Ich gehöre nicht zu den Leugnern der Corona-Pandemie, die sich seit dem vorletzten Jahreswechsel aus China kommend über den Globus verbreitet hat. Mehr als 90 Millionen Menschen haben sich weltweit bisher nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert, mehr als 2 Millionen Infizierte sind schon gestorben. In Deutschland wird die Todesfallrate in diesen Tagen die Marke von 50.000 überschreiten. Diese Pandemie ist kein Hirngespinst, kein grippaler Infekt, den man kleinreden darf.
Deshalb sind Maßnahmen, die eine ungehinderte Verbreitung des Virus verhindern und vor allem die gefährdetsten Bevölkerungsgruppen – Hochbetagte und/oder gesundheitlich vorbelastete Menschen – vor der Infektion wirkungsvoll schützen, absolut sinnvoll. Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung war und bin ich auch als freiheitsliebender Staatsbürger bereit, Einschränkungen meiner Grundrechte hinzunehmen, um mich selbst und andere vor Ansteckung zu bewahren. Allerdings sollten die Maßnahmen begründet, konsistent und verhältnismäßig sein.
Deutschland: Ein politisches Tollhaus
Das politische Tollhaus, in das sich Deutschland im vergangenen knappen Jahr verwandelt hat, spottet inzwischen jeder Beschreibung. Es ist nur ein schwacher Trost, dass unser Land damit keine Ausnahme darstellt. Statt faktenbasiert zu handeln, gewinnt man von Monat zu Monat stärker den Eindruck, dass irrationaler Aktionismus das Handeln der Kanzlerin und der Ministerpräsidenten bestimmt, eines Exekutivorgans übrigens, das unsere Verfassung nicht kennt und das die gewählten Abgeordneten in den Landtagen und im Bundestag nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung fast zu Statisten degradiert hat.
Die sich selbst immer ihrer Leistungsfähigkeit rühmende öffentliche deutsche Verwaltung, speziell die Gesundheitsverwaltung (von den lokalen Gesundheitsbehörden bis zum RKI), gibt in der Pandemie manchmal ein geradezu verstörendes Unfähigkeitsbild ab. Die oft geschmähten Kliniken haben sich dagegen trotz der manchmal regional angespannten Lage in der Krise gut geschlagen.
Digitalisierung der Gesundheitsämter? Fehlanzeige!
Die nach der ersten Welle im vergangenen Frühjahr vom Bundes- und den Landesgesundheitsministern versprochene Digitalisierung der Gesundheitsämter ist bis heute nicht gelungen. Die nötige Software steht immer noch nicht flächendeckend zur Verfügung oder wird selbst dort, wo sie bereitgestellt ist, nicht genutzt. Entweder wird mit Inhouse-Lösungen gearbeitet, die über keine Schnittstellen zur zentralen IT-Software verfügen oder es wird händisch mit Zettelkasten wie in preußischen Amtsstuben gearbeitet.
Ähnlich katastrophal ist die Gleichgültigkeit, mit der hingenommen wird, dass Alten- und Pflegeheime bis heute Hotspots der Pandemie sind und Tausende von Menschen dort sterben mussten, obwohl deren weit überdurchschnittliches Gefährdungspotential von Beginn der Pandemie an bekannt war. Statt die betagten Mitbürger (und die dort Beschäftigten) durch zielgenaue Maßnahmen zu schützen, plädieren Abgeordnete wie Karl Lauterbach (SPD) impertinent und penetrant in TV-Talks und Interviews für monatelange Mega-Lockdowns für die gesamte Wirtschaft, die Tausende von selbstständigen Existenzen vernichten und riesige wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Kollateralschäden hervorrufen würde.
Die TV-Leitmedien und Teile der Presse begleiten noch immer erstaunlich obrigkeitshörig die Anordnungen aus der Politik, statt deren fatale Widersprüche zu skandalisieren. Eine Oppositionspartei, die Grünen, scheint sich in Berlin vor allem auf die Rolle in einer schwarz-grünen Bundesregierung vorzubereiten. So auffällig schont sie die Union mit ihrer Corona-Politik. Auch wenn die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten mit ihren aktuellen Beschlüssen in der Dienstagsrunde der Polit-Unke Lauterbach nicht folgten, sondern den bisherigen teilweisen Lockdown „nur“ bis 14. Februar verlängert haben, werden die Auswirkungen gravierend sein.
Wie man Alten- und Pflegeheime durch systematische Tests der Besucher, Beschäftigten und Heimbewohner vor dem Virus recht erfolgreich abschirmen kann, wenn man nur will, hat ausgerechnet ein Grüner Oberbürgermeister in Tübingen vorgemacht. Boris Palmer, von der eigenen Partei geächtet, die ihm bereits die Unterstützung für den Fall einer erneuten OB-Kandidatur versagt hat, punktete damit so stark, dass er heute in den Medien als Experte für eine pragmatische, faktenbasierte und zielgerichtete Corona-Bekämpfung herumgereicht wird.
Inkompetenz dominiert: Ob Warn-App oder Impfstoff-Bestellung
Dass der Datenschutz hochgehalten wird und die Corona-Warn-App deshalb eher das Virus, statt vor dem Virus schützt, ist unglaublich. Stattdessen applaudieren grüne Datenschützer lieber gravierenden Grundrechtseinschränkungen durch die Regierung, die im Lockdown die Bewegungs- oder die Gewerbefreiheit beschränken, als dass sie das Tracking von Bewegungsprofile erlauben, um die Infektionsketten wirkungsvoller nachweisen zu können. Eine merkwürdige Güterabwägung zugunsten des Datenschutzes, aber zu Lasten wichtiger bürgerlicher Grundrechte.
Dabei fanden sich selbst im Nationalen Pandemieplan II, der vom RKI 2012 (!) veröffentlicht wurde und die wissenschaftlichen Grundlagen einer wirksamen Pandemiebekämpfung auflistet, zumindest bereits Hinweise auf die mögliche positive Wirkung eines Mund-Nasen-Schutzes: „Daher können diese Studien am ehesten als Grundlage für Empfehlungen dienen, dass z. B. an besonders dicht bevölkerten Orten (überfüllte Nah-Verkehrsmittel, volle Aufzüge etc.) in der Bevölkerung Masken erwogen werden könnten“ (Pandemieplan II des RKI, S. 93). Acht Jahre später, als der Pandemiefall Deutschland tatsächlich erreichte, war diese Erkenntnis aber in den RKI-Schubladen verstaubt.
Auch die Bestellpraxis der Impfstoffe, die zunächst national geplant, aber dann von der Kanzlerin per Machtwort nach Brüssel delegiert worden ist, belegt doch vor allem bürokratische Ignoranz. Statt die Impfstoffe in großer Menge zu ordern, die damals in der Erprobungsphase die Nase vorn hatten – vor allem Biontech/Pfizer -, wurde auf Druck Frankreichs von der EU auch bei Sanofi bestellt, mit dessen Impfstoff aber wohl erst gegen Jahresende 2021 zu rechnen ist. Angesichts des politischen Alarmismus, der die Corona-Tagespolitik in der EU jetzt seit fast einem Jahr beherrscht, stellt diese Impfstoff-Order der EU-Bürokratie ein verheerendes Zeugnis aus. Dabei soll doch eine möglichst rasche und hohe Durchimpfung der Bevölkerung die Rückkehr zur gewohnten Normalität gewährleisten.
Die Wut bei den Firmeninhabern steigt, weil sie um ihre Existenz fürchten müssen. Die Gehälter für die öffentliche Verwaltung fließen dagegen in voller Höhe wie gewohnt weiter, auch wenn viele Insider Geschichten davon erzählen können, wie sich das Homeoffice auf die Produktivität in den Verwaltungen auswirkt. Es wird weniger gearbeitet, man landet mit seinen Anliegen vor allem auf Anrufbeantwortern oder in der Endlos-Warteschleife. Mail- und Briefpost-Antworten lassen ewig auf sich warten. Wundert sich jemand, dass der Staatsdienst immer mehr Menschen anzieht und die Bereitschaft zur Selbständigkeit auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt ist? Auch das ist langfristig eine bittere Konsequenz der Corona-Politik!