Tichys Einblick
CDU-Vorsitz nach Mitgliederwunsch

Friedrich Merz siegt schon im 1. Wahlgang klar

Der große Erfolg der Basis wird jedoch getrübt. Intrigen laufen weiter gegen den Parteichef in spe. Die Anhänger von Angela Merkel wollen Merz mit ihrem Personal lebendig einmauern, um den grünen Parteikurs im Sinne ihrer Altkanzlerin zu zementieren.

IMAGO / Reiner Zensen

Mit gut 62 Prozent kann sich Friedrich Merz beim Mitgliederentscheid klar gegen seine zwei abgeschlagenen Konkurrenten durchsetzen. Aber er ist noch nicht der neue Bundesvorsitzende der CDU. Der Gewinner weiß es selbst: „Es ist noch keine endgültige Entscheidung, es ist ein Votum der Mitglieder.“ Er nehme die Nominierung der Parteibasis an. Es war eine Mahnung an die Partei-Funktionäre. Erst der Bundesparteitag am 21./22. Januar kann ihn endgültig zum CDU-Chef wählen, wenn die 1.001 Delegierten dem Basisvotum folgen. Ob er im dritten Versuch der 10. Parteichef wird, der die CDU wieder auf bürgerlichen Kurs bringt, muss sich auch erst noch zeigen.

Immerhin durften erstmals statt des Funktionärsklüngels auf Bundesparteitagen die rund 400.000 Parteimitglieder eine Vorentscheidung über den Parteivorsitz treffen.

Als Bewerber für den CDU-Vorsitz sind Ex-Kanzleramtsminister und Angela Merkels Intimus Helge Braun, Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz und Außenpolitiker Norbert Röttgen – beide im dritten Anlauf – angetreten. Der gescheiterte Kanzlerkandidat der Union und Noch-CDU-Vorsitzende Armin Laschet stellt sich nicht mehr zur Wahl. Das schlechteste Bundestagswahlergebnis aller Zeiten für die Union mit 24,1 Prozent ist Grund genug.

Am Donnerstag um 15 Uhr war im Konrad-Adenauer-Haus Annahmeschluss für die erste Mitgliederbefragung in der Parteigeschichte. Wer bis dahin seine Stimme nicht für den nächsten CDU-Vorsitzenden abgegeben hat, den bestrafte das Mitgliedsleben.

Kandidat Friedrich Merz zeigte sich kurz vor der Verkündung mit seinem Team entspannt in einem Konferenzraum des Bundestages auf Twitter: „Gute Laune und Optimismus beim #TeamCDU“.

Wie die Bundesparteizentrale dann am Freitag um 14 Uhr bekannt gab, nahmen 248.360 Mitglieder teil – 64,3 Prozent aller Parteibuchbesitzer. Das ist mit rund zwei Drittel eine hohe Wahlbeteiligung. 132.617 hätten ein Onlinevotum abgegeben (53,4 Prozent), 115.743 Mitglieder stimmten per Brief ab (46,6 Prozent). Danach hat die Parteibasis so gestimmt:

* Wahlbeteiligung 64,3 Prozent

Die Parteibasis wollte schon immer Friedrich Merz, Merkels Seilschaften haben ihn stets verhindert. Jetzt hat er gesiegt. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak musste zum Merz-Ergebnis konstatieren: „Es ist ein eindeutiges Ergebnis.“

Hinter den Kulissen haben die Seilschaften der Ex-Kanzlerin und Ex-CDU-Chefin Angela Merkel alles getan, um deren Erzfeind Merz selbst im dritten Anlauf vor die Wand laufen zu lassen. Wenn schon die Mitgliederbefragung nicht zu verhindern war, sollte zumindest eine Stichwahl her, bei der Merkelianer noch einmal mit ihrem Funktionärsapparat Einfluss auf die Basis nehmen können. Mit den 62 Prozent für Merz schon im ersten Wahlgang hat ihnen die Basis einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Schließlich sollte der aussichtslose Merkel-Intimus Braun mit seiner überraschenden Bewerbung eine Stichwahl erzwingen. An eine absolute Mehrheit schon im ersten Wahlgang hat das Merkel-Lager nicht geglaubt. Der langjährige Bundestagsabgeordnete Axel Fischer spricht aus, was zahlreiche CDU-Kollegen jetzt denken: „Mit Friedrich Merz wird Politik zukünftig wieder erklärt und für Menschen greifbar. Die Zeit der Alternativlosigkeit ist damit Geschichte! Diese Wahl ist auch eine persönliche Niederlage für Angela Merkel.“

Auch wenn Friedrich Merz nun von der Mitgliedsbasis als klarer Favorit zum Bundesvorsitzenden auserkoren wurde, heißt das noch lange nicht, dass der Wirtschaftsliberale die von Dr. Angela Dorothea Merkel grün ausgerichtete CDU wieder auf den Tugendpfad wertkonservativer bürgerlicher Werte zurückführen kann. Damit genau das nicht passiert, bauten Merkels Seilschaften für alle Fälle vor, falls der Mann aus Brilon im Hochsauerland siegt. Sie haben Friedrich Merz in den entscheidenden Gremien von Partei und Fraktion mit ihrem Personal im Grunde lebendig eingemauert. Für diese verdeckte Operation hat sicher die Ex-Kanzlerin ihre Beziehungen spielen lassen und ihre Getreuen in Marsch gesetzt. Getreu dem Poem des sowjetischen Revolutionsdichters Wladimir Majakowski: „He wer schreitet dort rechts aus? Links! Links! Links!“

Die Merkelianer wollen offensichtlich im Sinne Majakowskis halt „den Schinder zu Schanden reiten“. Also den Rest der CDU weiter im tiefen Umfragekeller lassen und sie zur Bedeutungslosigkeit verurteilen. Im Schnitt liegt die frühere 40-x-Partei von Einheitskanzler Helmut Kohl bei den Demoskopen derzeit nur noch um die 22 Prozent – also sogar unter dem desaströsen Bundestagswahlergebnis für die Union (siehe Grafik).

Die Wählerabwendung ist verständlich. Welcher Bürger mag eine grüntünchte Merkel-CDU wählen, wenn das grüne Original längst an der Macht ist, und jetzt mit SPD und FDP regiert. Nur eine wieder wertkonservative Union wäre eine Alternative. Doch diese Oppositionsrolle wird von den Merkelianern einfach der AfD überlassen. Selbst Merz als CDU-Chef in spe kann daran wohl nicht viel ändern. Schließlich präsentierte auch er sich ziemlich angepasst.

CDU-Mitglieder hatten bei der Kür kaum eine inhaltliche Wahl

Viel inhaltliche Auswahl hatten die CDU-Mitglieder bei ihrer Abstimmung ohnehin nicht: Alle drei Kandidaten plädierten brav und weitgehend dafür, dass die Union mehr Menschen mit Migrationshintergrund einbinden und für Frauen attraktiver werden müsse. Viel Einigkeit gab es auch beim Kampf gegen die Corona-Pandemie, der Klima- und der Außenpolitik. Im Grunde grüne Diktion und ein klares „Weiter so“ für den fatalen Kurs der abgetretenen Kanzlerin, der zum historischen Niedergang für die Union (24,1 Prozent) bei einer Bundestagswahl führte.

„Warum tust Du Dir das noch mal an“, habe ihn selbst schon seine Familie gefragt, berichtet Merz bei seinen Auftritten. Er gibt vor seinem dritten Bewerbungsversuch zu: „Ja, es hat schon etwas Irrationales.“

Bestenfalls könnte der haushohe Basis-Favorit Friedrich Merz versuchen, den wertkonservativen Flügel wieder etwas zu beleben. Doch dagegen halten die graue Eminenz Dr. Merkel und ihre Jünger einen Abwehrplan parat. Der Sauerländer Wirtschaftsliberale soll praktisch mit Merkel-Getreuen in der Partei- und Fraktionsführung in seiner personellen Umgebung lahmgelegt werden.

Die machtversessene Altkanzlerin Angela Merkel wird also weiter Strippen in der CDU ziehen. Ihren Erzfeind Friedrich Merz will sie, wenn sie ihn schon nicht als CDU-Chef verhindern kann, schön unter Kontrolle halten. Auch dafür lässt sie ihr Berliner Pensionärsbüro im Bundestagsgebäude Unter den Linden 71 ordentlich aufrüsten, heißt es bei Merkelkritikern. Sie wolle von dort weiter in der Politik Macht ausüben. Die Ausstattung ihrer Diensträume ist gewaltig. Neun Mitarbeiter, die zum Teil über 10.000 Euro monatlich verdienen sollen, stehen der Altkanzlerin zur Verfügung. Das sind weit mehr gut bezahlte Helferlein, als Merkels Vorgänger Gerhard Schröder je zur Seite standen. So etabliert sich Merkel mit rund 15.000 Euro Ruhegehalt praktisch zum Kopf einer staatlich finanzierten Nicht(mehr)-Regierungsorganisation (NGO).

Deswegen schickte die Alt-Kanzlerin zunächst ihre linke Hand und Ex-Kanzleramtsminister Helge Braun ins Kandidatenrennen um den CDU-Vorsitz, damit er eine Stichwahl zwischen Merz und Röttgen erzwingt. Schließlich hatte Braun keine Chance, wie die kümmerlichen 12 Prozent für ihn beweisen, sondern nur die Aufgabe, Stimmen für eine absolute Mehrheit zu rauben. Doch der Plan ist gründlich schief gegangen. Brauns jüngste Beteuerungen im Verlauf der Mitgliederbefragung, nicht von Ex-Kanzlerin Angela Merkel zur Kandidatur ermuntert worden zu sein, lösten in breiten CDU-Kreisen Lachsalven aus. Auch im Internet entwickelt sich aus solchen Politiker-Dementis ein eigener Humor.

Merkels Maurer voll am Werk gegen Merz

Damit Merz als künftiger CDU-Chef keine große Kursänderung vornehmen kann, und schön brav im grünen Mainstream mitschwimmt, werden im CDU-Bundesvorstand Merkel-Getreue platziert. So soll der grüne Merkel-Mann und baden-württembergische Landesgruppenchef im Bundestag, Andreas Jung, als stellvertretender Vorsitzender in die Parteispitze neben Merz aufsteigen. Zudem kandidiert auch die CDU-Frontfrau des Linksaußenflügels und Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, Karin Prien, für den Posten als CDU-Vize-Chefin. Das hat sie selbst lautstark verkündet mit der Begründung: Die CDU müsse „Antworten auf die Zukunft geben“. Und das sind mit Sicherheit Antworten im Sinne Merkels.

Auch die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Nadine Schön hegt Ambitionen auf den Vize-Parteivorsitz. Die Merkel-Freundin aus dem Saarland sollte im Kandidatenteam von Helge Braun zur Parteistrategin aufsteigen.
Für diese groß angelegte Postenaktion telefoniere auch Merkel-Freundin Annette Schavan im Hintergrund herum, heißt es in CDU-Kreisen. Schließlich wollten mit diesem Durchmarsch Merkels Truppen die anders tickende Basis kontrollieren.

Die gleiche Mauertaktik betreiben Merkelianer in der Bundestagsfraktion gegen Friedrich Merz. Schließlich könnte er als CDU-Chef dort auf den Vorsitz zugreifen. Genauso hatte Merkel am 23. September 2002 Merz den wichtigen Posten brachial abgetrotzt, der bereits einen Tag nach der verlorenen Bundestagswahl seinen Fraktionsvorsitz für sie niederlegen musste. „Merkel greift nach der ganzen Macht“, beschrieb die FAZ die eiskalte Operation.

Merz wäre trotz CDU-Vorsitz eine lahme Ente, wenn er nicht sofort Merkel-Mann Brinkhaus als Fraktionschef ablöst und selbst die Doppelfunktion als Oppositionsführer übernimmt. Er muss das nach seiner Wahl im Januar 2022 sofort tun. Und genau das wollen Merkels Jünger verhindern. Deswegen stänkert sein erfolgloser Konkurrent und Ex-Kanzlerdiener Braun gegen diesen Machtübernahmeakt vor wenigen Tagen im SPD-nahen Redaktionsnetzwerk Deutschland: „In der CDU wird diskutiert, ob der Parteichef gleich Fraktionsvorsitzender werden sollte. Ich halte das nicht für richtig und finde, dass Ralph Brinkhaus seine Arbeit gut macht.“ Na klar, der Merkel-Gehilfe soll an der Fraktionsspitze bleiben, Merz behindern und schwächen. Was für ein fieser CDU-Intrigenstadel.

Schon jetzt errichtet der noch bis April amtierende Fraktionschef Ralph Brinkhaus als williger Merkel-Diener eine Postenmauer mit ehemaligen Kanzlergetreuen um Merz. Beste Gelegenheit dazu war die Bundestagsfraktionssitzung am 13. Dezember, auf der die Abgeordneten über die Vergabe der wichtigsten Posten abstimmen konnten – alle Ergebnisse finden sie hier.

Ex-Kanzleramtsminister Helge Braun als Verlierer beim Mitgliederentscheid leitet seit diese Woche trotz miserablen Wahlergebnis in der Fraktion mit nur 73,8 Prozent den mächtigen Haushaltsausschuss des Bundestages. Braun soll als Haushaltschef für die Merkeltruppe die Lücke füllen, die Merkels Vertrauter Eckehardt Rehberg als Haushaltssprecher der Unionsfraktion hinterlassen hat.

Damit nicht genug: Merkels Intimus Ex-Gesundheitsminister und Ex-Generalsekretär Hermann Gröhe bleibt mit nur 82 Prozent Zustimmung weiter Vizefraktionschef für Arbeit und Soziales. Er soll wie andere Merz künftig auf die Finger schauen. Ebenso wie Nadine Schön, die auch als Vizefraktionschefin für Bildung und Digitales wieder ganz oben von den Merkelianer platziert wurde. Zudem wählten die Unions-Abgeordneten diese Woche die frühere CSU-Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär – besser bekannt als totaler Netzausfall mit ihrer Funktion im Kanzleramt – sowie den umstrittenen Ex-Gesundheitsmister Jens Spahn (CDU) mit einem blamablen Wahlergebnis von nur 74,4 Prozent zu Stellvertretern von Fraktionschef Brinkhaus. Auch ein weiterer Merkel-Vertrauter wie der Ex-Staatsminister im Kanzleramt Hendrik Hoppenstedt wird mit lediglich 83,1 Prozent zum Parlamentarischen Geschäftsführer gewählt. Merkels Ex-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner darf die Arbeitsgruppe Wirtschaft der Bundestagsfraktion leiten und kassiert dafür mit peinlichen 68,5 Prozent das schlechteste Resultat aller Arbeitsbereichsleiter.

So läuft die weitere Wahl des künftigen CDU-Vorsitzenden

Die endgültige Entscheidung über den 10. Vorsitzenden sollen dann die 1.001 Delegierten bei einem digitalen Parteitag am 21. und 22. Januar treffen. Anschließend muss die Wahl noch per Briefwahl bestätigt werden. Angeblich müssten sich die Delegierten an das Votum der Mitgliederbasis halten und den Favoriten der Abstimmung zum CDU-Vorsitzenden wählen. Deswegen seine Mahnung gleich nach Verkündung seines 62-Prozent-Sieges. Auch für Friedrich Merz stirbt die Hoffnung zuletzt.

Das sind seine neun Vorgänger:

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