Formal lief alles korrekt. Für ausländische Staatsbürger hat der Bundesaußenminister das Vorschlagsrecht. Heiko Maas schlug den Italiener Mario Draghi für die zweithöchste Auszeichnung vor, mit der Deutschland Persönlichkeiten ehrt: Das Großkreuz 1. Klasse. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird Draghi diese Auszeichnung am Freitag persönlich überreichen. Über Sinn und Unsinn von Verdienstorden für Menschen, die in gut dotierten Ämtern gearbeitet haben, lässt sich lange streiten. Ehrenamtliche und beispielhafte Tätigkeiten durch Auszeichnungen öffentlich wertzuschätzen, ist dagegen klug.
Wer sich die Liste der mit dem Großkreuz 1. Klasse ausgezeichneten Personen durchliest, wird auch den Niederländer Wim Duisenberg, den ersten Präsidenten der Europäischen Zentralbank, darin finden. Auch Draghis Vorgänger Jean-Claude Trichet erhielt den Großen Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Zahllose deutsche Spitzenpolitiker wie die aktuelle Kanzlerin, aber auch Willy Brandt oder Herbert Wehner, sind unter den besonders ranghoch Ausgezeichneten. Ein auffälliger Name findet sich auch in den Listen, was einem in der Woche des Holocaust-Gedenktags förmlich ins Auge springt: Hans Globke, der unter Konrad Adenauer 10 Jahre Chef des Bundeskanzleramts war. Dass der Mann Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassengesetze war und als verantwortlicher Ministerialbeamter auch für die judenfeindliche Namensänderungsverordnung in der NS-Zeit Verantwortung trug, spielte bei seiner Auszeichnung im Jahr 1963 offenkundig keine Rolle. Ehre, wem Ehre gebührt?
Doch der Mainstream in Deutschlands Politik, aber auch in den Medien, hat die gewaltigen Risiken und Nebenwirkungen der EZB-Politik längst ausgeblendet. Selbst die Frankfurter Allgemeine Zeitung frönt zunehmend einer schönfärberischen Beschreibung der europäischen Geldpolitik. Die Zeiten, als Holger Steltzner als Mitherausgeber der FAZ noch den EZB-kritischen Grundton prägte, sind nach seiner Ablösung längst vorbei. Unter seinem Nachfolger Gerald Braunberger musste sogar Thomas Mayers Sonntagskolumne im Blatt verschwinden. Merkels frühes Mantra aus den Zeiten der Griechenlandkrise: „Scheitert der Euro, scheitert Europa!“ prägt heute die Rezeption der EZB-Geldpolitik. Deshalb wird Mario Draghi als Euro-Verteidiger gewürdigt, der dafür sorgte, dass die Euro-Währungsunion nicht zerbrach. Darauf wird unter Garantie auch der Bundespräsident am Freitag das Hauptaugenmerk in seiner Auszeichnungsrede legen.
Von den Risiken und Nebenwirkungen der faktischen Zinsabschaffung wird wenig die Rede sein. Obwohl die Übertreibungen an den Immobilienmärkten, aber auch die scheinbar ewige Hausse an den Aktienmärkten, nicht zuletzt der Geldschwemme der Notenbanken geschuldet sind. Doch Blasen platzen irgendwann, wie man nicht erst seit der letzten großen Finanzkrise weiß; Firmen, die heute nur überleben, weil sie ihren Schuldendienst dank der Niedrigzinsen gerade so leisten können, werden kollabieren und eine Reihe von Banken in den Abgrund reißen. Je länger Draghis EZB-Politik unter Christine Lagarde fortgeführt wird, umso geringer ist der Ausstiegsspielraum für eine verlässliche und allmähliche Zinserhöhung sowie eine Beendigung der Anleihenkäufe. Das Damoklesschwert des Scheiterns hängt weiter über der Euro-Zone, auch wenn das immer weniger im politischen Fokus steht.