Tichys Einblick
METZGERS ORDNUNGSRUF 35-2021

Rot-Grün hat Vorfahrt in der Medien-Arena

Die "Kanzlerkandidaten"-Trielle sorgen für eine Zweidrittel-Mehrheit linker und grüner Themensetzung zu bester Sendezeit. ARD und ZDF spielen das Spiel.

picture alliance / dpa | Soeren Stache

Im Nachhinein wirkt es wie ein kluger Schachzug von PR-Beratern aus dem linken und grünen Spektrum der Republik. Weil die heute noch kleinste Fraktion im deutschen Bundestag, die Grünen, eine „Kanzlerkandidatin“ aufs Schild hob, was traditionell immer nur die einstigen Volksparteien Union und SPD taten, werden sie in den drei TV-Triellen, die früher einfache Duelle waren, zeitanteilsmäßig „mit der gebotenen Fairness“, wie betont wird, gleich behandelt. Im Ergebnis bedeutet das aus liberaler und konservativer Sicht: Sozialdemokraten und Grüne beanspruchen in diesen TV-Formaten regelmäßig eine Zweidrittelmehrheit an Redezeit und links-grüner Themensetzung. Damit wird in den TV-Showdowns eine links-grüne Republik abgebildet, die sich nicht mit den tatsächlichen politischen Mehrheiten im Land deckt. Selbst wer die Ergebnisse von SPD, Grünen, Linken und den diversen linken Splitterparteien addiert, wird auf deutlich weniger als die Hälfte des Wahlvolks kommen. Dass auch das gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Fernsehen diese mediale Verzerrung im zweiten Triell kommentarlos abgebildet hat, unterstreicht ganz nebenbei den immer wieder erhobenen Vorwurf tendenziöser Berichterstattung.

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Triell: Drei Kandidaten-Kandidaten - und keiner und keine kann es
Immerhin elf Millionen Zuschauer sahen am vergangenen Sonntag das TV-Triell in den öffentlich-rechtlichen Programmen von ARD, ZDF, Phoenix und Tagesschau24, ein Marktanteil von 36,5 Prozent. Allerdings hat das Interesse im Vergleich zum Duell zwischen Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) vor der letzten Bundestagswahl deutlich nachgelassen. Rund 5 Millionen Zuschauer wurden diesmal weniger registriert als damals, vielleicht auch ein Indiz für den gewachsenen Parteien- und Politikerverdruss im Volk. Das erste Triell im Privatfernsehen RTL und ntv sahen am 29. August übrigens 5,6 Millionen Zuschauer. Dass die Gesprächsführung im Privatfernsehen deutlich professioneller und journalistisch pointierter war als bei ARD und ZDF, ist durchaus erwähnenswert. Ob das letzte Triell, das am kommenden Sonntag auf ProSieben, SAT.1 und kabel eins übertragen wird, nochmals Millionen Zuschauer vor den Bildschirmen versammeln wird?
Auch die Printmedien präferieren linke und grüne Themen

Diese thematische Priorisierung linker und grüner Themen schlägt sich natürlich auch in den Printmedien nieder. Obwohl das deutsche Wahlrecht keine Volkswahl des Kanzlers/der Kanzlerin vorsieht, sondern die Wähler mit der Erststimme den Wahlkreisabgeordneten und mit der wichtigen Zweitstimme die Partei ihrer Wahl wählen, deren Gesamtergebnis letztendlich über die Mandatsstärke im Bundestag entscheidet, wo dann mit absoluter Mehrheit der Kanzler/die Kanzlerin gewählt wird, erweckt dieser inszenierte mediale Dreikampf für unbedarfte Geister genau diesen falschen Eindruck. Denn natürlich werden die drei Kandidaten für das Kanzleramt mit ihren Themen prominent in den Fokus gerückt, die ausführlichen Interviews mit ihnen geführt, die großen Porträts über sie geschrieben.

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Aber treffen die Medien damit wirklich den Nerv des Volkes? Oder spiegeln sie nicht eher die Haltung des journalistischen Juste Milieu? Das Agenda-Setting im Wahlkampf wird bewusst gesteuert. Das politische Umfeld der Grünen, ihre Öko-Vorfeldorganisationen sowie unzählige Nichtregierungsorganisationen, die aber häufig aus öffentlichen Kassen gesponsert werden, lancieren die Klimawandel-Themen. Das SPD-Umfeld aus Gewerkschaften und Sozialverbänden pusht die sozialen Themen – etwa mit den regelmäßig wiederkehrenden Rankings der angeblich wachsenden Armut im Land. Themen, die vielen Menschen auf den Nägeln brennen, etwa die Angst vor Kriminalität, vor rechtsfreien Räumen, vor Clan-Kriminalität oder der Überfremdung durch ungesteuerte Zuwanderung, werden dagegen nicht nur im Wahlkampf gemieden. Sie stehen auf dem „Nazi-Index“, werden von vielen Journalisten gemieden, weil sie sich nicht als angebliche Handlanger der Rechts-Populisten angreifbar machen lassen wollen.
Instrumentalisierte Meinungsforschung

Selbst die Demoskopie wird instrumentalisiert. Obwohl alle Insider wissen, wie schwer es den Meinungsforschern fällt, die immer größere Zurückhaltung der Bürger bei Fragen nach ihren Wahlpräferenzen mit den Erfahrungswerten ihrer jeweiligen Institute korrigierend zu gewichten, jagt in diesen Wochen eine Wahlprognose die andere. Weil sich die Bindungswirkung der Wähler an bestimmte Parteien in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend gelockert hat, die traditionellen soziokulturellen Milieus erodiert sind und die Bereitschaft zu ehrlichen Antworten in Zeiten der „political correctness“ bei vielen Befragten gegen Null tendiert, lagen und liegen die Demoskopen immer wieder kräftig daneben.

Weil die Meinungsforschungsinstitute ihre „Gewichtungsfaktoren“ als Betriebsgeheimnis wahren, bleibt die vermeintlich präzise Ergebnisvorschau reichlich intransparent. Noch immer sollen bis zu 40 Prozent der Wahlberechtigten nicht wissen, wo sie am übernächsten Sonntag ihr Kreuz machen. Wohin geht der Last Minute-Swing? Zu den demoskopisch gehypten Parteien und Personen? Es besteht die Gefahr, dass intransparente Wahlprognosen vermeintliche oder tatsächliche Trends verstärken. So wird die Demoskopie selbst zum Meinungsfaktor, lässt sich recht bereitwillig von Parteien instrumentalisieren.

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