gute Entwicklung. Denn sie nimmt den Städten und Gemeinden die Luft zum Atmen. Heute steuern die Länder über den „Goldenen Zügel“ die Investitionsentscheidungen der Kommunen. Keine kommunale Straße, kein öffentliches Gebäude und kein Schwimmbad werden mehr ohne Zuschüsse des Landes gebaut. Minister und Staatssekretäre gefallen sich bei der Übergabe von Förderbescheiden, doch niemand fragt jemals nach der Wirtschaftlichkeit dieses Förderkonzeptes.
Was müsste man stattdessen tun? Eigentlich sollte man sich mehr an der Freiheitstradition der freien Städte des Mittelalters orientieren. Sie waren selbstständig. Die Stadt Herford in Ostwestfalen beispielsweise umfasste im Mittelalter die reichs- und papstuntermittelbare Fürstabtei, die unter dem Schutz der Bürgerschaft Herfords stand. Herford war damit lediglich dem König und dem Papst zu gehorsam verpflichtet und regelte sonst seine Geschicke selbst.
Mehr Autonomie der Städte und Gemeinden tut not. Das setzt voraus, dass diese mehr selbst entscheiden können und müssen. Nicht nur auf der Ausgaben-, sondern im Wesentlichen auch auf der Einnahmeseite. Heute können die Kommunen außer über die Höhe der Gewerbe- und der Grundsteuer faktisch ihre Einnahmen nicht beeinflussen. Die Höhe der Gewerbesteuer wird sogar in vielen Ländern über Malusregelungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs gesteuert. Und selbst eine kluge Standortpolitik, um Industrieunternehmen vor Ort anzusiedeln, ist ohne eine Landesentwicklungs- und Regionalplanung des Landes nicht möglich. Viele gute Argumente werden hierfür vorgebracht. Die Zersiedelung der Landschaft, die Finanzierung der Infrastruktur, ökologische Aspekte und vieles mehr. Doch wer kann diese Aspekte besser beurteilen als die Bürger und ihre Vertretung vor Ort? Politisch motivierte Bürokratien im fernen München oder in Düsseldorf sicherlich nicht. Deshalb sollten wir mehr kommunale Autonomie und Selbstständigkeit fördern. Der Wahlspruch der Bürger der freien Reichsstadt Herford könnte als Motto dienen: „O meine lieben Bürger seid einig, denn der Bürger Einigkeit ist der Städte beste Festigkeit.“