Tichys Einblick
Nach Bund-Länder-Runde

Mit Voll-Gas vor die Wand

Mit einem bürokratischen Monster, das sich Gaspreisbremse nennt, versuchen Bund und Länder zu retten, was zu retten ist. Irgendwie sollen die Bürger für das politische Versagen bei der sicheren Energieversorgung entlastet werden – aber mit hochkomplizierten Berechnungen für Millionen Kunden und Versorger.

Pressekonferenz nach den Bund-Länder-Gesprächen, Stephan Weil, Ministerpräsident Niedersachsen, Bundeskanzler Olaf Scholz, Hendrik Wüst, Ministerpräsident Nordrhein-Westfalen, Berlin, 02.11.2022

IMAGO / Bernd Elmenthaler

Erst am frühen Abend einigen sich die Regierenden beim Feilschen um Energie und Entlastungen nach mitverursachten Belastungen auf einen Kompromiss. Gas- und Strompreise sollen gebremst werden. Der Bund zahlt das meiste, die Länder folgen.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte die Ministerpräsidenten zum Bund-Länder-Treffen im krisengeschütteltsten Deutschland aller Zeiten ins Berliner Kanzleramt geladen. Als Geschenk gibt’s vor allem für die Grünen noch ein 49-Euro-Ticket ab 1. Januar 2023 für interessierte Reisende am Nahverkehr obendrauf. Noch mehr Milliarden an die Länder für Flüchtlinge beschließen die Regierenden „selbstverständlich“ auch noch. Millionen oder Milliarden spielen dabei keine Rolle.

"Doppelwumms" beschlossen
Bund und Länder einigen sich auf Gas- und Strompreisbremse
„Diese drei Entlastungsbremsen kommen jetzt – Gas, Fernwärme und Strom“, verkündet Scholz nach dem Treffen im Kanzleramt. Doch statt einfacher Lösungen mit schnellen Steuererleichterungen oder Einmalzahlungen, versuchen sich die Bundes- und Landesregierungen mit einem extra bürokratischen Gaspreisbremsen-Modell durch die Energiekrise zu wursteln.

Nichtsdestotrotz: Der Bund führt vom 1. März 2023 bis April 2024 eine Preisbremse für Gas und Fernwärme ein. Bei Gas soll es eine Preisobergrenze von maximal 12 Cent je Kilowattstunde für private Haushalte geben. Geschätztes Finanzvolumen nur hier angeblich zwei Milliarden Euro. Doch das Gesamtpaket für Bürger und Wirtschaft ist hundert Mal so groß: „200 Milliarden neuer Schulden zur Subventionierung dieser Preise sind ein Wort“, rechtfertigt Scholz die ausufernden Kosten.

Selbstverständlich müssen Besserverdienende die spätestens ab März geplante zweite Stufe der Entlastung versteuern. Hier gilt wie immer – teile und herrsche. Die Mitte darf die Rechnung bezahlen und unten natürlich kaum einer. Also ist eine Deckelung des Basiskontingents von 80 Prozent eines Jahresverbrauchs auf einen Kilowattstundenpreis von zwölf Cent vorgesehen. Wer mehr als 75.000 Euro im Jahr verdient, muss auf den Vorteil Steuern zahlen.

Obendrein jedoch müssen die Gasverträge von allen 20 Millionen Kunden individuell überprüft werden. Denn für das Basiskontigent soll die Berechnung der durchschnittlichen Abschläge von Oktober 2021 bis September 2022 als Jahresverbrauchsprognose zu Grunde liegen. Der Hokuspokus ist kompliziert: Der Bund nimmt ein Zwölftel der Jahresverbrauchsprognose, die der Abschlagszahlung im September 2022 zugrunde liegt, multipliziert dies mit dem Kilowattstundenpreis im Dezember 2022 und addiert noch ein Zwölftel des Jahresbruttogrundpreises Stand September. So „einfach“ sieht die angeblich unbürokratische Soforthilfe für Gaskunden aus.

Die Bundesregierung strebt bei der Gaspreisbremse jetzt eine rückwirkende Entlastung zum 1. Februar an. Dabei haben die Versorger gewarnt, eine Gaspreisbremse sei vor März nicht zu schaffen – eben wegen der ungeheuren Bürokratie. Selbst der Stadtwerkeverband VKU mahnt, eine Einführung der Strompreisbremse zum 1. Januar sei nicht umsetzbar. „Diese Ankündigung hat bei denen, die es umsetzen sollen, helles Entsetzen ausgelöst“, stellt Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing klar. Obendrein gebe es kein Regelwerk oder gar fertige IT-Lösungen.

Wer kann sich so ein irres und enorm aufwendiges System überhaupt ausdenken? Funktionäre, Experten und hochrangige Ministeriale der Ampelregierung von SPD, FDP und Grünen, aber auch der Landesregierungen. Wie hoch sind hierfür eigentlich die Verwaltungskosten? Treibt die Rechnerei aufgrund des Aufwands die Preise weiter hoch? Gibt es überhaupt genug Mitarbeiter bei den Versorgern, die das alles ausrechnen können?

Auch für Vermieter wird es schlimm: Die Entlastung soll der Vermieter an seine Mieter mit der Betriebskostenabrechnung für 2022 weitergeben. Mieter, die seit dem Frühjahr 2022 bereits erhöhte Betriebskostenvorauszahlungen leisten, sollen im Dezember von der Pflicht zur Leistung des Erhöhungsbetrages befreit werden. Einmalzahlungen für die Mieter soll es schon ab Dezember geben, wenn es die Ampel-Regierung auf die Reihe bekommt.

Komplizierter geht es nicht. So makaber es ist, aber im Kreml lacht man sich über diese deutsche Energienot-Bürokratie schlapp. Damit nicht genug: Trotz Bedenken einiger Energieversorger hält die Ampelregierung auch an der Strompreisbremse ab Januar fest. Diese sieht für Haushalte einen maximalen Kilowattstundenpreis von 40 Cent für ein Basiskontingent von 80 Prozent vor. Neukunden müssen derzeit für Strom meist deutlich über 60 Cent zahlen.

Deutschland – das Land der Billionen Euro Schulden

Letztlich sollen die milliardenschweren Entlastungen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds finanziert werden, so die offizielle Lesart. Was aber nichts anderes heißt, als immer weiter neue Schulden zu machen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) steht ohnehin schon mit seiner Finanzpolitik längst als unerreichter Herr der Schulden da: 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung der Bundeswehr hier, 95 Milliarden Euro für drei Hilfspakete dort – und noch einen „Doppel-Wumms“ von 200 Milliarden hinterher. Und jetzt noch der Knaller mit der Gas- und Strompreisbremse. Bald eine halbe Billion feuert die Ampel unter Verantwortung von Bundeskassenwart Lindner für eine verfehlte Bundespolitik auf Kosten von Bürgern und kommender Generationen hinaus. Sie lässt Geld drucken, bis die Walzen glühen und die Schuldenberge wachsen.

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Hinzu kommen noch die dreistelligen Bazooka-Milliarden des früheren Bundeskassenwarts Olaf Scholz (SPD). Die Schuldensumme hat laut seinem Bundesfinanzministerium damals mit Stand vom 24. März 2021 bereits unglaubliche 1,32 Billionen Euro erreicht. Heute im ersten Halbjahr stiegen die Staatsschulden Deutschlands auf sage und schreibe 2,34 Billionen Euro. Das ist ein Plus von einer Billion und ein Ende ist nicht in Sicht. Dagegen war die deutsche Einheit mit einer Billion D-Mark ein Schnäppchen – zumal sie im Laufe der Jahre viel Geld zurückerwirtschaftet hat.

Obwohl mit Milliarden um sich geworfen wird, geht es auch noch ungerecht zu. Millionen Kunden mit Öltanks, Kohle- oder Pelletheizungen gehen leer aus. Der Brikettpreis hat sich verdreifacht und außerdem gibt es flächendeckend keine mehr zu kaufen. Holzpellets haben sich auch fast verdreifacht. Eine Tonne kostete im Oktober 2021 rund 248 Euro und dieses Jahr schon 744 Euro. Auch für Verbraucher mit Ölheizungen sind die Preise drastisch gestiegen. Laut Statistischem Bundesamt lag der durchschnittliche Literpreis für leichtes Heizöl im Januar 2022 bei 87,7 Cent, während er im September 150,9 Cent betrug. Das entspricht einer Steigerung von circa 72 Prozent. Für Ölheizungsbesitzer gibt es bestenfalls eine nebulöse Härtefall-Möglichkeit.

Aber diese „Klimaschädlinge“ sollen wohl aus Sicht der Grünen ruhig draufzahlen und sich Wärmepumpen anschaffen mit Strom, den Kern- und Kohlekraftwerke nicht mehr produzieren.
Dabei gibt es immer noch viele Altbestände mit Ölheizungen. Vor allem in den Bergen oder auf dem Land heizt man mangels Gasleitungen mit Öl und Holz. So wurden laut offiziellen Zahlen 2020 bundesweit 25 Prozent der Wohnungen mit Öl geheizt, in 49,5 Prozent der Wohnung kam Gas zum Einsatz.

Der Irrsinn im grünen Reich kennt jedoch keine Grenzen. Nur noch Galgenhumor kann nachdenkende Menschen vor dem Wahnsinn retten. Der Kabarettist Uwe Steimle, vom MDR mit Bann belegt und ausgegrenzt, bringt es in seinem aktuellen Bühnenprogramm mit seiner Hundepuppe äußerst witzig auf den Punkt:

„Pass’nse off, spätestens wenn das grüne Reich die ganze Energiepolitik in diesem Land vor die Wand gefahren hat, dann fällt auch die Ampel aus. Und wenn die Ampel ausfällt, dann gilt wieder rechts vor links.“

Es besteht also noch Hoffnung – wenigstens in der Humorzone.


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