Tichys Einblick
METZGERS ORDNUNGSRUF 28-2019

Staatsverschuldung statt nachhaltiger Finanzpolitik

Während in der „Klimaschutz“-Debatte vom nachhaltigen Wirtschaften fabuliert wird, befeuern Notenbanker und Politiker im Duett den Pumpkapitalismus.

imago images / Waldmüller

Nie war die weltweite Verschuldung höher als heute. Die globalen Erschütterungen der letzten Finanzkrise vor zehn Jahren: Vergessen! Erst recht die Soliditätsschwüre, die damals von den Regierungschefs der G20-Staaten abgelegt wurden. Flankiert von einer ursprünglich als Notmaßnahme deklarierten Geldflut der Notenbanken, ist der Zins als Risikoprämie für unsolides Wirtschaften längst abgeschafft. Das gilt für Staaten wie für Unternehmen und auch den privaten Verbraucher. In allen drei Sektoren liegt die Verschuldung auf absoluten Höchstständen. Der deutsche Staat hat in den vergangenen Jahren seine explizite Staatsverschuldung zwar zurückgeführt. Dafür ist aber die implizite Verschuldung in den deutschen Sozialsystemen massiv gestiegen – Mütterrente, Rente mit 63 und diversen „Verbesserungen“ in der Kranken- und Pflegeversicherung geschuldet.

Für alle Anleihen bis zu einer Laufzeit von zehn Jahren bezahlt der deutsche Staat derzeit keine Zinsen mehr. Im Gegenteil: Wer der Bundesrepublik 1.000 Euro leiht, bezahlt derzeit 2 Euro zusätzlich, damit er dem Staat Geld leihen darf. Klassische Sparer dagegen werden „entspart“, weil Minizinsen abzüglich der Inflationsrate die Kaufkraft des Sparkapitals ständig reduzieren. Die haussierenden Aktienmärkte dagegen sind stärker von den Fixer-Gaben der Notenbanken als von den ökonomischen Fundamentaldaten getrieben. Vermögenspreisblasen bilden sich: bei Aktien und im Immobilienmarkt. Ein Alarmzeichen ist die exorbitant hohe Aktien-Rückkaufpolitik großer Konzerne. Die Nachfrage nach Aktien steigt nicht wegen der operativen Geschäftserfolge, sondern durch künstlich geschaffene Nachfrage der Unternehmen nach ihren eigenen Anteilsscheinen. Ein Alarmzeichen ist aber auch, dass selbst Staatsanleihen aus Schwellenländern, die früher nur Geld gegen höhere Zinsen geliehen bekamen, inzwischen in den negativen Zinsbereich rutschen. Selbst Ramschanleihen von Unternehmen mit schwacher Kreditwürdigkeit, die sogenannten High Yield Bonds, rutschen inzwischen in Richtung null Prozent Zins. 3 Milliarden Euro in dieser Anleiheklasse weisen derzeit eine negative Rendite auf.

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25 Prozent aller öffentlichen Anleihen, die auf dem Globus von Staaten ausgegeben werden, sind derzeit negativ verzinst. Der Gläubiger bezahlt also dafür, dass er dem Schuldner Geld leiht. Das Ergebnis ist überall zu besichtigen. Die Staatsschulden explodieren, weil der Zinsaufwand ständig sinkt. Hand in Hand mit der Geldpolitik der Zentralbanken pushen Politiker, ob in China, den USA oder in Europa, den Pumpkapitalismus. Mit ultralockerer Geldpolitik und expansiver Fiskalpolitik wollen sie das sich eintrübende globale Wachstum stimulieren. Als ob man den Teufel mit dem Beelzebub austreiben könnte. Dabei haben die USA gerade den bisher längsten Konjunkturzyklus der Nachkriegszeit erlebt, hatte Deutschland ebenfalls einen der längsten Aufschwünge zu verzeichnen. Die US-Notenbank suchte jetzt zwei Jahre lang einen Ausstieg aus der expansiven Notenbankpolitik, dreht aber jetzt deutlich bei und beugt sich dem Druck eines Präsidenten, der selbst mit seiner protektionistischen Handelspolitik eine Ursache für die Dämpfung des weltweiten Handels provoziert hat. Die Europäische Zentralbank hat unter Mario Draghi ohnehin eher auf die geldpolitische Stabilisierung des Euro geachtet und damit vor allem die Schuldentragfähigkeit für die überschuldeten südeuropäischen Staatsbudgets im Auge gehabt. Italien kann sich nur deshalb seine Verschuldung leisten, weil die EZB den Ausputzer spielt und die EU-Kommission gleichzeitig – wie immer – auf die Durchsetzung der vereinbarten Stabilitätsregeln verzichtet. Eine Krähe hackt der anderen bekanntlich kein Auge aus. Die Krähen haben im Euro-Raum inzwischen die strukturelle Mehrheit.

Wie stark die deutsche Politik mit ihrer vermeintlichen Austeritätspolitik unter internationalen Druck kommt, erfährt derzeit Bundesfinanzminister Olaf Scholz beim G7-Finanzministertreffen im französischen Chantilly, an dem auch deren Notenbankchefs teilnehmen. Die sind es laut der Finanznachrichtenagentur „Bloomberg“ leid, immer nur alleine für monetäre Stimulierung zu sorgen. Also drängen sie die Finanzminister und vor allem Deutschland, mit einer kreditfinanzierten Investitionsoffensive die Konjunktur zu stimulieren. Dass die Politik in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt nicht gespart, sondern die durch die gewaltigen Zinsersparnisse und die sprudelnden Steuereinnahmen gewonnenen Gestaltungsspielräume sofort wieder in teure Sozialpolitik umgesetzt hat, wird dabei bewusst ausgeblendet. Schuldenmachern ist wieder schick, das „süße Gift der Staatsverschuldung“, vor dem die Deutsche Bundesbank immer wieder warnte, ist zur Droge von Politikern geworden, die den Bürgern nicht mehr vermitteln wollen, was ein marktwirtschaftliches Urgestein wie Ludwig Erhard noch in einen einfachen Satz kleiden konnte: „Kein Staat kann seinen Bürgern mehr geben, als er ihnen vorher abgenommen hat.“

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