Vor allem der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Paladine wollen sich nach den jüngsten Wahlverlusten der Union jetzt erst recht an den Klimazug der Grünen dranhängen. Die Ökos sind ohnehin ihr Lieblingskoalitionspartner. Auch wenn die Grünen bei einem Scheitern der großen Koalition nicht als Regierungspartner einspringen würden, weil sie sich von Neuwahlen mehr Mandate im Bundestag versprechen, würde Merkel mit einer Minderheitsregierung solange weiter machen, wie es geht, heißt es in Unionskreisen. Die Kanzlerin klebe eben am Sessel der Macht.
Ohnehin war Merkel im EU-Wahlkampf vorsorglich abgetaucht. Die Hauptverantwortung für die Blamage mit dem historischen Tiefstand von 28,9 Prozent für CDU und CSU sollten ihr Blitzableiter, die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sowie CSU-Spitzenkandidat Manfred Weber tragen.
Selbst an der CSU-Spitze verliert man kein Wort über Merkels Versagen. Man gibt sich schwankend. So muss Landesgruppenchef Alexander Dobrindt jetzt den Weichspülkurs von Parteichef Markus Söder als Erfolg verkaufen. „Wenn Klimawandel bei Wählern oben auf der Agenda steht, muss der auch bei der Politik ganz oben stehen,“ verkündet Dobrindt. Aber: „Wir werden die Grünen nicht kopieren.“ Wie das Kunststück gelingen soll, weiß nur die CSU-Führung allein. Schließlich räumt Landesgruppenchef Dobrindt ein: „Bei den Landtagswahlen im Herbst wird Klimawandel nicht das Thema sein, um AfD-Wähler für die Mitte der Politik zurück zu gewinnen.“
Der Widerstand in der Union formiert sich
Besonnene Christdemokraten und Christsoziale warnen deswegen vehement davor, den Ökos hinterher zu laufen und eine zweite grüne Partei zu werden.
Der frühere Bundesminister und Wirtschaftsexperte Peter Ramsauer (CSU) stellt klar: „Ein Kurs, jetzt die Union zum Beiboot der Grünen umzurüsten, wird schrecklich scheitern. Der Bürger wählt lieber das Original und nicht die Kopie.“ So könne die Union nicht mehr über die 30-Prozentmarke im Bund kommen.
Die Union habe eine viel wichtigere Aufgabe. „Sie muss sich endlich um den Wirtschaftsstandort Deutschland und Jobs kümmern. Denn der Abschwung ist in Sicht. Obendrein wird Deutschland für ausländische Investoren immer unattraktiver. Es gibt zu viele Vorschriften, zu hohe Arbeitskosten, Energiepreise und Steuern.“ Auch eine CO2-Steuer wäre Gift für die Konjunktur.
Fraktionsvorstandsmitglied Axel Fischer (CDU) analysiert die Gründe für die dürftigen Ergebnisse seiner Truppe: „Die EU-Wahl ist Ergebnis eines inhaltsleeren Wahlkampfs. Wenn wir keine Themen setzen, machen es eben andere.“
Laut CDU-Bundestagsabgeordnetem Fischer aus Karlsruhe müsse die Union Themen vorantreiben wie Steuersenkungen, nachhaltige Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die Union steuere das Verkehrs- und Wirtschaftsministerium. Sie könne damit die Infrastruktur mit Straßen, Schienen und Digitalnetzen modernisieren und ausbauen sowie den Wirtschaftsstandort stärken. Der 53-Jährige Fischer mahnt: „Nicht Minderheiten dürften im Blickpunkt der Union stehen, sondern die Mitte der Gesellschaft, die Mehrheit der hart arbeitenden Menschen.“
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion Arnold Vaatz (CDU) sieht die EU-Wahlergebnisse völlig falsch interpretiert. Er befürchtet daher: „Die CDU scheint entschlossen zu sein, sich noch mehr grünen Themen zu zuwenden, als das bisher schon der Fall war.“ Aus Sicht des sächsischen Bundestagsabgeordneten gehe der Kurswechsel im Wesentlichen von westdeutschen Abgeordneten aus. Die meisten Ostabgeordneten hingegen halten diesen Kurs für den Osten und die kommenden Landtagswahlen im Herbst falsch. Vaatz warnt daher: „Die bereits in Gang gekommene Abwendung vieler traditioneller CDU-Wähler könnte in diesem Fall weiter zu nehmen.“ Es sei aber auch eine Illusion, dass ein CDU-Kurswechsel Richtung Grüne der Union im Westen Stimmenzuwächse brächte. Im Gegenteil: Die Grünen würden dadurch nur stärker.
Denn die Gesellschaft bleibe tief gespalten. Der Westen sei in einen Aktionismus verfallen mit dem Glauben, dass man von Deutschland aus das Weltklima retten könnte. Der Osten besitze dagegen einen realistischen Blick: „Viele energiepolitischen Entscheidungen waren irrational wie der Kernenergieausstieg, das wettbewerbsfeindliche EEG, der Elektroauto-Hype und die Diskussion über die Einführung einer CO2-Steuer.“ Das alles gefährde nur die Zukunft Deutschlands und der nächsten Generationen.
Oder auch Patrick Sensburg (CDU) aus dem Hochsauerlandkreis. Der 47-Jährige NRW-Bundestagsabgeordnete argumentiert: „Die Union darf jetzt nicht den Grünen hinterherlaufen!“ Themen wie Umwelt, Landwirtschaft und Bewahrung der Schöpfung könne man auch ohne Grüne gestalten. Vor allem die Schöpfung ist ein ureigenes Unionsthema. Sensburg betont: „Der Mensch darf nicht einer grünen Ideologie unterworfen werden. Denn es gibt nicht nur Windräder, sondern auch den Menschen. Und Windräder gehören Menschen nicht vor die Nase gesetzt!“
Keine „Vergrünung der Parteienlandschaft“!
Selbst Sachsens FDP-Generalsekretär Torsten Herbst warnt vor einer „Vergrünung der Parteienlandschaft“. Die FDP müsse zu den bevorstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen „ein klares wirtschafts- und finanzpolitisches Profil“ zeigen. Deutschland brauche ein Energiekonzept mit Vernunft und bezahlbare Energie – statt teure Ideologie. Der sächsische Bundestagsabgeordnete fordert: „Die FDP muss klare Kante gegen den Greta-Wahn zeigen.“ Denn alle wollten den Grünen jetzt nachlaufen, statt eigene Konzepte anzubieten. Die Grünen seien jedoch „Illusionskünstler“: „Deren Klimaschutz ist für die meisten Bürger viel zu teuer und auf lange Sicht für die Mittelschicht kaum noch bezahlbar.“ Herbst mahnt: „Grüne Politik kostet Jobs, das muss jeder wissen.“