Tichys Einblick
SPD

Zwei Bad Finger kandidieren für den Vorsitz

Zeit ist vergänglich und das Gedächtnis ist kurz – vor allem das öffentliche, journalistische und besonders das öffentlich-rechtliche. Gerade jetzt, wo es doch um die solidarische Aktion geht „Rettet die untergehende SPD“.

ODD ANDERSEN,JOHN MACDOUGALL/AFP/Getty Images

Inzwischen finden sich in den Reihen der Sozialdemokraten Kandidaten bereit, das wohl letzte Himmelfahrtskommando an der Parteispitze zu übernehmen. Ausgerechnet der aggressive Parteilinke Ralf Stegner (59) und die ergraute Präsidenten-Kandidatin Gesine Schwan (76) versuchen sich als Bewerber-Duo für den Basisentscheid Mitte Oktober. 156 Jahre ist die SPD alt, auf 135 bringen es beide Kandidaten zusammen. Die politische Konkurrenz jedenfalls würde das SPD-Experten-Doppel S+S mit so viel Vergangenheit und Affären freuen.

Denn da war doch was mit Stegner und Schwan

Das mürrische Nordlicht Ralf Stegner gilt ohnehin in SPD-Kreisen als Bad Finger. Auf deutsch würde man sagen, schmutziger Parteifunktionär, der gerne intrigiert und auch durchsticht. „Seine Sprüche holen Stegner – fast 38.000 (!) abgesetzte Kurznachrichten bei Twitter – regelmäßig ein.“ Da er genauso regelmäßig daneben liegt, berichtete die Bild-Zeitung unter der Schlagzeile „Der Grokotz“, wie die SPD-Bundesfraktion ihr Neu-Mitglied sieht.

Das Subversive steckt irgendwie in Stegners Naturell. Schon in der Barschel-Affäre spielte der schleswig-holsteinische Sozi eine sehr zwielichtige Rolle.

Der Medienreferent Reiner Pfeiffer von CDU-Ministerpräsident Uwe Barschel hatte 1987 anonym dessen damaligen SPD-Herausforderer Björn Engholm wegen Steuerhinterziehung angezeigt und ihm eine angebliche HIV-Infektion angedichtet. Barschel hatte zwar später auf einer Pressekonferenz sein Ehrenwort gegeben, nichts von den Machenschaften seines Medienberaters Reiner Pfeiffer gewusst zu haben. Doch am 11. Oktober 1987 wurde der inzwischen zurückgetretene Ministerpräsident dann im Genfer Hotel „Beau Rivage“ tot in seiner Badewanne aufgefunden. Ob es Suizid oder Mord war, scheint bis heute nicht geklärt.

Ministeriumssprecher Stegner als SPD-Affären-Verklärer

Sechs Jahre später aber stürzte dann auch Barschels Opfer Björn Engholm als SPD-Vorsitzender über seine eigenen Lügen im Barschel-Skandal. Denn der damalige SPD-Landesvorsitzende Günther Jansen gestand eine Verantwortung für Zahlungen an den politischen Doppelagenten Reiner Pfeiffer. Schön nachzulesen in der FAZ vom 22.03.2005 unter dem Motto „Barschel aus der Grube“.

Schließlich hatte Engholms SPD im Norden sehr viel früher von Pfeiffers Umtrieben gewusst und sie ausgenutzt. Jansen wollte für Barschels „Mann fürs Grobe“ aus Mitgefühl in seiner Schublade ungefähr 40.000 Mark gesammelt haben. Jansens Sprecher im Sozialministerium war seinerzeit der ebenso umtriebige Ralf Stegner. Als im Jahr 1993 dann die Opfer-Legende von der Barschel-Affäre zusammenbrach, tauchte Jansen schnell ab. „Stegner koordinierte jedoch seine Außenkontakte und impfte zugleich die aus der ganzen Republik anreisenden Journalisten mit bewegenden Geschichten über Jansens gutes Herz und seine Taten.“ Stegner behauptete, er handele ausdrücklich gegen Jansens Willen und dessen eingewurzelte Bescheidenheit, wenn er diese Geschichten verbreite. „Er halte das aber für angemessen, um das an sich Unglaubwürdige plausibel zu machen“, beschrieb die FAZ seinerzeit Stegners zwielichtige Rolle in der Barschel-Affäre.

Niemand hat die Absicht, der Heide-Mörder zu sein

Obendrein galt Stegner parteiintern wie oppositionsseitig in der Gerüchteküche als sogenannter „Heide-Mörder“, weil er womöglich als Schleswig-Holsteins Finanzminister bei der Wiederwahl von Ministerpräsidentin Heide Simonis 2005 in vier Wahlgängen ihr die Stimme verweigert hätte. Angeblich habe sich Stegner Hoffnungen auf die Simonis-Nachfolge gemacht. Er selbst bestritt solche Verdächtigungen stets vehement.

Die FAZ berichtete jedoch: „Ein Grund wird gewesen sein, dass die SPD nach dem vierten unentschiedenen Wahlgang beim Wissenschaftlichen Dienst des Landtags hatte anfragen lassen, ob die Möglichkeit bestünde, mit einem neuen Kandidaten in den fünften Wahlgang zu gehen, so dass in diesem Fall ebenfalls die einfache Mehrheit der Stimmen für den Wahlsieg genügen würde.“ Angeblich, so würde in den Fraktionen der Opposition erzählt, war als dieser Kandidat Stegner ins Spiel gebracht worden, getreu der Grundsatzfrage „Cui bono“- wem nützt es? Erst sechs Wochen später, am 27. April 2005, wurde dann nicht Stegner, sondern Peter Harry Carstensen (CDU) schließlich zum Ministerpräsidenten einer Großen Koalition aus CDU und SPD gewählt.

Mit seinem stramm linken Sozi-Kurs ist Stegner weder beim Koalitionspartner Union noch bei anderen möglichen Partnern sonderlich beliebt – im Gegenteil. FDP-Vize Wolfgang Kubicki hatte Stegner sogar zwischenzeitlich einmal auch als „Erdogan der SPD“ bezeichnet, aber diese Äußerung später wieder zurückgenommen. Jedoch blieb Kubicki im Mai 2017 bei seinem Urteil: Unter Stegners Führung seien bei den letzten drei Landtagswahlen die jeweils schlechtesten Ergebnisse für die SPD Schleswig-Holstein seit mehr als 60 Jahren erzielt worden. Ja, und solche Fähigkeiten zeichnen heute einen künftigen SPD-Vorsitzenden aus.

Schwanen-Gesang: Gute Preise, gute Besserung mit Ratiopharm

Gleich zwei Mal scheiterte auch Stegners künftiger Compagnon Gesine Schwan schon im ersten Wahlgang bei der Wahl zum Bundespräsidenten 2004 und 2009. Die langjährige Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Fankfurt/Oder (1999-2008) und Marxismus-Expertin schreitet immer gerne sehr moralisch voran. Wenn es aber um ihre eigenen Interessen wie die Gründung (2009) ihrer erfolglosen Hochschule Humboldt-Viadrina School of Governance geht, schöpft die gewiefte Professorin selbst Methoden im Graubereich des Legalen aus. Schwan musste hier als Präsidentin am 1. Juni 2014 Insolvenzantrag stellen und ihren Lehrbetrieb einstellen. Doch zuvor versuchte sie, als Chefin der staatlichen Viadrina zwielichtig Geld zu sammeln.

So deckte die Wirtschaftswoche am 24. Mai 2008 Schwans „Dubiose Spendenwerbung bei Ratiopharm“ auf. Der Wiwo-Vorwurf damals: „Gesine Schwan, Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder und mögliche SPD-Kandidatin für die Wahl zum Bundespräsidentenamt, hat beim Pharmakonzern Ratiopharm um eine Spende geworben und gleichzeitig eine Imageverbesserung des Unternehmens in Aussicht gestellt.“

Unsittlicher Antrag – Dienstleistung oder Spende?

Für eine Sozialdemokratin ist das schon eine harte Dosis Skrupellosigkeit. Denn Professorin Schwan habe dem Medikamenten-Hersteller angeboten, gemeinsam mit ihrem Ehemann Peter Eigen, Beirat im Antikorruptionsverein Transparency International, bei Ratiopharm eine ethisch saubere Unternehmenskultur zu installieren, berichtete die Wiwo. In diesem Kontext legte sie Ratiopharm nahe, eine Viadrina-nahe Einrichtung mit einem „nennenswerten Betrag“ zu unterstützen. Dies empfand der damalige Ratiopharm-Chef Philipp Merckle als „Koppelung“ zwischen Dienstleistung und Spende. Schwan wies dies zwar als „Fehlinterpretation“ zurück.

Doch die Wirtschaftswoche legte einen entsprechenden Briefwechsel zwischen Schwan und Ratiopharm-Geschäftsführer Gerd Lehmann vor. In dem Schreiben vom 20. Juni 2007 bot Frau Professor auf dem Briefpapier der Europa-Universität Viadrina dem Arzneimittelhersteller an: „Wir (Anmerk. d. Red.: Damit meint Schwan sich und ihren Ehemann) könnten Sie dabei unterstützen, saubere Mitstreiter zu finden und ein System der good governance und eines öffentlich transparenten ‚Code of Conduct‘ zu stärken, das Ihnen eine uneingeschränkte Glaubwürdigkeit verschafft, die sie jetzt nicht haben.“

Netter Versuch: 20.000 Euro für die eigene Uni-Gründung

Schon im nächsten Satz schlug Marxismus-Expertin Schwan Ratiopharm vor, die Humboldt-Viadrina School of Governance (HVSG) in Berlin mit einem „nennenswerten Betrag“ zu unterstützen. Schwan schwebte dabei ein Betrag von mehr als 20 000 Euro vor, wie aus ihrer damaligen Stellungnahme gegenüber der Wirtschaftswoche hervorgeht.

Gemäß Steuer- und Gemeinnützigkeitsrecht ist es aber fragwürdig, Spenden in den direkten Zusammenhang von Dienstleistungen zu stellen. In derartigen Fällen hingegen ist der Abschluss einer vertraglich sauberen Dienstleistungsvereinbarung üblich. Schwan erklärte dem Magazin, eine solch klare Einordnung über eine Rechnung oder ein klar definiertes Forschungsprojekt „wäre selbstverständlich auch erfolgt, wenn eine Kooperation zustande gekommen wäre“.

Dubios erschien der Wiwo damals auch eine Finanztransaktion Schwans: Nach eigenen Angaben überwies die Universitäts-Präsidentin am 23. Mai 2007 von einem Konto der Europa-Universität Viadrina, „auf der die von mir eingeworbenen Spendengelder liegen“, 5.000 Euro an das von ihrem Ehemann gegründete Berlin Civil Society Center. Da diese Organisation aber zu dem Zeitpunkt laut Schwan „noch kein eigenes Konto besaß“, habe sie das Geld „vorübergehend auf das Konto von EITI“ überwiesen. Das Kürzel steht für Extractive Industries Transparency Initiative.

EITI wollte Regierungen von Ländern, in denen Bodenschätze abgebaut werden, zu Transparenz zwingen. Gründer auch des EITI war Schwans Ehemann Peter Eigen. Schwan hält die Überweisung für zulässig, da die HVSG „auf eine enge Kooperation mit der organisierten Zivilgesellschaft angelegt ist“. Daher, so Schwan zur Wiwo, „entsprach die Überweisung voll den Aufgaben und Vorhaben des HVSG Projekts und ist somit gerechtfertigt.“

Vielleicht braucht Schwan bald wieder windige Argumente, um nicht nur Familien-Geschäfte zu erklären. Denn warum sollen ausgerechnet Schwan und Stegner, zwei Kandidaten im Zwielicht, die SPD vor dem Untergang bewahren?

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