Wenn sich ein sozialdemokratischer Finanzminister spendabel zeigt, dann muss man genau hinschauen. Am Mittwoch verkaufte Olaf Scholz der Öffentlichkeit eine Mogelpackung als Steuerreform. Denn der Großteil dieser Steuerentlastung beruht auf dem verfassungsrechtlichen Gebot, den steuerfreien Grundfreibetrag an die Höhe des jährlichen Existenzminimums anzupassen. Das gleiche gilt für den Kinderfreibetrag bzw. das Kindergeld. Auf diese beiden Verfassungsgebote entfällt der größere Teil der Entlastungssumme, die auf Jahresbasis hochgerechnet knapp 9,8 Milliarden Euro Entlastung für die Steuerzahler bewirken soll. Die leichte Abmilderung der kalten Progression ist das einzige freiwillige Aperçu in diesem kleinen Steuerpaket.
Fehlanzeige dagegen bei der Abschaffung des Solidaritätszuschlags, dessen Jahresaufkommen derzeit bei mehr als 18 Milliarden Euro liegt. Hoch und heilig hatten vor allem die Unionsparteien bei seiner Einführung zur Finanzierung der deutschen Einheit versprochen, diesen 5,5%-igen Zuschlag auf die Einkommensteuer spätestens bei Auslaufen des Solidarpakts (Ende 2019) abzuschaffen. Doch was interessieren schon politische Versprechungen, wenn es um das Portemonnaie der Bürger geht. Je mehr Geld Politiker den Bürgern nicht abknöpfen, desto weniger können sie selbst für neue soziale Wohltaten aus der Staatskasse ausgeben. In dieser Haltung ist die Union heute nahezu deckungsgleich mit der Sozialdemokratie.
Obwohl aufgrund der Vollbeschäftigung und der – trotz deutlicher Schwächeanzeichen – immer noch positiven Konjunkturentwicklung die Steuereinnahmen von Rekordstand zu Rekordstand eilen, lässt sich die Union ganz offensichtlich auch auf die Strategie der SPD ein, den Soli nur für die unteren Einkommen und erst zum Ende der Legislaturperiode abzuschaffen. Für alle anderen Steuerpflichtigen mutiert dann die Nichtabschaffung – vom Volumen her immerhin gut 10 Milliarden Euro jährlich – zu einer faktischen Steuererhöhung.
Beim Geldausgeben bleiben die Spendierstiefel geschnürt, weil die Koalition – Asyl-Zoff hin oder her – auf jeden Fall Ernst machen will mit der teuren Mütterrente. Verteilt wird also auch in den kommenden Monaten. Dagegen ist eine Entlastung für die Beitragszahler auch in der Sozialversicherung nicht in Sicht. Der Arbeitslosenbeitrag soll zwar zum 1. Januar 2019 um 0,3 Prozentpunkte sinken. Der Rücklagenbestand ließe übrigens gut und gern einen halben Prozentpunkt zu. Weil aber gleichzeitig der Pflegebeitrag um den gleichen Satz steigt, spüren die Beitragszahler nichts von dieser Entlastung.