Helmut Kohl war noch Bundeskanzler, Theo Waigel sein Finanzminister, als Haushaltspolitiker der Grünen im Bundestag – zunächst noch in Bonn, später dann in Berlin in der ersten rot-grünen Bundesregierung – für eine „nachhaltige Finanzpolitik“ stritten, die ihre Lasten nicht mit Krediten den nachfolgenden Generationen aufhalsen dürfe. Als Oskar Lafontaine nach wenigen Monaten unter Gerhard Schröder im April 1999 fluchtartig aus dem Amt des Bundesfinanzministers wich und Hans Eichel ihm nachfolgte, stand die grüne Bundestagsfraktion dem „eisernen Hans“ mit seiner Konsolidierungsstrategie weitaus näher als die eigene SPD-Bundestagsfraktion. Für eine „Schuldenbremse“ nach Schweizer Vorbild im Grundgesetz plädierten Grüne Politiker lange, bevor sie dann 2006 als Produkt einer Föderalismusreform tatsächlich Eingang ins Grundgesetz fand.
Grüne Absage an die Schuldenbremse des Grundgesetzes
Klar und eindeutig bekennt sich das Parteivorsitzenden-Duo Annalena Baerbock und Robert Habeck zur Absage an die Schuldenbremse, die Verfassungsrang hat, im vergangenen Jahr und 2021 aber wegen der Corona-Notlage per Parlamentsbeschluss ausgesetzt wurde. Ab dem kommenden Jahr soll sie wieder greifen, jedenfalls wenn man den Beteuerungen der Union glauben will. In der SPD war diese Ausgabenfessel nie sonderlich populär, in der Linkspartei schon gar nicht. Die Grünen setzen sich mit ihrer eindeutigen Absage an die Schuldenbremse jetzt an die Spitze einer unheiligen rot-rot-grünen Verschuldungs-Allianz, die so gar nicht zur Koketterie des medialen Juste milieu mit einer schwarz-grünen Liaison nach der Bundestagswahl passt.
Die realen Spielräume jeder neuen Regierung sind gering
Wer Adam Riese beherrscht, kann sich ausrechnen, wie gering die Spielräume jeder neuen Bundesregierung nach diesem Herbst sind. Die Grünen umschiffen die Finanzierungsklippe jetzt dadurch, dass sie die Schuldenbremse zur Disposition stellen. So können sie wenigstens so tun, als ob ihr grünes Wolkenkuckucksheim auf Schulden gebaut erstehen kann. Denn ein anderer Finanzierungspfad ist in einem Wahljahr selbst für Grüne Politiker tabu: Seit dem Bundestagswahlkampf 2013, in dem die Grünen zur Finanzierung ihrer Politik zahlreiche Steuererhöhungen in Aussicht stellten, dann aber an der Wahlurne weit unter ihren Umfragen abschnitten, redet die Partei höchstens leise über höhere Steuern. Denn die gut situierten Grünen-Wähler sind gerade beim Thema Steuererhöhungen hochsensibel. Ob ihnen das süße Gift der Staatsverschuldung aber besser schmeckt, wird sich erst noch zeigen. Denn sicher ist nur eines: Die Kosten der Staatsverschuldung bezahlen die Bürger langfristig mit höheren Steuern und Abgaben. Davor sind gerade die gutsituierten Grünen-Wähler nicht gefeit. Weil die Grünen die bestausgebildetsten Wähler aller Parteien haben, müsste denen das allerdings schon heute bewusst sein.