Tichys Einblick
METZGERS ORDNUNGSRUF 40-2020

Neuer Versuch der EZB: Digital-Euro statt Bargeld?

Drei Monate lang läuft eine Testphase zur Erprobung des digitalen Euro. Mit der Digitalwährung ließe sich auch das Bargeld als Zahlungsmittel ersetzen.

imago images / Christian Ohde

Nach der Finanzkrise vor 12 Jahren begannen alle großen Notenbanken der Welt unkonventionelle monetäre Instrumente in ihr geldpolitisches Waffenarsenal aufzunehmen: Mit Null- und Negativzinsen und einer quantitativen Lockerung wollten sie die Wirtschaft ankurbeln und die Inflation über die selbst gesetzte Schwelle von 2 Prozent hieven. Sogar mit Anleihenkäufen schlechtester Bonität versuchen sie derzeit in der globalen Corona-Rezession Unternehmen und Staaten liquide zu halten. Um die verunsicherten Verbraucher bei Laune zu halten, wurde selbst über „Helikoptergeld“ spekuliert, das die Notenbanken direkt über die Köpfe der Bürger verteilen sollten, um die Konsumlaune zu stimulieren. In diesen Monaten ändern die amerikanische Notenbank, aber auch die EZB, ihre Inflationsstrategie: Weil sie die in ihren Augen unterdurchschnittlichen Inflationsraten der vergangenen Jahre „symmetrisch“ nachholen lassen wollen, werden sie über Jahre hin in Zukunft auch höhere Inflationsraten erlauben – ohne die durch ihre extrem expansive Geldpolitik faktisch abgeschafften Zinsen zu erhöhen.

Ob diese Milchbubenrechnung der Geldpolitiker aufgeht, wird sich zeigen. Sie werden mit der steigenden Inflation auf jeden Fall Abermillionen Verbraucher um ihre Kaufkraft bringen. Denn Inflation ist nichts anderes als die heimlichste Form der Enteignung. Sie züchten Zombie-Firmen, die nur überleben können, weil sie ihre hohe Fremdverschuldung keine Zinsen kostet und/oder die Notenbanken ihre Unternehmensanleihen aufkaufen. Sie bescheren eine wachsende Kluft zwischen Vermögensbesitzern, die über hohe Aktiendepots oder wertvolle Immobilien verfügen, und der großen Masse der Bürger, die nur bescheidene Geldbestände auf ihren Sparkonten haben. Außerdem wächst die Gefahr, dass die heute schon hohe Vermögenspreis-Inflation im Platzen von Spekulationsblasen mündet, was in der Wirtschaftsgeschichte alles andere als ein singuläres Ereignis darstellt.

Ist der zentral gesteuerte Konsument das Ziel?

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Doch die Strategen in den Notenbanken denken weiter. Wer glaubt, mit dem heutigen Arsenal, das längst den unkonventionellen Ausnahme-Charakter verloren hat, hätten die Geldpolitiker ihr Pulver verschossen, täuscht sich. Sie basteln an technischen Lösungen, mit denen sie das Verhalten der Konsumenten möglichst zentral steuern können. China und Schweden sind bei der Erprobung digitaler Währungen schon weiter. Mit dem Argument, sich technisch nicht von den Entwicklungen auf den Weltmärkten abzuhängen und den Euro als internationale Währung auch digital handelbar zu halten, pusht jetzt auch die EZB eine dreimonatige Testphase, die sie mit einer öffentlichen Konsultation verbindet. Ähnlich wie mit dem Bargeld, dessen Menge die Zentralbanken direkt steuern, würden sie mit dem digitalen Zentralbank-Euro direkt Bürger und Unternehmen versorgen. Allerdings bestünde dieser digitale Euro (CBCD: Central Bank Digital Currency) nicht aus Banknoten und Münzgeld, sondern aus Ziffern und Buchstaben. Die Geldschöpfung über die Geschäftsbanken, die mittels ihrer Kreditvergabe Giralgeld schaffen, würde tangiert. Im Gegenzug wären Bürger und Unternehmen aber auch nicht mehr so stark vom Wohl und Wehe ihrer Hausbanken abhängig.

Für die Erprobung von CBCD hat der Zahlungsdienstleister Mastercard bereits Anfang September eine virtuelle Plattform eingerichtet. Auf ihr können Notenbanken jetzt die Emission von digitalem Geld sowie die Zusammenarbeit mit und zwischen Geschäftsbanken, Finanzdienstleistern und Konsumenten simulieren. Ende letzter Woche stellte die Bank für internationalen Zahlungsausgleich gemeinsam mit sieben Notenbanken einen Bericht über die grundlegenden Prinzipien und Merkmale von digitalem Notenbankgeld vor. Doch darin fehlt genau die Beleuchtung des Aspekts, der die Finanzmarkt-Beobachter am meisten interessiert: Kann digitales Notenbankgeld auch dazu genutzt werden, um die noch bestehenden Grenzen der Geldpolitik endgültig zu überwinden? Denn mit den CBCDs lässt sich die noch bestehende Mauer zwischen der Geldpolitik der Notenbanken und der Finanzpolitik der Regierungen vollständig einreißen.

Digitalwährung mit Verfallsdatum

Die EZB und ihr Schutzwall
Der digitale Euro - oder: Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen
In den vergangenen Jahren ist die durch die gigantischen Wertpapierkäufe der Notenbanken geschaffene Liquidität zu einem großen Teil im Bankensektor hängengeblieben. In der realen Wirtschaft kam sie dagegen nicht an. Sie hat nur die Vermögenswerte in die Höhe getrieben. Mit dem digitalen Notenbankgeld, das direkt den Konten von Unternehmen und Konsumenten gutgeschrieben wird, ließe sich die Wirtschaft aber direkt stimulieren, was endlich die von den Notenbanken so herbeigesehnte Inflation beschleunigen würde. Schließlich, und das ist das Horror-Szenario für alle freiheitsliebenden Bürger, könnte ein digitaler Euro die Handhabe für weitreichende Zwangsmaßnahmen bieten, vor allem dann, wenn er als Ersatz für das heutige Bargeld dient. Das Digitalgeld lässt sich von der ausgebenden EZB beispielsweise mit einem Verfallsdatum versehen, bis zu dem es ausgegeben werden müsste. Geschieht das nicht, verliert es an Wert. Auf die gleiche Weise ließen sich mit dem Digitalgeld auch die Zinsen deutlich unter Null drücken, da ein Ausweichen auf Bargeld nicht mehr möglich wäre. Der von den Notenbanken und den Regierungen gesteuerte Konsument wäre die fatale Folge.
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