In ihrer demoskopischen Not und angesichts eines Wahljahres mit der EU- und vier Landtagswahlen probiert es die SPD mit einem sozialpolitischen Großfeuerwerk. Millionen Wählerinnen und Wähler, die sie seit 1998 verloren hat, als der Sozialdemokrat Gerhard Schröder den CDU-Ewigkeitskanzler Helmut Kohl ablöste, will sie mit einer sozialstaatlichen Großzügigkeit ködern, die jeder Vernunft und den Fakten Hohn spricht: Massive Aufstockung von Millionen niedriger Renten aus Steuermitteln; eine längere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I für über 50-Jährige; keine Sanktionen mehr bei mangelnder Mitwirkungsbereitschaft von Hartz IV-Beziehern.
Die steigenden Kosten durch die Alterung, die unweigerlich in der nächsten Legislaturperiode auf uns zurollen, wenn die Babyboomer zuhauf aus dem Erwerbsleben ausscheiden? Alles kein Problem! Der Irrsinn der SPD kennt scheinbar keine Grenzen. Aber sind die adressierten Wähler vernünftig? Oder lassen sie sich ein X für ein U vormachen? Kapieren Sie, dass soziale Leistungen des Staates mit Steuern und Abgaben bezahlt werden müssen, die von Abermillionen Bürgern und unzähligen Unternehmen erst erwirtschaftet werden müssen? Und dass viele Begünstigte selbst zu den Zahlmeistern gehören?
Selbst einige Leserreaktionen lassen einen als Autor manchmal ratlos zurück, wenn auf jede Mahnung zur sozialpolitischen Zurückhaltung bei neuen Leistungsversprechen in der Rente oder der Kranken- und Pflegeversicherung der sinngemäße Aufschrei erfolgt: „Bei Zuwanderern sind sie fix, für die Deutschen tun sie nix!“ Auch wenn die Kosten der riesigen Migration in den Jahren 2015 und 2016 immens sind: Mit den (eingesparten) Summen ließe sich trotzdem kein inländisches Schlaraffenland finanzieren. Wer wie die Große Koalition jährlich wiederkehrende Zusatzleistungen in den Sozialversicherungen ins Gesetzblatt schreibt (Mütterrente II oder die doppelte Haltelinie bei Beiträgen und Rentenniveau bis 2025) oder ein teures Baukindergeld auslobt, das voll von den steigenden Immobilienpreisen aufgesogen wird, der muss dem Volk auch die unangenehme Rechnung präsentieren – gut 12 Milliarden Euro, jährlich wiederkehrend und dynamisch aufwachsend. In der Kneipe ist die Ursache-Wirkungs-Kette des Spruchs „Wer bestellt, bezahlt!“ zwar viel einfacher nachvollziehbar als im Verhältnis des Bürgers zum Staat. Doch selbst da gilt, dass auf lange Sicht der Sozialstaat alle zur Kasse bittet.
Gerade die starke Mittelschicht in Deutschland, zu der auch die Industriefacharbeiter zählen, die früher fast automatisch zur SPD-Stammwählerklientel gehörten, spürt die schonungslose Rechnung für die staatlichen Leistungen, mit denen sie beglückt wird, am eigenen Geldbeutel. Denn der Zugriff des Staates kennt viele Stellschrauben: Da ist einmal die progressive Lohn- und Einkommensteuer (samt Solidaritätszuschlag) sowie die Sozialabgaben, die gleich vom Bruttolohn abgezogen und vom Arbeitgeber an den Staat und die Sozialversicherungen weitergeleitet werden. Dann greift der Staat mit der Umsatzsteuer massiv auf den Konsum der Verbraucher zu, die gerade Haushalte mit unterdurchschnittlichen Einkommen überdurchschnittlich belastet. Dass auch die Sozialabgaben als Steuer der kleinen Leute wirken, will ich in Erinnerung rufen. Mit der Mineralölsteuer steht dem Staat buchstäblich eine Quellensteuer an der Zapfsäule zur Verfügung, auf die on top natürlich auch noch die Mehrwertsteuer draufgeschlagen wird. Für die Energiewende bezahlt der Stromkunde eine Ökostromabgabe, die nichts anderes als eine Zusatzsteuer darstellt. Und diese Kostenlitanei lässt sich fast endlos fortsetzen.
Noch nie ist das Volk vom Staat so stark belastet worden wie heute. Wer auf frühere Spitzensteuersätze verweist, die höher lagen als heute, unterschlägt, dass die Einkommen damals viel niedriger waren als heute. Deshalb mussten viel weniger Bürger tatsächlich den Spitzensteuersatz bezahlen, mal ganz abgesehen von den viel großzügigeren Abschreibungs- und Steuersparmodellen der alten Zeit. Wer heute mehr als das 1,6-fache des Durchschnittslohns in der gewerblichen Wirtschaft verdient, bezahlt als Single bereits den Spitzensteuersatz. In den Fünfziger Jahren war man mit dem Spitzensteuersatz konfrontiert, wenn man mehr als das Sechzehnfache (!) des Durchschnittslohns verdiente.
Trotz dieses immensen staatlichen Zugriffs auf die Portemonnaies der Bürger, der längst leistungserdrosselnde Wirkungen entfaltet, scheint die SPD auf die alten Volksbeglückungsarien zu setzen. Denn im Zweifel wählte das Volk nie diejenigen, die fürs Maßhalten plädierten, sondern votierte lieber für mehr Sozialstaat. Dass dieser Sozialstaat noch nie so viel kostete wie heute, wird unterschlagen. Es ist ein geradezu dramatisches Zeichen, dass in den vergangenen fünf Jahren bei guter Konjunktur, sehr geringer Arbeitslosigkeit und hoher Beschäftigungsquote die Ausgaben für Sozialleistungen in Deutschland stärker gestiegen sind als das Bruttoinlandsprodukt. Das lässt nichts Gutes erahnen für einen Abschwung, der dann noch mit dem Zuschnappen der demographischen Falle zusammentreffen könnte.