Es ist paradox: Die wichtigsten Notenbanken der Welt sind seit der Finanzkrise angeblich bemüht, mit unorthodoxer Geldpolitik die Wirtschaft am Laufen zu halten. Sie haben die Zinsen faktisch abgeschafft, um die Kreditvergabe anzukurbeln. Sie kaufen Staatsanleihen en masse, aber auch Unternehmensanleihen und Aktien. Doch weder in Japan, dem Land mit der längsten Erfahrung mit dieser exorbitanten Geldschöpfung, noch in den USA oder gar in Europa, scheint die umstrittene Therapie wirklich nachhaltig anzuschlagen.
Fast überall hat sich das Potentialwachstum reduziert, sinkt die Produktivität der Volkswirtschaften. Immer wahnwitziger blähen sich dafür die Bilanzen der Notenbanken auf. Selbst die US-Notenbank, die vor zwei Jahren eine Phase der Normalisierung ihrer Zinspolitik, eine Abkehr von ihren Anleihekäufen sowie den Abbau ihrer aufgeblähten Bilanzsumme eingeleitet hatte, ist längst wieder im Ausnahmezustand. Fast die Hälfte der in den Vorjahren erzielten quantitativen Straffung des Bilanzvolumens ist binnen kurzem eliminiert worden. Denn am 17. September explodierten plötzlich am Repo-Markt, wo sich Banken über Nacht mittels kurzfristiger Pfandleihe Geld zu günstigen Konditionen besorgen, die Zinsen. Statt zwei Prozent waren urplötzlich 10 Prozent fällig, weil es weniger Angebote als Nachfrage gab. Das letzte Mal war das nach der Lehman-Pleite zu Zeiten der letzten großen globalen Finanzkrise passiert. Die US-Notenbank kaufte innerhalb weniger Tage hunderte Milliarden Dollar an Wertpapieren auf, um den Repo-Markt zu stabilisieren. Alle Erklärungsmuster der jüngsten Liquiditätskrise, die einer breiteren Öffentlichkeit verborgen blieb, versagen bis heute. Sicher ist nur, dass die Fed auch in diesen Tagen massiv weiter am Repo-Markt intervenieren muss, weil sich keine wirkliche Entspannung abzeichnet.
Kannibalisierung der realen Investitionen
Am stärksten gewachsen sind global die Anleihen mit dem niedrigsten Investment-Rating (BBB). Von den beinahe 4 Billionen Dollar global stammen allein 2,5 Billionen Dollar von US-Firmen. Diese riskanten Papiere sind eine tickende Zeitbombe für die Stabilität des Weltfinanzsystems und die Konjunktur. Schon eine Tieferbewertung eines Teils dieser Anleihenklasse würde zu Verkaufswellen führen, die systemsprengend wirken können. Je länger deshalb die Notenbanken ihre ultralockere Geldpolitik praktizieren, umso weniger werden sie das angestrebte nachhaltige Wachstum bewirken. Denn Zentralbanken können zwar aus dem Nichts Geld schöpfen. Doch dass sie damit die Realwirtschaft und deren Wertschöpfungspotential, das allein Basis unseres Wohlstands ist, unterminieren, sollte ihnen langsam dämmern. Denn sie treiben den Teufel mit dem Beelzebub aus.
Einen Seitenhieb in Richtung Politik kann ich mir abschließend nicht verkneifen. Ausgerechnet jetzt, da klassische Sparformen jährlich reale Verluste erleiden, weil Zins und Zinseszins faktisch abgeschafft sind, will die Politik die Bürger ermutigen, sich stärker in Aktien zu engagieren. Dass die dortigen hohen Renditeversprechen gerade in diesen Zeiten auch mit hohen Risiken verbunden sind, sollten sich Anleger bewusst machen. Trotzdem gehört Sachanlagevermögen – und darum handelt es sich bei Aktien – selbstverständlich in das Altersvorsorge-Portfolio. Dass aber der Bundesfinanzminister parallel zu dieser politischen Aktienkauf-Ermutigung jetzt eine Finanztransaktionssteuer vorschlägt, die genau die Leute trifft, die mit Aktien für ihre Altersversorgung sparen sollen, ist ein Treppenwitz. Erst recht, weil er damit die sozialdemokratische Grundrente finanzieren will.