Tichys Einblick
METZGERS ORDNUNGSRUF 30-2020

Kerninflationsrate unterschlägt Kosten der Klimapolitik

Nicht nur die Grünen trommeln für eine radikale Klimapolitik. Doch deren Kosten werden vernebelt: in der für die EZB entscheidenden Kerninflationsrate.

IMAGO / Steinach

Die Inflationsmessung ist schon immer eine zur Manipulation reizende Messgröße. Wie setzt sich der zugrundeliegende Warenkorb zusammen? Bildet er tatsächlich die Lebensrealität und das Konsumverhalten der Menschen halbwegs korrekt ab? Fließen Qualitätsverbesserungen bei Produkten und Dienstleistungen (Mehr für das gleiche Geld!) als Abschläge in die Inflationstatistik ein? Wie sieht es mit heimlichen Preiserhöhungen durch Qualitätsverschlechterungen aus? Wird selbstgenutztes Wohneigentum im Warenkorb berücksichtigt oder nicht? Werden stark schwankende Sektoren wie die Energiepreise herausgerechnet, um starke Ausschläge in der Inflationsmessung zu glätten?

Der Kaufkraftverlust, der durch die Geldentwertung entsteht, ist teuflisch. Denn er schleicht sich heimlich ein, macht Menschen arm. Oft merkt man seine Wirkung erst dann, wenn es zu spät ist: etwa bei der Altersvorsorge, bei der viele Menschen den Kaufkraftverlust über lange Zeiträume ausblenden und deshalb zu wenig sparen. Doch man merkt es auch beim Einkauf oder in der Gastronomie und erst recht beim Tanken oder bei der Stromrechnung: Das Leben wird ständig teurer, als es die offizielle Inflationsrate ausweist. Die „gefühlte Inflation“ ist deshalb für die Masse der Bevölkerung schon immer höher als die statistisch ausgewiesene Zahl.

Die Beschönigungstricks der Politik und der Notenbanken

Kurz vor der Bundestagswahl werden die offiziellen Inflationszahlen für den laufenden Monat August verkündet und wohl erstmals seit vielen Jahren die 4 Prozent-Marke in Deutschland deutlich überschreiten. Doch Politiker und vor allem die EZB-Notenbanker werden beschwichtigen: Alles nicht so schlimm. Die Kerninflationsrate ist nach wie vor niedrig. Denn die Hauptpreistreiber seien die volatilen Energiekosten. Die sind in Deutschland zwischen Juli 2020 bis Juli 2021 um satte 11,6 Prozent gestiegen. Da passt es doch prima, dass die Europäische Zentralbank für die Berechnung der Kerninflationsrate die Preise für Heizöl, Gas, Kraftstoffe und Strom herausrechnet. Weil die auf diese Weise nach unten frisierte Inflationszahl als geldpolitische Rechtfertigung dient, weiter an einer extrem lockeren Geldpolitik festzuhalten, ist dieser Beschönigungstrick brandgefährlich. Denn so facht die EZB bei ohnehin vorhandener Inflationstendenz das Inflationsfeuer weiter an. „Core Inflation“ ist ein Begriff in der Inflationsmessung, den die breitere Öffentlichkeit in Deutschland noch nicht so kennt, der aber für die Notenbanken der Welt eine wichtige Kennzahl darstellt. In dieser Rate sind nicht nur die Energiepreise ausgeblendet, sondern auch die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak. Dass die Verbraucher die stark gestiegenen Preise für diese Konsumsparten aber tatsächlich bezahlen müssen und diese Inflation nicht nur fühlen, sondern erleiden, wird unterschlagen. Angesichts der Dimension dieser frisierten Inflationsrate grenzt es an Augenwischerei, wenn die EZB künftig stufenweise auch das selbstgenutzte Wohneigentum bei der Berechnung der Inflationsrate berücksichtigen will. Das war bisher ein öffentlich immer wieder diskutierter Angriffspunkt. Dabei wird sich das maximal um etwa 0,2 Prozentpunkte in einer höheren Rat niederschlagen. Die „Core Inflation“ dagegen ist um mindestens zwei Prozentpunkte gegenüber der tatsächlichen Inflation unterzeichnet.

War vor Jahrzehnten vor allem die OPEC der Preistreiber für fossile Energieträger, ist das Öl-Anbieterkartell längst durch den staatlichen Preistreiber abgelöst. Um die 60 Prozent des Benzinpreises gehen auf Kosten der deutschen Steuerpolitik. Fast so hoch ist der Staatsanteil am Ticketpreis der Flugreisenden – abhängig von der Strecke. Auch beim Strompreis spielt der staatlich induzierte Preisanteil die Hauptrolle. Und die Deutsche Bahn, heute wie-der stärker unter Staatseinfluss als nach der formalen Privatisierung, hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten kräftig zugelangt. Der Preis für einen Normaltarif der einfachen Fahrt über 100 Kilometer hat sich um nahezu zwei Drittel erhöht.

Klima-Politik befeuert die Inflation, aber das wird statistisch ignoriert

Steigende Energiepreise im Zeichen der Klimaschutz-Politik sind so sicher wie das Amen in der Kirche. Und zwar unabhängig davon, ob die Grünen in der nächsten Bundesregierung mitbestimmen oder in der Opposition verbleiben. Denn so mancher im politischen Berlin wünscht sich heimlich das Sachsen-Anhalt-Koalitionsmodell auch für den Bund: Die Deutschland-Koalition aus CDU, SPD und FDP. Doch der Klimaschutz-Zug des politischen Establish-ments ist auch ohne Grüne nicht mehr zu bremsen. Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat, prophezeite kürzlich in einem Interview ganz nüchtern: „Die geplanten höheren CO2-Preise und der Mehrbedarf an Strom im Zug der Energiewende werden die Energiekosten in Zukunft noch weiter steigen lassen.“

Doch die Verneblung der wahren Kosten hat in der Politik Methode – ob beim immer weiteren Ausbau des Sozialstaats oder bei einer Umweltpolitik, die immer bürokratischer und ineffizienter ausgestaltet wird. Also verschleiert man die Kostenwahrheit sogar über so ein banales Instrument wie die Statistik-Fälschung.

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