Tichys Einblick
METZGERS ORDNUNGSRUF 18-2021

Spahns Taschenspielertrick: Bundeshaushalt soll Defizit der Krankenversicherung kompensieren

Um die Sozialbeiträge nicht über 40 Prozent steigen zu lassen, will der Gesundheitsminister einfach den Bundeszuschuss auf 27 Milliarden Euro verdoppeln.

Jens Spahn, Bundesminister für Gesundheit

IMAGO / photothek

Im Herbst wird ein neuer Bundestag gewählt. Da ist die Versuchung für amtierende Minister groß, unangenehme Wahrheiten möglichst zu vertuschen. Die Regierungsparteien haben vor vier Jahren in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, die Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitslosen-, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung bei insgesamt maximal 40 Prozent zu deckeln. Für alle versicherungspflichtigen Arbeitnehmer mit Kindern wird diese Grenze derzeit ganz knapp eingehalten. Denn für sie summieren sich die Beiträge in der Arbeitslosen- (2,4 %), der Renten- (18,6 %), der Kranken- (15,9 %) und der Pflegeversicherung (3,05 %) auf insgesamt 39,95 Prozentpunkte, wovon exakt die Hälfte von ihren Arbeitgebern direkt überwiesen wird, während ihr hälftiger Arbeitnehmeranteil direkt vom Bruttogehalt einbehalten wird. Für kinderlose Versicherungspflichtige ist die 40 Prozent-Marge hingegen bereits heute leicht überschritten, weil sie einen etwas höheren Beitrag für die Pflegeversicherung (3,3 %) zu bezahlen haben.

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Obwohl die Große Koalition eine Reihe von Leistungsausweitungen in den Sozialversicherungen beschlossen hat, machte ihr die goldene Dekade mit hoher Beschäftigung, steigenden Löhnen und damit sprudelnden Beitrags- und Steuereinnahmen das Einhalten des 40 Prozent-Kostendeckels bei den Sozialversicherungsbeiträgen scheinbar leicht. Weil die günstige Arbeitsmarktlage eine Absenkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags um insgesamt 0,6 Prozent ermöglichte, konnte damit der Beitragssatzanstieg in der Pflegeversicherung um 0,5 Prozent ausgeglichen werden. Bereits vor der Corona-Pandemie schmolzen die Überschüsse in der Kranken- und Pflegeversicherung, weil die großzügigen Leistungsausweitungen von Union und SPD die Ausgaben explodieren ließen. Parallel sorgt die Alterung der Gesellschaft ohnehin für steigende Ausgaben, die auf schmäler werdende jüngere Kohorten von Beitrags- und Steuerzahlern abgewälzt werden.

Doch jetzt läutet der CDU-Politiker Jens Spahn einen Systemwechsel in der Kranken- und Pflegeversicherung ein – ohne breite öffentliche Debatte, quasi durch die Hintertür. Aus einem über viele Jahrzehnte zunächst rein umlagefinanzierten Versicherungssystem, will er ein immer stärker steuerfinanziertes System machen.

Mit Steuerzuschüssen in die Krankenversicherung startete zwar schon die damalige rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2004. Doch die erste Jahressumme war mit 1 Milliarde Euro geradezu bescheiden. Im vergangenen Jahrzehnt, Kanzlerin Merkel regierte zunächst mit der FDP und später mit der SPD, wurden daraus bis zum Jahr 2019 bereits 14,5 Milliarden Euro Steuerzuschuss im Jahr. Im Corona-Jahr 2020 wurde dieser Betrag bereits um 3,5 Milliarden Euro aufgestockt, in diesem Jahr dann um 5 Milliarden Euro auf insgesamt 19,5 Milliarden Euro Bundeszuschuss.

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Obwohl die Pandemie-Sonderlasten im kommenden Jahr weitgehend ausgelaufen sein dürften, legen jetzt Formulierungshilfen des Gesundheitsministers für Änderungsanträge der Regierungsfraktionen zum Infektionsschutzgesetz und zum Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung nahe, dass Spahn den regulären Bundeszuschuss zur GKV im kommenden Jahr von 14,5 auf 27 Milliarden Euro aufstocken will. Nur so lässt sich nach Auffassung seines Ministeriums ein Beitragsanstieg verhindern und die 40 Prozent-Deckung beim Gesamtsozialversicherungsbeitrag halten.

Weil ein so hoher Bundeszuschuss bisher in den Eckpunkten des Bundesfinanzministers zum Bundeshaushalt 2022 nicht eingeplant ist, muss Spahn allerdings noch um sozialdemokratische Unterstützung bei Olaf Scholz werben. Weil Spahn auch in der Pflegeversicherung einen immer stärkeren Umbau von einer Teilkasko- zu einer Vollkaskoversicherung vorantreibt, spekuliert er auch für diese Sozialversicherung auf Steuermilliarden.

Doch mit diesen Taschenspielertricks werden Politiker langfristig nicht durchkommen. Denn ein Staat, der schon heute Dutzende Millionen von leistungswilligen Arbeitnehmern und Unternehmern mit Steuern und Abgaben so exzessiv schröpft wie kein anderer, wird ausufernde Ausgaben nicht länger mit immer höheren Steuern und/oder Abgaben beantworten können. Vor dem Verteilen kommt das Erwirtschaften. Die Ludwig Erhard-Losung gilt noch immer. Wo die Leistungsbereitschaft erdrosselt wird, kann auch der Fiskus nicht ernten. Auch die vermeintlich listige Robin Hood-Lösung wird da nicht helfen, die aus den Wahlprogrammen der linken und grünen Parteien spricht: Holen wir uns das Geld doch einfach bei den Reichen! Dann können wir weitermachen wie bisher.

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