Tichys Einblick
METZGERS ORDNUNGSRUF 25-2021

Absurdes Theater: Die EU genehmigt, was Deutschland selbst bezahlt

Die EU-Kommission „genehmigt“ den deutschen Wiederaufbauplan über 25,6 Milliarden Euro. Dass Deutschland netto rund 66 Milliarden einzahlt, unterschlägt Ursula von der Leyen.

Ursula von der Leyen. Präsidentin der Europäischen Kommission

IMAGO / Hartenfelser

Wie dreist die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angebliche EU-Gaben an Deutschland vermarktet, wurde vor wenigen Wochen deutlich, als sie an der Seite von Angela Merkel, ihrer Chefin in ihrer Zeit als Bundesministerin, in Berlin verkündete: „Die Europäische Kommission hat heute grünes Licht für den deutschen Wiederaufbauplan gegeben. 25,6 Mrd. Euro werden dadurch nach Deutschland fließen.“ Freundliche Worte fand sie für die von der Bundesregierung geplanten Absichten, vor allem in Digitalisierung und nachhaltige Projekte zu investieren. Mehr als die Hälfte der Milliardensumme soll in die Digitalisierung fließen: „Damit liegt Deutschland europaweit an der Spitze“, so von der Leyen.

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Was weder von der Leyen noch die Kanzlerin vor der Hauptstadtpresse erwähnten, war die deutsche Spitzenposition als Nettozahler des gigantischen EU-Wiederaufbaufonds, mit dem angeblich die Folgen der Corona-Pandemie bewältigt werden sollen. Von den PR-Strategen in Brüssel inzwischen euphemistisch als „Next Generation EU“ (NGEU) tituliert, wurde von der EU-Kommission im vergangenen Jahr ein 750-Milliarden-Euro-Paket (zu Preisen von 2018) geschnürt, das zu heutigen Preisen bereits ein Volumen von 800 Mrd. umfasst. Nach den Berechnungen, die der Bundesrechnungshof (BRH) bereits im März dieses Jahres vorlegte, zahlt Deutschland als größter Nettozahler rund 66 Mrd. Euro in diesen NGEU-Topf. Laut BRH steht Deutschland für die Rückzahlung des erstmals per gemeinsamer Kreditaufnahme der EU finanzierten Wiederaufbaufonds mit rund 94 Mrd. Euro gerade, bekommt davon rund 28 Mrd. Euro als „Zuschuss“ zurück. Nach den endgültigen Zahlen der EU sind es jetzt knapp 26 Milliarden „Zuschuss“, die sich Deutschland von Brüssel genehmigen lassen musste. Denn auch die deutsche Regierung hatte der EU-Kommission ein Ausgabenprogramm zu präsentieren, um zu belegen, ob sie diese Gelder programmgemäß verwenden will.

Michael Rasch, Frankfurter Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung, bringt diese Absurdität in der NZZ auf den Punkt: „Deutschland muss Verwendung eigener Gelder legitimieren.“ Vom ursprünglichen 750-Milliarden-Volumen sind 390 Mrd. als Geschenke, sprich „Zuschüsse“, geplant, die von allen EU-Staaten gemeinsam über den EU-Haushalt finanziert werden. 360 Mrd. sollen als rückzahlbare Kredite im Rahmen unterschiedlicher Programme an die EU-Mitgliedstaaten fließen. Die Kredit-Tilgung erfolgt durch die jeweiligen Empfängerländer. Da Zuschüsse und Kreditrückzahlungsbeträge für die EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich hoch sind und sich gegenseitig zum Teil kompensieren, errechnen sich für das NGEU-Programm insgesamt schuldenfinanzierte Transfers von rund 145 Mrd. Euro. Rasch rechnet vor, dass sich die eigentlichen „Zuschüsse“ (sprich Geschenke) von 390 Mrd. Euro in der Praxis auf Zuschüsse über 145 Mrd. Euro für die Nettoempfänger saldieren, die von den Nettogebern bezahlt werden. 16 Nettoempfänger-Ländern (vor allem Spanien und Italien) stehen 11 Nettozahler-Länder (vor allem Deutschland) gegenüber. Die 145 Mrd. Euro entsprechen weniger als 40 Prozent der Ausgangssumme. Raschs Schlussfolgerung: „Viel ehrlicher und transparenter wäre es, wenn die Geber einfach die 145 Mrd. Euro bereitstellen würden, ohne einen absurd wirkenden Ein- und Auszahlungsmechanismus.“

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Ursula von der Leyen tourte in den vergangenen Wochen durch Europas Hauptstädte und vermarktete sich als großzügige Tante, die überall mit Milliarden-Schecks winkte. Zu Risiken und Nebenwirkungen der mit gemeinsamen EU-Krediten finanzierten Großzügigkeit war von ihr nichts zu hören. Die skizzierte der Bundesrechnungshof dafür bereits im März dieses Jahres mehr als deutlich:

“Schwerer wiegen jedoch die langfristigen Risiken im Zusammenhang mit der gemeinschaftlichen Kreditaufnahme. Denn der Wiederaufbaufonds höhlt das Prinzip der Eigenverantwortung aus. Zudem eröffnet das bereits beschlossene enorme Garantievolumen den Mitgliedstaaten einen Weg, auf EU-Ebene – unter Umgehung der Fiskalregeln – Schulden aufzunehmen und sich diese Mittel über EU-Programme als Zuschüsse zuzuweisen. Hinzu tritt ein Haftungsregime, das national orientierte Politiken befördern könnte. Insgesamt besteht die Gefahr, dass mit dem Wiederaufbaufonds ein Weg eingeschlagen wird, der die Europäische Union als Rechts- und Solidargemeinschaft schwächen und damit langfristig den Wesenskern sowie die Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion gefährden könnte.“

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