Auch wenn der Bundesparteitag der Freien Demokraten im Medienalltag ziemlich unterging, kann sich Christian Lindner zumindest in seinem Wahlergebnis sonnen. Auf dem jüngsten Bundesparteitag erhielt der Vorsitzende 93 Prozent der Delegiertenstimmen. Zudem findet der jüngste FDP-Chef aller Zeiten vier Jahre nach der Rückkehr in den Bundestag, nun könne „die Sanierung der FDP als abgeschlossen betrachtet werden“.
Sein Traumziel sei jetzt, so berichten Insider, als der FDP-Chef in die Geschichte einzugehen, der als einziger die liberale Partei zwei Mal hintereinander zweistellig in den Bundestag gebracht hat. So verwundert Lindners Wahlziel auf dem Konvent nicht: „Wir müssen so stark zweistellig werden, um Schwarz-Grün und Grün-Rot-Rot zu verhindern. Unser Ziel ist es, dass Deutschland weiter aus der Mitte regiert wird.“ Schon gar nicht dürfe man den Unionskanzlerkandidaten Armin Laschet „mit den Grünen allein lassen“.
Doch zunächst setzte die Funktionärsbasis der Parteispitze im allgemeinen Wohlfühltrubel ein paar kleine Schüsse vor den Bug. Ausgerechnet die eher nach links ausgerichteten Julis haben mit ihrem Antrag Erfolg, den Rundfunkbeitrag zu senken und die öffentlich-rechtlichen Sender gründlich zu beschneiden. Womöglich merken auch die jugendlichen User von ARD, ZDF und Dritten, dass deren Berichte und unsere Wirklichkeit immer öfter nicht mehr zusammenpassen. Wie schon FDP-Chef Guido Westerwelle einst treffend feststellte: „Die veröffentlichte Meinung ist nicht die öffentliche Meinung.“
„Wir Freie Demokraten wollen einen moderneren und schlankeren öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR), der sich primär auf Nachrichten, Kultur, politische Bildung und Dokumentationen konzentrieren soll. Damit wollen wir den Rundfunkbeitrag absenken.“ Vergeblich appelliert FDP-Generalsekretär Volker Wissing an die Delegierten, den Antrag abzulehnen. Die Parteispitze wollte sich offensichtlich im Wahlkampf nicht mit den staatsnahen Mainstream-Medien anlegen.
Pech gehabt. Die knappe Abstimmung ist auch eine Niederlage für FDP-General Wissing, der sich in seiner abgelesenen Rede wiederholt auch noch verhaspelte. Womöglich belohnte der Konvent diese Vorstellung mit lediglich 86 Prozent bei seiner Wahl.
Damit nicht genug: Zudem will die FDP-Basis diesmal an der Seite der deutschen Sparer stehen, denn sie lehnt die Europäische Einlagensicherung ab.
Am 25. März hatten 61 von 80 FDP-Bundestagsabgeordneten noch artig der Schuldenunion in Europa – genannt „Eigenmittelsystem der EU“ – bei wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen mit großer Mehrheit der Regierungslinie von CDU-Kanzlerin Angela Merkel zugestimmt.
Ehrlich verdient ist der Aufschwung der FDP nicht, denn sie ist keine kämpferische Opposition. Parteichef Christian Lindner hebt seit einem knappen Jahr ab und zu mal bei dem einem oder anderen Regierungsskandal den mahnenden Finger. Doch nicht zu viel und nicht allzu hoch. Noch 2020 dümpelten die Liberalen als oppositioneller Totalausfall in den Umfragen an der Fünf-Prozent-Hürde herum. Jedoch fielen wegen des wachsenden Bürgerfrusts über das Corona-Regime von Kanzlerin Merkel, Raffkes in den Reihen der Union und vor allem durch den Intrigenstadel bei der Bestimmung des Kanzlerkandidaten von CDU und CSU die Unionswerte in den Umfragekeller. Profiteure dieses Wählerunwillens sind derzeit vor allem FDP und Grüne. An der Börse nennt man solch unverdienten Gewinne „windfall profits“. Die FDP wächst also nicht aus eigener Stärke, sondern durch die Schwäche der Union.
Nun will die FDP sogar regieren. Nur mit wem? Lieber mit Unionskandidat Armin Laschet oder der Medienfavoritin Annalena Baerbock von den Grünen?
Einen Fehler? Wir klären gleich auf, wie viele grausame Fehler das sein können.
Zum Beispiel würden die Freidemokraten von Grünen und SPD dringend gebraucht, um Mittelstand und Mittelschicht zu erklären, warum angesichts der Folgen der Corona-Krise entgegen allen Versprechen im Wahlkampf nun höhere Steuern und Sozialbeiträge geradezu eine Bürgerpflicht in der schwersten Krise unseres Landes sein sollen. Aber auch noch mehr Staatsschulden – die Schuldenbremse will Linksgrün ohnehin am liebsten abschaffen – dürften ein probates Mittel sein, um den Wohlstand vordergründig einigermaßen zu halten und Unruhen in der Bevölkerung zu vermeiden. Da kann die FDP noch so viel von Schuldenabbau reden. Der Jubel der Medien ist jedenfalls Grünen und Sozialdemokraten schon jetzt gewiss. So viel staatlicher Verantwortung kann sich doch eine FDP nicht erneut verweigern, wird es tagein, tagaus nach den Wahlen im Staatsfunk heißen.
Aus dieser selbst gestellten Falle ist schwer zu entkommen. Denn eine grünaffine Presse will ihre Grünen und nicht die Union mit einer Kanzlerin an der Regierungsspitze Deutschlands sehen. Getreu dem redaktionellen Arbeitsmotto: Jetzt das Original und nicht mehr die Merkel-Ausgabe. Jamaika könnte höchstens zum Ablenkungsthema im Wahlkampf taugen. Schließlich dürfte es angesichts der Umfragen sehr wahrscheinlich schon für Schwarz-Grün reichen, da braucht es die FDP als Reserverad nicht.
Obendrein taugt die Union nach Merkel für die Mehrheit der linksgrünen Journalisten nichts mehr – sie kann weg.
Aus Sicht der Medien muss die FDP, allen Beteuerungen während des Wahlkampfs von Parteichef Lindner zum Trotz, diesmal umfallen, schon allein, weil sie den öffentlichen Druck gewaltig erhöhen. Ohnehin lechzen in den liberalen Reihen diverse Politiker auf Ministerämter. Zum Beispiel glaube Alexander Graf Lambsdorff, dass Außenminister Heiko Maas (SPD) ihm den Sessel bereits warmhalte, damit endlich ein vermeintlicher Fachmann dort regiere, berichten einflussreiche Liberale.
So träumt die FDP auf ihrem Mai-Parteitag also von Regierungsbeteiligungen – die wahrscheinlichste scheint die Ampel zu sein.
Was wäre die Quintessenz für Wähler und Konkurrenten? Zumindest könnten sich Union und AfD im kommenden Wahlkampf mit Warnungen auf Plakaten gegen übermächtige Grüne und übermütige Freidemokraten wehren. Zum Beispiel so: Wer FDP wählt, bekommt eine grüne Kanzlerin.