Was würden Sie sagen, wenn Sie künftig nur mit einem Impfpass um den Hals ein Konzert oder Fußballspiel besuchen dürften? Ach was, so etwas gibt’s doch nur in dystopischen Romanen.
Weit gefehlt. Der Eintrittskartenmonopolist CTS Eventim hat dafür sogar schon einen Plan. Konzernchef Klaus-Peter Schulenberg will Tickets für Bundesliga, Konzerte und alle anderen Veranstaltungen nur noch an Geimpfte verkaufen. „Wenn es genug Impfstoff gibt und jeder sich impfen lassen kann, dann sollten privatwirtschaftliche Veranstalter auch die Möglichkeit haben, eine Impfung zur Zugangsvoraussetzung für Veranstaltungen zu machen“, tönt Schulenberg dieser Tage in der Wirtschaftswoche. Weil das keine dystopische Idee ist, sondern reales Vorhaben, hat sein Konzern mit der technischen Umsetzung bereits begonnen. „Wir haben unsere Systeme so eingerichtet, dass sie auch Impfausweise lesen können,“ berichtet Schulenberg stolz.
Mit einer unsolidarischen Spaltung der Gesellschaft und dem Veranstaltungshunger von Fußball- und Konzertfans also will Eventim-Chef Schulenberg nach einer Lockdown-Durststrecke jetzt wieder Geschäfte machen.
Dabei ist Klaus-Peter Schulenberg durch den Verkauf von Tickets zu einem der reichsten Deutschen geworden, wie das Manager-Magazin schrieb. Selbst im Pkw-Mautgeschäft wollte er mitmischen. Die Maut sollte Eventim im Joint Venture mit der österreichischen Firma Kapsch erheben und kontrollieren. Am 18. Juni 2019 kippte der EuGH jedoch das Projekt von Bundeserkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der dann die Verträge mit den Betreibern kündigte. Natürlich ließ Schulenburg gleich seine Ansprüche an den Bund hochrechnen. Kappsch und Eventim fordern 560 Millionen Euro als Schadensersatz.
Die Bevölkerung mit indirekter Impfpflicht spalten
Schulenberg will jetzt zusätzlich mit seinem Vorschlag die Bevölkerung in Geimpfte und Nicht-Geimpfte spalten und viele Millionen Menschen in Deutschland diskriminieren. Eintrittskarten nur bei Vorlage des Impfausweises, darauf hätten vor über 30 Jahren nur kommunistische Regierungen aus den Ost-Blockstaaten kommen können. Doch selbst sie hätten so etwas angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage und Stimmung in der Bevölkerung des sozialistischen Lagers kaum gewagt, weil sie Unruhen befürchtet hätten.
Viele Künstler und Sportvereine machen sich im Übrigen schon von dem Kartenvertriebsmonopolisten abhängig. Es wäre zu wünschen, dass die Kultur- und Sportbranche, die unter dem Lockdown fast zwei Jahre leiden wird, jetzt angesichts solch diskriminierender Pläne einmal über unabhängige Vertriebswege für ihre Veranstaltungskarten nachdenkt – jenseits von Eventim.
Zumindest gibt es einige Klardenker in der Kulturbranche: Der Veranstalter S-Promotion, der unter anderem mit dem Berliner Komiker Mario Barth und den Zauberkünstlern Ehrlich Brothers zusammenarbeitet, verurteilt den Eventim-Vorschlag. Es handele sich um eine „Impfpflicht für Konzertbesucher“, stellt das Unternehmen klipp und klar. Das sei ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot. „Wir distanzieren uns ganz klar von dieser absurden Idee“, erklärt Geschäftsführer Stefan Schornstein. Richtig so.
Auch für die Kinos ist der Eventim-Vorstoß aus Sicht von Christian Bräuer, dem Vorsitzenden der AG Kino, nicht vorstellbar. Die Frage stelle sich auch noch gar nicht, weil viel zu wenige Menschen geimpft seien.
Hinzu kommt: Die Impfstoffe wirken aller Voraussicht nach bestenfalls nur zu 90 Prozent, und bei Virus-Mutationen sinkt ihre Wirkung womöglich sogar auf 70 Prozent. Vieles ist zudem noch nicht erforscht, wie zum Beispiel, ob ein Geimpfter nicht dennoch das Virus weiterverbreiten kann. Viele Menschen können vielleicht gar nicht geimpft werden, weil sie den Impfstoff (Risiken und Nebenwirkungen siehe Beipackzettel) aus gesundheitlichen Gründen nicht vertragen oder ihn besser nicht bekommen dürfen. Die Liste dafür ist noch viel länger. Ohnehin gibt es außer bei Masern keine allgemeine Impfpflicht.
Kanzlerin Merkel scheint wohl der Ideengeber
Offensichtlich hat erst Bundeskanzlerin Angela Merkel den Eventim-Chef auf seine absurde Idee gebracht. Die CDU-Regierungschefin orakelte zu Wochenbeginn über Privilegien für Geimpfte. Mit seinem Vorstoß hat Eventim nun die Diskussion dazu befeuert. Ausgelöst hat sie jedoch Merkel mit ihrer Bemerkung am Dienstagabend in der ARD-Sendung „Farbe bekennen“. Mit Blick auf Menschen, die sich später bei ausreichendem Impfangebot nicht immunisieren lassen wollen, drohte Merkel: „Dann muss man vielleicht schon solche Unterschiede machen und sagen: Ok, wer das nicht möchte, der kann vielleicht auch bestimmte Dinge nicht machen.“
Mit ihrem pseudodemokratischen Mantra – „Das Virus ist eine demokratische Zumutung“ – deckt Merkel die Abschaffung von Teilen demokratischer Grundrechte und Freiheiten zu.
Denn „Kanzlerin gnadenlos“ bleibt weiter stur, egal wie tief das Leben und Arbeiten in unserer Volkswirtschaft noch absinkt: Ohne Impfungen werde es „keine neuen Freiheiten geben.“ Und ihr Zögling CSU-Ministerpräsident Markus Söder droht im Gleichgang den Corona-Frustrierten: „Von Lockerungen sind wir weit weg.“
Wenigstens die FDP in Person des bayerischen Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Martin Hagen, hat dazu einen kurzen lichten Moment. Er kontert Merkel sofort auf Twitter: „‘Es wird keine neuen Freiheiten geben‘, hat Angela Merkel heute gesagt. Also mir würden die alten ja schon genügen…“ Recht hat er.