Tichys Einblick
CDU-Bundesparteitag

Merkel hat Merz zur Strecke gebracht

Die große Jagd aus dem Kanzleramt gegen den Favoriten der Mitgliederbasis, den bürgerlichen Bewerber Friedrich Merz, war erfolgreich. Der Weiter-so-Kandidat der Regierungschefin wird neuer CDU-Vorsitzender. Sein Name ist Armin Laschet.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Christlich sind im Wesentlichen bei der Multikulti-C-Partei meist nur noch die aufgezeichneten bischöflichen Botschaften, die auch grünen Parteibuchträgern sehr gefallen könnten.

Ungewollt komisch erklärt dabei Heiner Koch, Erzbischof von Berlin, sogar, was viele Bürger und CDU-Mitglieder an der Basis von Angela Merkels Regierungsweise halten: „So weiß sich die Bundeskanzlerin von einer Schar von Dienerinnen und Dienern umgeben, die sich sogar als solche – als Minister – bezeichnen.“ Genau darum geht es seit Jahrzehnten in der CDU: Angela Merkel zu dienen vom Minister bis zum Kreisvorsitzenden und dem CDU-Chef. So wie in den Tagen vor dem Bundeskonvent, als die Kanzlerin zur großen Jagd gegen ihren Intimfeind Friedrich Merz ins Horn stieß. Denn für die eigentliche und heimliche Parteichefin durfte Merz nicht CDU-Vorsitzender werden. Merkel hat ihn jetzt zum zweiten Mal zur Strecke gebracht.

Die Kanzlerin hat sich tags zuvor in ihrem Grußwort indirekt, aber deutlich für Kandidat Armin Laschet ausgesprochen. So gewinnt dann der NRW-Regierungschef den digitalen Entscheid um den CDU-Vorsitz gegen Ex-Bundestagsfraktionschef Friedrich Merz im 2. Wahlgang mit 521 Ja-Stimmen von 991 angemeldeten Delegierten. Merz erhält nur 466 Ja-Stimmen und damit weniger als bei seinem ersten Versuch vor zwei Jahren auf dem Hamburger Parteitag, wo er Annegret Kramp-Karrenbauer mit 482 Ja-Stimmen unterlag. Außenpolitiker Norbert Röttgen als dritter Kandidat erhält im ersten Wahlgang 224 Ja-Stimmen, Merz 385 und Laschet 380 (siehe Grafik).

Die Botschaft des Berliner Wahlparteitages an die Wähler lautet ganz deutlich: „Weiter so“ mit der Merkel-Politik in Deutschland und Europa. Der Kanzlerwahlverein CDU und seine delegierten Funktionäre folgen der Kanzlerin und nicht dem Wunsch der Mitgliederbasis. Nun will Laschet quasi im Merkel-Auftrag dafür sorgen, dass die Union bei der kommenden Bundestagswahl wieder den Kanzler stellt. Doch: „Wer von Schwarz-Grün träumt, wacht unter Grün-Schwarz auf,“ warnt CDU-Fraktionsvorstand Axel Fischer.

Vorstellung mit Inszenierung, Nüchternheit und Plattitüden

Vor dem digitalen Wahlakt läuft die Vorstellungsrunde der drei Kandidaten. Als erster darf NRW-Ministerpräsident Armin Laschet sich virtuell den Delegierten präsentieren. Schon in seinem Wahltrailer verbreitet der 59-jährige aus Aachen Plattitüden. Er wolle Stadt und Land, Jung und Alt, Ökologie und Ökonomie verbinden. Gähn.

Mit Weisheiten seines Vaters, eines Bergmanns, spannt Laschet den Bogen seiner Rede, denn unter Tage käme es auf Vertrauen an. Gleich danach verurteilt er in einer emotionalen Rede den Lieblingsfeind des linken Mainstreams – Donald Trump. Ein US-Präsident, der die Seele Amerikas vergiftet habe, weil nun das Capitol gestürmt wurde. Er beschwört solche Gefahren für Deutschland und warnt selbstverständlich vor Reichskriegsflaggen. „Wir lassen uns unser Land von Rechtsterroristen und geistigen Brandstiftern nicht kaputtmachen.“ Man dürfe nicht glauben, dass das in Deutschland nicht auch passieren könne. Sozialdemokraten, Grüne und SED-Erben würden im Bundestag heftig Beifall klatschen. Hysterischer geht es nicht.

Dafür setzt Laschet wie Merkel weiter auf labbrige Kompromisse, statt eigene Positionen, besonders wenn er höre: „Man muss auch polarisieren können – nein, muss man nicht!“ Damit teilt er gegen Merz aus. Harmoniesoße statt klare Kante ist Laschets Programm. Er will lieber weiter-merkeln: „Das Weiter so, das wir brauchen, ist eben die Kontinuität des Erfolgs.“

Zum Schluss wird er persönlich: „Ich bin nicht der Mann der perfekten Inszenierung, aber ich bin Armin Laschet.“ Ja, und dann inszeniert er sich wie auf einem Bergmannstag. Laschet greift in seine Hosentasche, holt die Erkennungsmarke seines Vaters aus seiner Zeit als Bergmann hervor, wo ja unter Tage vor allem Vertrauen gilt. Den habe ihn sein Vater als Glücksbringer mitgegeben, mit den Worten: „Sag den Leuten, sie können dir vertrauen.“ Es gehe wie jetzt um die für die Demokratie wichtigste Frage: „Wem vertrauen?“ Na, wenn das keine perfekte Inszenierung ist, was dann?

Nüchterner erzählt Friedrich Merz seine Vorstellungsgeschichte. In einer inhaltlich konkreten, aber nicht sehr leidenschaftlichen Rede lobt Friedrich Merz zunächst die Form des virtuellen Parteitags: „So geht Digitalisierung.“ Anders als Laschet formuliert er die Sorgen der Bürger. Familien seien hoch belastet, Unternehmen stünden am Rande der Existenz, Krankenhäuser und Pflegeheime arbeiten am Anschlag – kurz eine Gesellschaft im Ausnahmezustand. Er bietet dafür eine Alternative zu Merkels und Söders Corona-Furcht an: Man könne vor Angst auf die nächste Woche oder mit Mut in die Zukunft schauen. Denn: „Die Welt geht morgen nicht unter.“

Merz spricht konkret aus, was viele von Merkels grüner Energiepolitik halten: Mit Wind und Sonne allein werde der Energiebedarf nicht zu decken sein. Und: Es dürfe keine linke Mehrheit in diesem Land geben. Der AfD schwört er lieber vorsorglich ab: „Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben“ – in keinem Landtag, nicht im Bundestag, noch im Europa-Parlament. Genützt hat das wohl nicht.

Norbert Röttgen hingegen lädt alle ein auf einen gemeinsamen Weg der Allgemeinplätze. „Es geht um die Zukunft der CDU.“ Oder: „Ich möchte, dass die CDU die Partei der Zukunftskompetenz wird.“ Oder: „Auch wir haben Veränderungsbedarf“ Oder: „Wir müssen jünger, weiblicher und digitaler werden.“ Oder: „Wir müssen nach vorne und Angebote machen.“ Oder: „Wir werden in Deutschland gebraucht.“ Ja, und die Erde ist rund. Mehr Pillepalle geht nicht. Ach so, er kann und möchte natürlich integrieren. So viel heiße Luft reicht immerhin für 224 Stimmen.

In der anschließenden kurzen Fragerunde der Delegierten blamiert sich dann noch Laschets Kumpel, Gesundheitsminister Jens Spahn. Statt eine Frage zu stellen, hielt er eine Werberede für seinen Team-Partner. Eine Antwort fragen, kommt auf Parteitagen meist gar nicht gut an. Das brachte Spahn mit nur 589-Ja-Stimmen und deutlichem Abstand zu Volker Bouffier (806), Julia Klöckner (787), Silvia Breher (777) und Strobl (670) das schlechteste Stellvertreter-Ergebnis ein.

Zum Start verbreitet Merkel Werbebotschaft für Laschet

„Auf sie ist Verlass“, kündigt Generalsekretär Paul Ziemiak lobpreisend am Abend zuvor, die aus dem Kanzleramt zum Parteitag zugeschaltete Angela Merkel an. Es sei wohl ihr letzter Parteitag als Bundeskanzlerin, beginnt die angeblich Verlässliche ihr Grußwort mit einer frohen Botschaft für viele. Dann trägt sie rückblickend Erfolge ihrer Arbeit aus ihrer Sicht vor. Sie und die CDU führen Deutschland aus jeder Krise. „Wir trauen jedem Einzelnen etwas zu“, fabuliert Merkel. Deswegen wohl will sie jetzt dem Land und seinen Menschen den totalen Corona-Lockdown aufzwingen.

Eigenverantwortung wird für sie offensichtlich überbewertet. Am Ende fordert sie die Delegierten noch auf, den richtigen, also ihren Kandidaten zu wählen: „Ich wünsche mir, dass ein Team gewählt wird, das die Geschicke unserer Volkspartei in die Hand nimmt.“ Das war die klare Werbebotschaft für ihren ungeliebten Favoriten. Laschet tritt ausdrücklich als Team mit Gesundheitsminister Jens Spahn an. Und Merkel will Merz um jeden Preis verhindern.

Markus Söder – ich, einfach unverbesserlich!

Für alle Zweifler an Intrigen hat die Union zwischendurch noch einen Hammer-Slogan parat: „Wenn’s drauf ankommt: CDU.“

Grußredner CSU-Chef Markus Söder verbreitet dann noch Worte zur unverbrüchlichen Freundschaft und Zusammenarbeit in der Union. Es seien drei sehr gute Kandidaten und er könne mit allen „super zusammenarbeiten“, erklärt der Kanzler-Kandidat in eigener Sache. Dann folgt noch wie üblich bei Supi-Söder wieder eine Portion Pandemie-Grusel. Corona verändere mehr als wir denken. Und natürlich gibt’s noch ein „persönliches Dankeschön“ an die Bundeskanzlerin. Denn: „Sie ist diejenige, die die Fäden zusammenhält.“ Na, wie wunderbar.

Aber dann wird Supi-Söder noch mal kess. Ob er denn eine CDU-Tasse auf seinem Tisch hätte, fragt Generalsekretär Ziemiak zum Schluss den Freund origineller Kaffeetassen. Das nicht: „Aber wenn ein Angebot der CDU an mich kommt, dann werden wir das natürlich entsprechend gewichten,“ erwidert ein in seine eigenen Gags verliebter Söder. Damit schillert die Ansage für den neuen CDU-Chef glasklar durch: Ich, einfach unverbesserlich Söder spiele bei der Kanzlerkandidatur ganz vorn mit. Na Supi.

AKK-Abschied mit Geständnis – ich konnte es nicht

Was passiert anfangs noch in den Messehallen von Berlin? Ganz in Magenta-Farben gehüllt hält die erfolgloseste und gescheiterte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) ihre letzte Eröffnungsrede eines Parteitags zumindest mit dem selbstkritischen Resumee – ich konnte es nicht. Der Rest ist kaum erwähnenswert genauso wenig wie ihre zweijährige Amtszeit: „Statt Präsenz und Nähe, halten wir Abstand“, es gehe wie immer „um Zukunft“ und die „Versöhnung von CDU und CSU“. Natürlich kann die Union alles – vor allem in der Corona-Krise entgegen aller Fake-News. Wenigstens gibt Kramp-Karrenbauer noch ihre Unfähigkeit im Handeln bei der Thüringen-Wahl im Oktober 2019 zu, die ihre Vorgängerin Merkel dann im Nachhinein undemokratisch revidiert hat. Dennoch ist AKK zum Schluss Dank und Anerkennung der CDU-Granden gewiss. Der Zuschauer muss sich nach soviel Lob fragen, warum macht sie eigentlich nicht weiter?

Was die Parteibasis will, ist Merkel und ihren Dienern egal

Die wahre Stimmung an der Basis ist den Herrschenden im Kanzleramt und in der Bundesparteizentrale offensichtlich egal. Angela Merkels „Demokratischer Zentralismus“ – von oben nach unten durchzuregieren, 40 Jahre erprobt in der DDR – zertrümmert letztlich die Volkspartei CDU. Jeder Parteiaustritt eines konservativen Merz-Anhängers scheint nach dem Sieg für Merkels Laschet der heimlichen Vorsitzenden willkommen, umso stromlinienförmiger und folgsamer wird eine schrumpfende CDU-Mitgliedschaft. Wenn die Querulanten erst einmal weg sind, regiert es sich noch ungenierter. Die Talfahrt hat schließlich unter Merkels Herrschaft rasant an Tempo zugelegt. Seit 1999 sinkt die Mitgliederzahl von rund 617.000 auf heute 2021 nur noch etwa 400.000 Parteibuchträger dramatisch.

Selbst Hessens Regierungschef Volker Bouffier hat sich im einst konservativen CDU-Landesverband nicht für Merz, sondern für Merkels Laschet ausgesprochen. Bouffiers Basis wünscht sich jedoch das Gegenteil, wie selbst Abstimmungsergebnisse kurz vor dem Parteitag in einer eher linkstickenden Großstadt Frankfurt am Main zeigen:

Wie Merkel ist die Basismeinung auch Bouffier egal. Schließlich regieren sie das Volk nach dem Motto: Wir bestimmen, ihr folgt.

Mit Vernunft und Eigenverantwortung macht man beim Gros der deutschen Wähler leider keine Punkte. Im Gegenteil, wer dieses Volk gnadenlos quält, wird dafür von der mitlaufenden Masse auch noch belohnt. CSU-Lautsprecher Söder, Bayerns Regierungschef mit höchsten Infektionszahlen, kann sich mit seiner weitgehend erfolglosen Corona-Politik der Härte an einem Umfrage-Hoch erfreuen. Als Wunschkanzler sehen Demoskopen den Ministerpräsidenten derzeit sogar an der Spitze – siehe Grafik.

Hier kann der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet einfach nicht mithalten. Denn das ZDF-Politbarometer springt dem selbstverliebten CSU-Helden ebenso wie den Kandidaten von SPD und Grünen mit der Botschaft über das CDU-Trio zur Seite: „Keiner hat das Zeug zum Kanzler.“

Selbst die Anhänger von CDU und CSU sprächen Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen mehrheitlich die Kanzlerfähigkeit ab – vor allem aber dem NRW-Regierungschef und neuen CDU-Vorsteher, der abgeschlagen sogar noch hinter Grünen-Chef Robert Habeck liegt. Wenigstens bestätigt die Umfrage die wahre Stimmungslage fern vom Funktionärsparteitag in der CDU: Bei der Frage, wem man am ehesten zutraue, die CDU erfolgreich in die Zukunft zu führen, liege Merz bei den CDU/CSU-Anhängern mit 37 Prozent vorne. Ihm folgten Röttgen mit 26 Prozent und Laschet mit 25 Prozent. Aber solche Umfragen sind den Funktionären auf dem CDU-Parteitag völlig egal.

Welche Rolle wird also der neunte Vorsitzende nach dem Totalausfall von Annegret Kramp-Karrenbauer an der CDU-Spitze einnehmen? Ganz einfach: Einer willigen Merkel-Hilfskraft folgt nun die nächste – sein Name lautet Armin Laschet.

Wer immer noch nicht glaubt, dass die CDU jetzt wieder super dasteht, für den hat Senioren-Union-Chef Otto Wulff noch einen Brüller parat. Wie sieht denn die CDU nach Merkel und Kramp-Karrenbauer aus?, wird er im Phönix-TV-Gespräch gefragt. Der Zustand der Partei sei normal, „wir gehen mit großem Optimismus in die Zukunft“, glaubt der Veteran. Na, dann gute Reise und viel Vergnügen bei den kommenden Wahlen.

Anzeige
Die mobile Version verlassen