Tichys Einblick
Indexierung wirklich notwendig?

Das Kindergeld als negative Einkommensteuer

Die Einsparungen, die sich durch ein indexiertes Kindergeld ergäben, sind Peanuts im Vergleich zu den Chancen, die eine Migrationspolitik bieten würde, die Arbeitgebern und Ausbildern bei ihrer händeringenden Suche nach Arbeitnehmern, Verlässlichkeit und Flexibilität ermöglicht.

Eigentlich ist man sich von Regierung bis Opposition einig: Das Kindergeld für Ausländer, deren Kinder im Heimatland leben, muss nach den dortigen Lebenshaltungskosten indexiert werden, also möglichst reduziert werden. Denn es sei doch ungerecht, dass das Kindergeld in gleicher Höhe auch im Ausland ausgezahlt würde, obwohl dort die Lebenshaltungskosten erheblich niedriger seien. Das ist zwar in Stralsund im Vergleich zu München auch so, aber die Forderung ist populär, insbesondere wenn mögliche Betrugsfälle in Südosteuropa öffentlich werden. Letztere müssen natürlich geahndet und verfolgt werden, dennoch sollte man das Kindergeld nicht gleich mit dem Bade ausschütten. Denn die Zahlen sind sehr überschaubar. Im Juni dieses Jahres wurde für 15,29 Millionen Kinder Kindergeld ausgezahlt. Davon beziehen Eltern von 268.336 Kindern, die im europäischen Ausland leben, Kindergeld, also 1,8 Prozent.

Erwerbstätige im Inland, egal ob Ausländer oder Inländer, sind in der Regel unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie in Deutschland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben und hier arbeiten. Übersteigt die Steuerersparnis aus dem Kinderfreibetrag das Kindergeld, wird dieses vom Finanzamt verrechnet. Ist der Steuervorteil geringer als das Kindergeld, dann kommt das Kindergeld voll zum Tragen. Das Kindergeld ist in seiner Wirkung also eigentlich eine negative Einkommensteuer. Es kann auch nicht beliebig eingeschränkt werden. Denn das Bundesverfassungsgericht hat lediglich den Teil des Kindergeldes als disponibel dargestellt, der das steuerliche Existenzminimum übersteigt. Alles andere ist verfassungsrechtlich geschützt.

Indexiert man das Kindergeld für Ausländer, deren Kinder im Ausland leben, an den dortigen Lebenshaltungskosten, dann diskriminiert man nicht nur diese steuerlich, sondern verkompliziert das Steuerrecht erheblich und kommt zusätzlich noch mit den Vorgaben des Verfassungsgerichts in Konflikt.

Diese negative Einkommensteuer ist auch nicht bedingungslos, sondern setzt an der Erwerbstätigkeit an. Diejenigen, die Sozialleistungen beziehen, müssen sich das Kindergeld anrechnen lassen. Allein in 2017 waren dies 4,9 Milliarden Euro.

Der ehemalige britische Premier David Cameron hatte vor der Brexit-Entscheidung auf europäischer Ebene durchgesetzt, dass Sozialleistungen für EU-Ausländer eingeschränkt werden können. Das war sicherlich seine größte Leistung. Er wollte dies zwar erstmal nur den Briten bei einem Verbleib in der EU anbieten. Die übrigen EU-Staaten haben dann aber nach einem ersten Grummeln diese Regelung auch für sich angewandt. Personen, die kein materielles Aufenthaltsrecht nach dem europäischen Freizügigkeitsgesetz besitzen, haben auch in Deutschland keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Das Gesetz sieht vor, dass Ausländer erst nach fünf Jahren einen Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitssuchende oder auf Sozialhilfe haben.

Unabhängig von der ungelösten Migrations- und Flüchtlingsfrage sind innerhalb der Europäischen Union damit die Anreize gemildert worden, die Sozialsysteme des anderen Landes durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa zu schröpfen. Wer die Hand an das Kindergeld legt, sollte das wissen. Statt derlei Schattengefechte auszukämpfen, sollten sich die Verantwortlichen besser darum bemühen, ein nachhaltiges und kluges Einwanderungsgesetz zu erarbeiten. Die Einsparungen, die sich durch ein indexiertes Kindergeld ergäben, sind Peanuts im Vergleich zu den Chancen, die eine Migrationspolitik bieten würde, die Arbeitgebern und Ausbildern bei ihrer händeringenden Suche nach Arbeitnehmern, Verlässlichkeit und Flexibilität ermöglicht.

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