Ein früher besonders treuer Anhänger der Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht unter Korruptionsverdacht. Die Hand seiner früheren Chefin kann den Thüringer CDU-Landespartei- und Fraktionsvorsitzenden Mario Voigt nun nicht mehr schützen. Der gebürtige Jenaer gehörte obendrein zu den engsten Vertrauten des früheren CDU-Generalsekretärs Paul Ziemiak.
Zur Erinnerung: Kanzlerin Angela Merkel forderte im Februar 2020 auf einer Auslandsreise in einem undemokratischen Akt, die Wahl eines bürgerlichen FDP-Ministerpräsidenten in Thüringen mit ungewollten AfD-Stimmen müsse rückgängig gemacht werden. CDU und FDP folgten der Kanzleranweisung zur Freude der Wahlverlierer von Linkspartei, SPD und Grünen in Erfurt. Der heutige Thüringer CDU-Vorsitzende Voigt hält bisher im Auftrag seiner Ex-Kanzlerin die rot-rot-grüne Minderheitsregierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) mit den Stimmen seiner Fraktion im Amt. Ein CDU-Spitzenpolitiker sichert somit ausgerechnet einem Regierungschef der SED-Nachfolger den Machterhalt.
Fahnder ermitteln gegen Mario Voigt in Brüssel
Wer weiß, wie lange noch: Belgische Ermittler und Beamte des Thüringer Landeskriminalamtes (LKA) haben am Dienstag die Zentrale der Europäischen Volkspartei (EVP) in Brüssel durchsucht. Belgien leistet damit Rechtshilfe für deutsche Fahnder.
Justiz- und Polizeibehörden ermittelten gegen Thüringer CDU-Landeschef wegen Bestechlichkeit. Bereits im Oktober 2022 durchsuchten Fahnder Wohn- und Geschäftsräume von Mario Voigt. Der Thüringer Landtag hatte auf Antrag der Staatsanwaltschaft Erfurt im September 2022 Voigts Immunität als Abgeordneter aufgehoben.
Warum fahnden Brüsseler Polizei und Thüringer LKA gemeinsam?
Laut MDR und Euraktiv sind an diesem Dienstag um neun Uhr Fahnder der belgischen Police Fédéral in Zivilfahrzeugen in der Rue du Commerce Nr. 10 vorgefahren. Ihr Ziel war die Parteizentrale der Europäischen Volkspartei (EVP) in Brüssel. Das Machtzentrum der größten Fraktion im Europaparlament mit ihrem Vorsitzenden Manfred Weber an der Spitze. Warum?
Im Brennpunkt der Ermittler steht Voigt, der während des Europawahlkampfs 2019 der digitale Wahlkampfmanager von EVP-Chef Manfred Weber war. Weber soll 2019 den damaligen Thüringer CDU-Landtagsabgeordneten Voigt extra nach Brüssel geholt haben. Es ging ihm um den EVP-Wahlkampf für das Europa-Parlament. Weber brauchte einen Profi für eine digitale EVP-Kampagne im Internet und Voigt hatte als Professor für Digitale Transformation und Politik Firmen an der Hand.
Korrupt oder unschuldig?, ist die brennende Frage
Voigts inzwischen vier Jahre zurückliegendes, fragwürdiges Brüsseler Engagement hatte schon vor einem halben Jahr in Erfurt für landespolitische Schlagzeilen gesorgt. Seit September 2022 ermittelt die Korruptionsabteilung der Staatsanwaltschaft Erfurt gegen Voigt wegen des Verdachts der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr.
Die Ermittlungen drehen sich um die Vergabe des Auftrags für die digitale Kampagne an ein Jenaer Unternehmen. Die Staatsanwaltschaft geht dem Verdacht nach, dass Voigt Geld von genau diesem Unternehmen überwiesen bekommen haben soll, nachdem die Firma diesen Auftrag für den Internetwahlkampf von der EVP erhalten hatte. Daraus leitet die Staatsanwaltschaft den Korruptionsvorwurf gegen Voigt ab.
Der verdächtigte Voigt, für den noch die Unschuldsvermutung gilt, hatte diesen Vorwurf bisher immer zurückgewiesen. Seine Strafverteidiger versichern pflichtgemäß: „Unser Mandant hat sich nichts zu Schulden kommen lassen.“
Doch das hält Polizei und Staatsanwaltschaft nicht ab. Jetzt geht es bei den Ermittlungen darum, wie lang Voigt überhaupt für die EVP tätig war und wie viel Geld er im Laufe dieser Zeit eingenommen haben könnte.
Bis heute ist der 46-jährige Thüringer CDU-Chef mit der Brüsseler EVP sehr gut vernetzt. Voigt soll auch persönliche Beziehungen zu Udo Zolleis pflegen, dem derzeitigen Leiter der EVP-Strategieabteilung und rechten Hand von Fraktionschef Weber. „Diese Geschichte wird Weber teuer zu stehen kommen“, befürchten EVP-Mitarbeiter laut Medien-Berichten. Denn die Razzia gegen Voigt in der EVP-Zentrale sorgt derweil für Frustration im Mitte-Rechts-Lager. Eine nächste Woche in Warschau geplante Sitzung des EVP-Präsidiums wurde wegen der Polizei-Razzia jetzt kurz vor Ostern abgesagt.
„Weber hat ihn in den Wahlkampf geholt, es war seine persönliche Wahl“, raunt man in Kreisen der EVP-Fraktion des EU-Parlaments. „Nichts konnte ohne Voigts grünes Licht während der Vorwahlkampagne durchgehen.“
Wird jetzt auch noch der CDU-Bundestagswahlkampf überprüft?
Doch damit nicht genug. Der Fall kann sich nach Informationen von Tichys Einblick sogar wieder auf Deutschland ausweiten. Laut Insidern aus dem Konrad-Adenauer-Haus könnte Voigt womöglich mit der gleichen Methode, gegen die gerade die Behörden ermitteln, auch beim Bundestagswahlkampf 2017 für die CDU tätig gewesen sein. Einerseits könnte er wohl erneut als CDU-Berater aufgetreten sein und zugleich seine Werbefirma aus Jena mit involviert haben.
Dabei würde es womöglich um Aufträge in der Zeit von 2017 bis 2021 für die Berliner CDU-Zentrale gehen. Es soll die gleiche Firma sein, wegen der die Staatsanwaltschaft gegen Voigt im Fall EVP/Brüssel ermittelt. Behörden haben dort den Verdacht, dass er bei der digitalen Wahlkampfkampagne, womöglich für dieselbe Leistung doppelt Honorare bezogen hat. Doch auch hier gilt bislang die Unschuldsvermutung, solange die Ermittler die Fakten erst zusammentragen.