Auch im Deutschen Bundestag wurde wieder fleißig die Nazi-Keule geschwungen. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland hatte seine Auftaktrede in der traditionellen Generalaussprache zum Haushaltsplan des Kanzleramts nahezu ausschließlich den Folgen der Migrationsthematik und der steigenden kriminellen Auffälligkeit durch Asylbewerber gewidmet. Der gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz setzte mit einer von vielen Abgeordneten anderer Fraktionen mit „standing ovations“ bedachten Philippika den Kontrapunkt zur AfD-Monothematik: „Es ist Zeit, dass sich die Demokratie gegen diese Leute wehrt!“ Wer die Migranten für alles verantwortlich mache, der benütze ein traditionelles Mittel des Faschismus: „Das hatten wir in diesem Haus schon einmal.“
Der gesamte Rest des Bundestags gegen die AfD: Das polarisiert und bestärkt die Protestwähler im Land in der Gewissheit, dass sie mit ihrer Stimme für die AfD dem Establishment am meisten Ärger bereiten. Im Moment belegen die demoskopischen Befunde, dass die AfD nach wie vor von ihrer Monothematik profitiert und in einer Reihe von Bundesländern die einstige Volkspartei SPD klar hinter sich lässt. Doch auf Dauer lebt keine Partei als Protestpartei. Mit der Wählerzustimmung wächst solchen Parteien eine Verantwortung zu, die zu programmatischer Breite und zur Aneignung von Lösungskompetenz zwingt. Gestaltungskraft erlangen ohnehin nur die politischen Kräfte auf Dauer, die auch regierungswillig wie -fähig sind. Wer sich die mühsamen Häutungsprozesse der Grünen vergegenwärtigt, die mehr als ein Jahrzehnt brauchten, um den Antiparteien-Gestus abzustreifen und weniger radikal als pragmatisch zu agieren, versteht diesen Einwand.
Was mich aber zunehmend ärgert, ist die Eindimensionalität des politischen Diskurses im Land. Das Pro und Contra zu den Folgen der Migration wird in den Medien wie in der Politik nahezu hysterisch geführt. Wer kritische Fragen stellt, wird sofort aus dem Kreis der guten Demokraten in die „Schmuddelpartei” AfD ausgegrenzt oder gar offen als Nazi stigmatisiert. Ob wohl wieder mehr Nüchternheit und Rationalität in die politische Debatte einkehren, wenn die beiden Wahlschlachten in Bayern und Hessen im Oktober geschlagen sind? Eines aber ist jetzt schon sicher: Die ungeliebte AfD wird auch die beiden letzten Landtage in München und Wiesbaden erobern.
Dabei braucht Deutschland endlich wieder eine Beschäftigung mit den Themen, die für den künftigen Wohlstand elementar sind. Im „Kampf gegen Rechts“ setzt die Große Koalition, aber auch die Linke und Grüne Opposition, auf mehr Sozialstaat. Obwohl schon heute niemand weiß, wie die wachsenden Ausgaben für Pensionen und Renten, für Krankenversicherung und Pflege in unserer alternden Gesellschaft getragen werden sollen, packt die Politik ständig neue Ausgabenansprüche obendrauf. Statt Investitionsmittel in Bildung und Infrastruktur zu stecken, bläht die Politik den Sozialstaat weiter auf. Doch der Wohlstand der Zukunft fußt auf wirtschaftlicher Prosperität und nicht auf möglichst hohen Sozialtransfers. Deutschland knöpft seinen Bürgern schon heute weltweit mit am meisten Steuern und Sozialabgaben ab. Trotz vielfach ordentlicher Bruttoeinkommen bleibt damit netto für den Vermögensaufbau für sehr viele immer weniger übrig. Diese fatale politische Weichenstellung gehört in den Fokus der gesellschaftspolitischen Debatte. Denn wer in einer alternden Gesellschaft den Vermögensaufbau systematisch verunmöglicht, erntet Altersarmut und sinkenden Wohlstand auch für die aktive Generation. Deshalb: Die Migrationsthematik ist wichtig, darf aber nicht als Vorwand dienen, existenzielle andere Zukunftsfragen von der politischen Agenda zu verdrängen. Den Rat sollten alle politischen Parteien im Land beherzigen.