Tichys Einblick
METZGERS ORDNUNGSRUF 23-2018

Die Generation von Morgen interessiert die SPD nicht

Die jetzige Rentnergeneration wird hofiert, die aktive Generation zahlt die Zeche. Das steckt in Wahrheit im Rentenpaket von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.

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„Die Rente ist ein Kernversprechen des Sozialstaates“, deklamierte der sozialdemokratische Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vorigen Freitag vor der Presse in Berlin, als er sein teures Rentenpaket vorstellte, das während der Sommermonate in die Ressortabstimmung geht und nach der parlamentarischen Sommerpause im Bundeskabinett beschlossen werden soll. O-Ton Heil weiter: „Dieses Versprechen muss jährlich erneuert werden.“ Im Alter abgesichert zu sein, müsse „unserer Gesellschaft für alle Generationen etwas wert sein“. Und schlussendlich, wohl mit Blick auf die AfD: Stabile Renten seien auch ein „Beitrag gegen Populismus und Schutz gegen politischen Radikalismus.“

Dreist und unverfroren macht der zuständige Minister mit seinem Paket aber tatsächlich Front gegen die künftigen Rentnergenerationen. Statt die gesetzliche Rente demographiefest auszugestalten, belastet er allein mit der von der CSU in der Koalition eingeforderten weiteren Erhöhung der Mütterrente das System um jährlich rund 4 Milliarden Euro. Dabei profitieren von diesem späten Erziehungslohn vor allem ältere Mütter mit mehr als zwei Kindern, die oft gut abgesichert sind. Wesentlich kleinere Summen fließen in die weitere Besserstellung Erwerbsunfähiger. Schlussendlich sollen Geringverdiener künftig erst ab 1.300 Euro statt bisher 850 Euro die vollen Rentenbeiträge bezahlen müssen, ohne dass ihre späteren Rentenansprüche geschmälert werden.

SPD kümmert die Rente künftiger Generationen nicht

Vor allem die heutigen Rentner werden von der Politik bedient. Sie stellen das Gros der Wähler bei Union wie SPD. Und weil sich die AfD in der Rentenpolitik programmatisch eher an der Freigebigkeit der Linkspartei orientiert (50% Rentenniveau!), hat Heil erst recht die Chuzpe, seine „Haltelinie“ von 48 Prozent Rentenniveau bis 2025 als Heilsversprechen gegen Rechts zu verkaufen. Die heutigen Beitragszahler dagegen lässt die Bundesregierung die Zeche bezahlen. Denn nach geltendem Recht müsste der gesetzliche Rentenversicherungsbeitrag zum 1. Januar 2018 um 0,3 Prozentpunkte sinken. Doch davon will der Arbeitsminister nichts wissen. Immerhin 3,6 Milliarden Euro im Jahr werden so den beitragszahlender Arbeitnehmern und ihren Arbeitgebern vorenthalten, damit die Bundesregierung ihre Kernwähler bei Laune halten kann.

Überhaupt ist es angesichts der Beschäftigungslage im Land dreist, die Angst vor einem Absinken des Rentenniveaus zu schüren. Denn tatsächlich entwickelte sich das Rentenniveau in den vergangenen Jahren deutlich besser als vorausberechnet. Mit einiger Wahrscheinlichkeit würde es auch im Jahr 2025 kaum unter der mit so viel sozialdemokratischem Tamtam vorgetragenen Haltelinie von 48 Prozent liegen. Voraussetzung allerdings: Die Regierung verzichtete auf die neuen Rentnergeschenke. Da baut eine Regierung eine Haltelinie zu einem Popanz auf, die sie selbst durch ihr eigenes Handeln schleift.

Geschenke jetzt, Reformen später
In der Rentenpolitik spielt die Regierung auf Zeit
Überhaupt das Rentenniveau: Ein Absinken sagt nichts über die Kaufkraft im Alter aus. Prof. Axel Börsch-Supan (Mitglied der Rentenkommission der Bundesregierung) geht von einer weiteren Kaufkraftsteigerung der Renten um etwa 17 Prozent bis zum Jahr 2035 aus. Doch realistische Prognosen von Fachleuten nützen nichts, wenn die große Mehrheit der Wähler der Ansicht ist, dass die Nettorenten in Zukunft sinken. Das ergab eine aktuelle repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. 73 Prozent (!) aller Befragten glauben, dass die Kaufkraft der Renten bis zum Jahr 2035 sinken wird. 40 Prozent befürchten gar einen Kaufkraftverlust von mehr als zehn Prozent. Nur zwei Prozent aller Befragten glauben an eine steigende Kaufkraft von mehr als zehn Prozent. Das politische Dauerbombardement von links, mit dem systematisch die Angst vor Verelendung im Alter geschürt wurde, hat offensichtlich gefruchtet.

Ob die zweite „Haltelinie“ des Hubertus Heil lange Bestand haben wird, sein Beitragsgarantieversprechen von nicht mehr als 20 Prozentpunkten bis zum Jahr 2025, steht für mich auf wackligen Füßen. Abgesehen davon, dass sich Sozialpolitiker bei den Ausgaben gern verrechnen, müssen die Steuerzahler im Bedarfsfall für eine Finanzierungslücke geradestehen. Schon im kommenden Jahr überweist der Bundeshaushalt fast 100 Milliarden Euro an die Rentenkasse, mehr als ein Viertel aller Ausgaben des Bundes. Der Steuerzuschuss deckt rund ein Drittel der monatlich an die Rentner auszubezahlenden Renten. Ob die aktive Generation über Beiträge oder über Steuern für die Rentenversprechen zur Kasse gebeten wird, bleibt sich im Zweifel gleich. Sicher ist nur eines: Der Würgegriff des Staates auf seine Bürger wird weiter wachsen. Erst seit dem 18. Juli, 04.30 Uhr, arbeiten wir für das eigene Portemonnaie, errechnete gerade wieder der Bund der Steuerzahler (BdS). Denn direkte Steuern, Verbrauchssteuern und Sozialabgaben fressen inzwischen mehr als die Hälfte eines verdienten Euro. Gerade mal 45,7 Cent bleiben zur eigenen Verfügung. Doch Entlastungen für die hauptsächlich gerupfte Mittelschicht sind für die Politik ganz offensichtlich tabu.

Ein persönlicher Nachtrag: Als 63-Jähriger verstehe ich die widersprüchliche Haltung vieler älterer Wähler überhaupt nicht. Vom Staat wollen sie bei Renten und Pensionen hofiert werden. Dass die Rechnung dann in Gestalt höherer Beiträge und Steuern vor allem von ihren Kindern und Enkeln zu bezahlen ist, verdrängen sie. Dabei sind die Alten innerfamiliär in der Regel außerordentlich großzügig. Die Eltern finanzieren lange Erst- und manchmal Zweitausbildungen ihrer Kinder. Sie tragen ihr Scherflein zum Eigenkapital bei, wenn diese Wohneigentum erwerben. Großeltern spendieren den Führerschein der Enkel, das erste Auto oder Urlaube mit den Enkeln. Raffke-Mentalität sieht eigentlich anders aus. Doch dass der Griff in die Tasche der nachfolgenden Generationen via staatlicher Umverteilung in Summe eine ähnliche Wirkung entfaltet, bleibt außerhalb des eigenen Horizonts.

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