Zwar bekennt sich der amtierende Bundesfinanzminister immer noch zur „schwarzen Null“, einem Bundeshaushalt ohne neue Kredite. Doch der innerparteilich abgestrafte Olaf Scholz, der nicht SPD-Vorsitzender werden darf, auch wenn er im monatelangen innerparteilichen Wahlkampf allerlei Versuche machte, sich die Parteibasis mit linker Umverteilungsrhetorik gewogen zu machen, dürfte dieses Amt nicht mehr allzu lang innehaben. Dafür werden der neue Vorsitzende NoWaBo und vor allem Kevin Kühnert, einer seiner designierten Stellvertreter, mit ihrer politischen Agenda sorgen.
Die Positionen des Juso-Vorsitzenden Kühnert sind der breiteren Öffentlichkeit in den vergangenen zwei Jahren schon bekannt geworden: Verstaatlichung von Wohneigentum, das er in TV-Talks schon mal bei mehr als 20 Wohneinheiten als „obszön“ diskreditierte. Automobilunternehmen in Staatshand, was nicht nur die Betriebsräte in den deutschen Auto-Konzernen zur Weißglut trieb. Höhere Steuern auf Vermögen und Erbschaften, exorbitante staatliche Investitionsprogramme, selbstverständlich mit Krediten finanziert. Als Dreingabe für alle: mehr Sozialstaat!
Bisher hält die argumentative Phalanx auf Unionsseite. „Die schwarze Null“ sei Kernbestandteil der Unions-Programmatik und nicht verhandelbar, heißt es bei Bundes- wie Landespolitikern. Man stehe auch zur grundgesetzlichen Schuldenbremse, die durchaus flexibel genug sei, um auch in Krisenzeiten handlungsfähig zu bleiben. Doch wie viel wert sind diese finanzpolitischen Soliditätsschwüre, wenn die Union Neuwahlen bei einem Austritt der SPD aus der Bundesregierung fast genauso fürchtet wie das Experiment einer CDU-geführten Minderheitsregierung? Schließlich hat die siechende SPD der Union schon viele Zugeständnisse abgetrotzt, da gelten Haltelinien im Bedarfsfall schnell als obsolet.
Der SPD-Parteitag an diesem Nikolaus-Wochenende wird zwar aller Wahrscheinlichkeit nach mit keinem formellen Ausstiegsbeschluss aus der Koalition enden. Aber er wird einmal mehr – personell und programmatisch – eine Sozialdemokratie belegen, die stramm Kurs auf sozialistische Traditionspositionen nimmt. Für die Handlungsfähigkeit dieser Bundesregierung und die Satisfaktionsfähigkeit Deutschlands auf internationaler Ebene verheißt dies nichts Gutes. Für die Reputation der Politik beim Volk erst recht nicht!
Wie legt man der Ausgabenfreude von Politikern Zügel an?
Diese Frage stellen sich Generationen von Ökonomen und Finanzpolitikern. „Eher legt sich ein Hund einen Wurstvorrat an als eine demokratische Regierung eine Budgetreserve“, kalauerte einst der Nationalökonom Joseph Alois Schumpeter. In der Tat: Allein in den acht Jahren meiner eigenen Abgeordnetentätigkeit (1994 – 2002) musste ich als Haushaltssprecher Im Bundestag einen Anstieg der gesamtstaatlichen Verschuldung von 848 Milliarden auf 1.277 Milliarden Euro miterleben.
Doch inzwischen greift die Schuldenbremse. Die gesamtstaatliche Verschuldung sinkt. Ende 2018 lag sie bei 1.914 Milliarden Euro. Deshalb erfüllt Deutschland spätestens im kommenden Jahr auch wieder das Maastricht-Kriterium von maximal 60 Prozent beim Gesamtschuldenstand.
Der Ruf nach Investitionen kann ein Vorwand sein
2014 wurde der erste Bundeshaushalt ohne Kreditaufnahme beschlossen. Wolfgang Schäuble als Finanzminister hat sich damit seinen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert. Der Bundestag hat den Bundeshaushalt 2020 vor zwei Wochen nochmals ohne neue Kreditaufnahme beschlossen – den siebten Haushalt in Folge! Doch die Trendwende in der politischen Debatte ist überall spürbar. Linke, Sozialdemokraten und Grüne sind längst auf dem Trichter, das Heil des Staates in neuen Schulden zu suchen. Die Kreditaufnahme sei für den Staat fast ein Geschäft, weil kaum mehr Zinsen zu bezahlen seien. Schließlich müsse ein gigantischer Investitionsstau in der öffentlichen Infrastruktur mit einer Investitionsoffensive beseitigt werden. Selbst der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, hat die Fronten gewechselt. Einst ein entschiedener Befürworter der Schuldenbremse, plädiert er heute wegen der günstigen Refinanzierungskosten für neue Kredite.
Die Investitionsausgaben des Bundes sind im kommenden Jahr übrigens so hoch wie seit Jahren nicht. Dabei sind rund 20 Milliarden Euro an Investitionsmitteln überhaupt nicht abgeflossen, weil die Baufirmen ausgelastet sind oder Projekte wegen fehlender Planungskapazitäten oder Bürgereinsprüchen nicht umgesetzt werden können. Die Baupreisinflation sorgt zudem dafür, dass es für mehr Geld immer weniger Leistung gibt. Ist das Investitionsargument vielleicht nur ein Vorwand, um wieder schrankenlos Sozialpolitik auf Pump betreiben zu können?