Tichys Einblick
METZGERS ORDNUNGSRUF 38-2018

Die verlorene Ehre der Haushaltspolitiker

Das Fazit des Bundesrechnungshofs: Die aktuellen günstigen Rahmenbedingungen und die schwarzen Nullen erzeugen nur noch eine Scheinsicherheit. Wegen der anstehenden gewaltigen Risiken, der expansiven Ausgabenpolitik sowie dem ausbleibenden Konsolidierungswillen, gerät der Bundeshaushalt immer stärker unter Druck.

Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Der Budgetausschuss des Deutschen Bundestags versteht sich nicht mehr als Sachwalter einer soliden Finanzpolitik, sondern als Wünsch-dir-was-Gremium.

Einst waren die Haushaltspolitiker der Bundestagsfraktionen mächtige und gefürchtete Kollegen. Sprichwörtlich waren die Geschichten von nächtens herbeizitierten Ministern, die man dann stundenlang vor den Ausschusstüren warten ließ, ehe sie im Ausschuss „gegrillt“ wurden. Verhielten sich die Ressortchefs oder ihre Staatssekretäre und Ministerialen nicht lammfromm, wurden kurzerhand auch von den Regierungsfraktionen die Öffentlichkeitstitel mal schnell um größere Summen gekürzt. Mit den Haushältern war nicht gut Kirschen essen, weil sie sich gegenüber zusätzlichen Ausgabenwünschen meist sperrten. Zu meinen Haushaltszeiten (1994 – 2002) wurden die Regierungsentwürfe in der Regel immer gekürzt. Mehrausgaben wurden durch Einsparauflagen an anderer Stelle mehr als gegenfinanziert.

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Von diesem Haushälterethos ist im vergangenen knappen Jahrzehnt nicht mehr viel übrig geblieben. Ständig steigende Steuereinnahmen und rapide sinkende Zinsausgaben haben die Haushaltpolitiker zu Weihnachtsmännern mutieren lassen, die mit ihren guten Gaben – sprich Titelaufstockungen für fast alle denkbaren Pläsierchen – längst den von den Fachpolitikern in den alten Zeiten kritisierten Erbsenzähler-Ruf verloren haben. Niemals hätte der Haushaltsausschuss sang- und klanglos eine Personalmehrung von fast 1.000 Stellen allein in der Ministerialbürokratie passieren lassen, wie es bei der nächtlichen Bereinigungssitzung am frühen Morgen des 8. November in diesem Jahr passierte.

Unvorstellbar wäre es früher gewesen, dass sich die haushaltspolitischen Sprecher der Regierungsfraktionen in ihren Wahlkreisen unmittelbar danach für zig-millionenschwere Zusatzausgaben für ihre Heimatregionen oder Wahlkreise selbst feierten. Doch genau dies taten Eckhard Rehberg, der Haushaltssprecher der Unionsfraktion, sowie Johannes Kahrs, sein SPD-Pendant. Der eine lotst zusätzliche Bundesmittel in Höhe von gut 60 Millionen Euro nach Rostock, Neustrelitz und in seinen Heimatwahlkreis, der andere klopft sich für diverse Kulturprojekte und ein Mehr von rund 90 Millionen Euro für die Hansestadt Hamburg publikumswirksam auf die Schultern. Wenn selbst die Sprecher der Regierungsfraktionen so schamlos Mehrausgaben im Kleinen produzieren, braucht sich kein Steuerzahler darüber wundern, dass lautstarke Rufe nach solider und langfristig tragfähiger Finanzpolitik nicht einmal mehr im Budgetausschuss zu hören sind.

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Dabei müssten sich aufrechte Budgetpolitiker als Sachwalter der steuerpflichtigen Bürger verstehen, die auf solides Ausgabegebaren achten, gegen eine Aufblähung der Ministerialbürokratie energisch ankämpfen und vor allem den fatalen Trend zu immer weniger Investitionen und ständig höheren Sozialausgaben zu stoppen versuchen. Doch diese Aufgabe erfüllt der Haushaltsausschuss überhaupt nicht mehr. Schon Wolfgang Schäuble beklagte sich vor Jahren intern, dass ihm der Haushaltsausschuss im Abwehrkampf gegen zusätzliche Ausgabenwünsche der Ressortchefs immer häufiger in den Rücken falle.

Haushaltspolitiker agierten zunehmend wie die Abgeordneten in den Fachausschüssen, die ständig mehr Mittel für ihren Aufgabensektor einforderten. Sein Nachfolger Olaf Scholz, dessen offizielles Motto ja inzwischen lautet, einen deutschen „Trumpismus“ (sprich die AfD) mit mehr Sozialstaat zu stoppen, braucht ohnehin keinen bremsenden Budgetausschuss mehr als Helfer gegen neue Ausgabenwünsche, weil er selbst mit Rentengarantie-Forderungen bis zum Jahr 2040 jedes Maß verloren hat. Der Finanzminister höchstpersönlich ist inzwischen ein Haushaltsrisiko.

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Bei solchen Finanzpolitikern im Haushaltsausschuss wie an der Ressortspitze des Finanzministeriums brauchen wir Steuerzahler uns überhaupt keine Hoffnungen machen, dass uns der Staat mehr von den Früchten unserer Arbeit lässt. Sie wollen großzügig verteilen, was andere erwirtschaften. Das ist parteiübergreifende Praxis im Berliner Regierungsviertel. Deshalb werden die Abgaben und Steuern auch langfristig steigen, obwohl sie schon heute für viele Arbeitnehmer eine fast erdrosselnde Wirkung entfalten.

Schonungslos kritisiert Kay Scheller, der Präsident des Bundesrechnungshofs, den Bundeshaushalt 2019 in der Fassung, wie ihn der Haushaltsausschuss jetzt zur Beschlussfassung dem Bundestag vorgelegt hat. Er kritisiert die Leistungsverbesserungen in der Rentenversicherung, die zu massiven Ausgabensteigerungen für den Bundeshaushalt führen und vor allem die jüngere Generation über höhere Sozialbeiträge belasten. Er vermisst jegliche Konsolidierungsvorschläge angesichts der demografischen Risiken. Er attackiert die geradezu lächerlich niedrige Investitionsquote von nur 10 Prozent. Er vermisst eine Schuldentilgung, die das Zinsrisiko des Bundes bei einer anstehenden Zinswende mindern würde. Und er beklagt die fehlende Risikovorsorge für den Brexit, höhere Zahlungen an die EU sowie die teuren EU-Kommissionsvorschläge zur Weiterentwicklung des Euro-Rettungsschirms. Und er redet Klartext, wenn er die föderale Eigenverantwortung der Länder einfordert, die sich immer stärker vom Bund für ihre originären Zuständigkeitsaufgaben alimentieren lassen.

Das Fazit des Bundesrechnungshofs: Die aktuellen günstigen Rahmenbedingungen und die schwarzen Nullen erzeugen nur noch eine Scheinsicherheit. Wegen der anstehenden gewaltigen Risiken, der expansiven Ausgabenpolitik sowie dem ausbleibenden Konsolidierungswillen, gerät der Bundeshaushalt immer stärker unter Druck.

Doch diese Mahnung aus berufenem Mund wird im Parlament ungehört verhallen. Der Bundestag wird an diesem Freitag den Haushalt 2019 beschließen. Ohne Rücksicht auf Verluste!

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