Zum Auftakt der Haushaltswoche des Bundestags präsentierte das Statistische Bundesamt am Dienstag die aktuelle Schuldenstatistik des öffentlichen Gesamthaushalts. Sie dokumentiert, welche brutalen Spuren die Corona-Politik in den Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen hinterlässt. Mit knapp über 2,1 Billionen Euro (2.108.900.000.000) wurde der bisherige absolute Höchststand vom Jahresende 2012 überschritten. Über viele Jahre, in denen die Schuldenregel des Grundgesetzes den Politikern in Bund und Ländern Konsolidierungsfesseln anlegte, reduzierte sich der absolute Schuldenstand fast aller staatlichen Ebenen langsam, aber stetig. Das war vor allem auch am deutlichen Absinken der Schuldenstandsquote ablesbar, die von ihrem Höchststand nach der Finanzkrise 2010 bis zum Ende des Vorjahres von rund 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf knapp 60 Prozent gesunken war.
Doch innerhalb der ersten sechs Monate dieses Jahres explodierten die Staatsschulden infolge des politisch verordneten Lockdowns der Volkswirtschaft im Zuge der Covid 19-Pandemie um unglaubliche 210 Milliarden Euro oder 11,1 Prozent. Vor allem das wirtschaftlich stillgelegte II. Quartal trug mit einem Schulden-Anstieg von gut 153 Milliarden Euro dazu bei. Sehr anschaulich visualisiert die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler, die in Berlin-Mitte in der Reinhardstraße 52 an der Fassade des Bundes der Steuerzahler prangt, wie die Schulden in diesen Zeiten buchstäblich rasen. Pro Sekunde wachsen sie derzeit um 9.849 Euro, pro Stunde um 35,5 Millionen und pro Tag um 850 Millionen. Dabei war diese Schuldenuhr ab 2018 zwei Jahre lang als Folge der Schwarzen Null-Politik des Bundes und der Konsolidierungsanstrengungen der Länder und Kommunen sogar rückwärts gelaufen. Noch im vergangenen Jahr war die Staatsverschuldung um 17 Milliarden Euro oder 0,9 Prozent gesunken.
Konsumausgaben verdrängen Investitionen. Das ist der Preis einer solchen Politik, nicht die als Ursache angeprangerte Austeritätspolitik, die es überhaupt nicht gab. Denn die angeblichen Konsolidierungserfolge waren in Wahrheit vor allem der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zu verdanken. Die Finanzminister und Kämmerer aller staatlichen Ebenen mussten Jahr für Jahr Milliarden um Milliarden weniger an Zinsen an ihre Gläubiger bezahlen. An die ganz große Glocke wurde diese „Spar“-Politik aber nicht gehängt, weil gleichzeitig die Ersparnisse der kleinen Sparer schmolzen wie Butter in der Sonne. Selbst niedrige Inflationsraten bescheren bei Nullzinsen eben reale Verluste. Der Staat „sparte“ zu Lasten seiner Bürger aber nicht nur mit dieser Umverteilung von Privat zu Staat. Nein, er nutzte die günstige Arbeitsmarktlage des vergangenen Jahrzehnts und die daraus resultierenden Steuermehreinnahmen nicht etwa zu einer so notwendigen Steuer- und Abgabenentlastung der Bürger. Noch nie war die Steuer- und Abgabenbelastung in Deutschland höher als im vergangenen Jahr.
Wer die Bundestags-Haushaltsdebatte in dieser Woche verfolgt, kann sich nur wundern, mit welcher nonchalanten Gleichgültigkeit viele Abgeordnete der aktuellen Kreditsucht des Staates begegnen. Manchmal konnte man fast den Eindruck gewinnen, das Covid 19-Virus sei der geradezu willkommene Anlass, um endlich alle Schuldenzügel abzustreifen. Bis auf die FDP und die AfD stellt keine Fraktion im Bundestag überhaupt noch in Frage, dass die grundgesetzliche Schuldenbremse auch im kommenden Jahr erneut ausgesetzt wird. Dabei wies selbst der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, der nächstes Jahr ausscheidende Abgeordnete Eckhard Rehberg, noch vor wenigen Wochen darauf hin, dass diese vom Bundesfinanzminister schon im Sommer apodiktisch verlangte erneute Aussetzung der Schuldenregel des Grundgesetzes, überhaupt „nicht zwingend“ sei. Denn die gut dotierten Rücklagen und hohe Haushaltsausgabereste ermöglichten auch einen Etat unter Einhaltung der Schuldenregel. Doch davon war in dieser Woche bei den beiden Regierungsfraktionen, aber auch bei Grünen und Linken keine Rede. Schließlich ist im kommenden Jahr ein Bundestagswahljahr. Da ziehen Parteien gern die Spendierhosen an. Ohne Schuldenregel lässt sich Volksbeglückungspolitik kurzfristig leichter gestalten – allerdings um den Preis finanzpolitischer Solidität und vor allem zu Lasten der jungen Generation.