Seit Januar dieses Jahres gelten in der EU verschärfte Emissionsgrenzwerte für Kraftfahrzeuge. Richtwert ist ein CO2-Ausstoss von 95 g/km, der allerdings gewichtsnivelliert wird um das Gewicht und die Stückzahl aller verkauften Autos eines Herstellers. Weil ab kommenden Jahr bei der Überschreitung der herstellerspezifischen Grenzwerte ihrer gesamten Flotte hohe Strafzahlungen fällig sind, die pro Gramm Grenzwertüberschreitung 95 Euro pro verkauftem Fahrzeug ausmachen, zeigt die Januar-Zulassungsstatistik, wie die Autokonzerne jetzt vorsorglich ihre Absatzzahlen frisieren.
Während im Dezember noch in großem Stil sportliche Geländewagen (SUV) mit Tages- und Eigenzulassungen in den Markt gedrückt wurden, um die eigene CO2-Bilanz ab dem Jahr 2020 nicht zu belasten, sind im Januar durch gewerbliche Zulassungen, wohl vor allem Eigenzulassungen der Hersteller, die Absatzzahlen von reinen Elektrofahrzeugen und von Plug-in-Hybriden förmlich explodiert. In Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien, den fünf größten westeuropäischen Märkten, hat sich der Absatz reiner E-PKWs im Januar mehr als verdoppelt, der von Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen gar mehr als verdreifacht. Und das in einem Umfeld, in dem sich der gesamte Kraftfahrzeugabsatz gegenüber dem Januar 2019 um 7,5 Prozent reduziert hat.
Nicht die Konsumenten haben den Nachfrageschub ausgelöst, sondern die Autokonzerne, die mit Hilfe der Nullemissions-Boni, die EU-Europa für reine Elektrofahrzeuge bietet, ihre Flottenverbräuche nach unten drücken wollen. Ein Elektroauto mit Nullemission auf dem Papier wird laut EU-Verordnung wie zwei Fahrzeuge gezählt. Auch für Plug-in-Hybride gelten erhebliche Boni. Dabei ist das ökologische Augenwischerei, weil allgemein bekannt sein müsste, dass der Strom aus der Steckdose alles andere als CO2-frei ist und allein die energieaufwendige Batterieproduktion einen CO2-Ausstoss produziert, der erst nach einer Fahrleistung von rund 100.000 km gegenüber einem Diesel-Verbrenner kompensiert ist.
14,5 Milliarden Euro Strafzahlungen drohen den Autokonzernen
Für die Hersteller geht es um große Summen, die ab kommenden Jahr als Strafzahlungen an die EU drohen. Die Unternehmensberatung PA Consulting hat berechnet, welche Summen auf einzelne Hersteller zukommen könnten, sollten die Emissionsgrenzwerte überschritten werden. Für den VW-Konzern drohen laut PA Consulting bis zu 4,5 Milliarden Euro im kommenden Jahr, sollte die Grenzwertüberschreitung bei den prognostizierten 12,5 Gramm CO2 pro Fahrzeug liegen. Die hohen Verkaufszahlen treiben beim VW-Konzern die Strafzahlungen auf dieses hohe Niveau. Daimler könnten für eine prognostizierte Überschreitung von 11 Gramm CO2 pro Fahrzeug Strafzahlungen von 997 Millionen Euro treffen, BMW müsste für eine Überschreitung von 7,6 Gramm CO2 pro Fahrzeug mit einer Strafzahlung von 754 Millionen Euro rechnen. Insgesamt prognostiziert PA Consulting für die 13 führenden Autohersteller in Europa eine Strafsumme von rund 14,5 Milliarden Euro im kommenden Jahr, die aufgrund der Absatzzahlen und Grenzwertüberschreitungen im Jahr 2020 erstmals fällig würde.
Allerdings haben die Autokonzerne noch viele Möglichkeiten, ihre Emissionen und damit ihre Strafzahlungen zu reduzieren. Sie könnten mit Preisnachlässen Elektrofahrzeuge in die Märkte drücken oder Servicedienstleistungen zur Steigerung der emissionsarmen Fahrzeugnutzung pushen. Um die EU-Emissionsvorgaben bis 2021 zu erreichen, müssten Europas Autohersteller bis 2021 noch mehr als 2,5 Millionen (!) Elektrofahrzeuge verkaufen. Das entspräche einer Steigerungsrate von 1.300 Prozent binnen eines Jahres. Ob da die Konsumenten wohl mitspielen? Und noch ein kleiner, aber wichtiger Hinweis: Auch Strafzahlungen und Verkaufsförderprogramme der Hersteller zahlen am Ende immer die Kunden.
Die Autofahrer werden doppelt abkassiert
Wie streng die EU-Vorgaben für Neufahrzeuge sind, mag jeder Leser am Verbrauch seines heutigen Fahrzeugs ablesen, das in aller Regel ein Auto mit Verbrennungsmotor sein dürfte. Ein Liter Benzin verbrennt zu 2,33 Kilogramm CO2, ein Liter Diesel zu 2,64 Kilogramm CO2. Deshalb entspricht der aktuelle EU-Grenzwert von 95g CO2/km einem durchschnittlichen Verbrauch von 3,6 Liter Diesel bzw. 4,1 Liter Benzin pro 100 Kilometer. Geht man von einer durchschnittlichen Lebensdauer und Fahrleistung eines Autos von 200.000 Kilometern in etwa 12 bis 15 Jahren aus, dann führt ein Gramm CO2-Grenzwertüberschreitung zu einmaligen Kosten beim Hersteller von 95 Euro. Für 200 kg CO2-Mehrausstoss im Autolebenszyklus bedeutet das einen CO2-Preis pro Tonne von 475 Euro. Das ist mehr als stattlich, zumal im Vergleich zu den CO2-Preisen, die für andere Branchen gelten. Dabei ist die ökologische Lenkungswirkung vergleichsweise gering, weil die vielen Millionen Bestandsfahrzeuge außen vor bleiben. Allerdings bezahlen alle Autofahrer beim Tanken über die Energiesteuer ohnehin eine sehr hohe CO2-Abgabe. Bei einem Diesel-PKW beträgt die Energiesteuer 47 Cent je Liter, bei einem Benziner sind es 65 Cent pro Liter. Dazu kommt jeweils noch die gesetzliche Mehrwertsteuer von 19 Prozent. Umgerechnet auf den CO2-Austoss pro Tonne zahlen wir beim Tanken als Diesel-Fahrer 211 Euro an den Finanzminister, als Benzin-Kraftfahrzeughalter sogar 329 Euro.
Würde die deutsche Politik im Verkehrsbereich synthetische Kraftstoffe fördern und kluge Beimischungsregelungen forcieren, ließe sich der CO2-Ausstoss im Gesamtfahrzeugbestand mit deutlich weniger finanziellem Aufwand bewerkstelligen. Und der Verbrennungsmotor wäre kein Auslaufmodell, der auf dem Altar einer vermeintlich klimaneutralen E-Mobilität geopfert würde.