Ein Wunder an der Weser gibt es auch am Sonntag nicht. Der kleine Stadtstaat Bremen hat wieder einmal gewählt, natürlich äußerst links. Mehr als 52 Prozent der Wahlteilnehmer votieren für SPD, Grüne und Linke – also für ein Weiterso, selbst wenn die Grünen mit minus fünf Prozent als die großen Wahlverlierer dastehen. Dennoch ist es hier fast schon egal, wie es in Deutschland herum bestellt ist.
Warum nur? Na, wer die Vorzüge des besten Sozialsystems der Welt nutzen möchte, nicht arbeitet, Migrationshintergrund hat, ein schlechtes Bildungssystem genießt oder sich vor dem Klimawandel fürchtet, der ist in Bremen beim linksgrünen Senat von SPD, Grünen und Linken bestens aufgehoben. Das klingt sarkastisch, ist aber im Grunde so.
Die mickrige Wahlbeteiligung mit nur noch 57 Prozent ist im Vergleich zu 2019 mit 64,1 Prozent grottenschlecht. Nicht einmal zwei Drittel der Berechtigten schreiten hier noch zur Wahl. Die Nicht-Wähler stellen in der Bremischen Bürgerschaft theoretisch mit rund 33 Prozent die größte Fraktion. Ist das schon eine lethargische Demokratie?
Die Zustände von Bremen wären also für aufgeklärte Bürger ideal, sich für eine liberale Partei zu entscheiden. Sie müsste eigentlich bei der Bürgerschaftswahl zweistellig ins Parlament einziehen. Doch die FDP fristet hier schon seit Jahrzehnten ein Randgruppendasein, wie seit Sonntag erneut.
Dabei prägt nicht nur die höchste Arbeitslosigkeit die Hansestadt, obendrein hält Bremen auch noch beim INSM-Bildungsmonitor in Deutschland mit Platz 16 die rote Laterne hoch. Der höchste Anteil der Schüler erreicht hier nicht einmal die Mindeststandards. Fast ein Viertel der ausländischen Schüler absolviert laut INSM-Monitor die Schule ohne Abschluss. Bildungsarmut hoch, Schulqualität schlecht, Arbeitsplätze und solide Finanzen nicht in Sicht. Also alles gute Gründe, links zu wählen, damit das Leben im Sozialsystem schön weitergeht.
An der Weser regiert dafür der unbekannteste Bürgermeister aller Bundesländer, Andreas Bovenschulte (SPD), mit seinen Regierungssenatoren Maike Schäfer von den Grünen für Verkehr und Ex-Kneipenwirtin Kristina Vogt von den SED-Erben ausgerechnet für Wirtschaft. Sie dürfen seit diesem Wahlabend frohgemut weiterwursteln als Schlusslicht aller Bundesländer. Und – wenn man den Bürgermeister schon bundesweit nicht kennt, behält man ihn am besten, denkt wohl fast jeder zweite Wahlteilnehmer. Seit 77 Jahren stellt die SPD den OB. Dabei sind nur 41 Prozent der Bremer mit der Senatsarbeit zufrieden. Egal, Linksgrün soll eben einfach weitermachen.
Statt AfD nun bürgerlicher Protest mit BIW
Die Union hat in der Bremischen Bürgerschaft nichts zu hupen, ebenso wenig wie die FDP. Selbst die bundesweit schwindsüchtigen SED-Erben präsentieren sich an der Weser noch doppelt so stark wie die FDP mit ihren zittrigen fünf Prozent. Die wahren Wahlsieger sind jedoch nur die konservativen „Bürger in Wut“ (BIW), auch weil die Alternative für Deutschland an der Weser nicht zur Wahl antreten durfte. Ein Plus von über sieben Prozent auf jetzt über zehn Prozent sprechen Bände. Laut Forschungsgruppe Wahlen haben sich 16 Prozent ehemaliger CDU- und 32 Prozent ehemaliger AfD-Wähler für „Bürger in Wut“ entschieden. In Bremerhaven kommen die wütenden Bürger als zweitstärkste Kraft sogar auf 22,4 Prozent.
FDP-Chef Christian Lindner war am Wahlabend bei ARD und ZDF gar nicht erst zu sehen. Sein Fraktionschef im Bundestag Christian Dürr durfte vor Ort im Fernsehen Optimismus verbreiten, die FDP habe ihr Ziel erreicht und den Wiedereinzug ins Landesparlament geschafft. Die Freidemokraten jubeln auf der Bremer Wahlparty fast wie Gewinner und sind halt froh, noch dabei zu sein. Dazu verspricht dann Dürr übliche Floskeln wie: „Wir konzentrieren uns jetzt auf die inhaltliche Arbeit.“ Dennoch müssen die Liberalen trotz Ausschlusses der AfD nach den ersten Prognosen zittern.
Allerdings kann sich die FDP noch einmal knapp über die Fünf-Prozent-Hürde in die Bremische Bürgerschaft retten. AfD-Sympathisanten als Wahlhelfer der FDP, wer hätte das gedacht? Lindner selbst will offiziell keine Übereinstimmungen von FDP- und AfD-Wählergruppen sehen. Doch es gibt sie halt, wie die Wahl in Bremen zeigt. Hier wanderten laut Infratest dimap etwa ein Prozentpunkt ehemaliger AfD-Wähler zur FDP und die reichten dann wohl für die Überwindung der Fünf-Prozent-Hürde. In Niedersachsen 2022 geschah das Gegenteil, da liefen zehntausende FDP-Wähler zur AfD über – siehe Grafik unten.
Aber vor allem in der Hansestadt hatten FDP-Kreise seit langem mit einem sicheren Rauswurf aus der Bremischen Bürgerschaft gerechnet. In Umfragen lag sie bei nur vier Prozent. Mit dem AfD-Ausschluss kletterte die FDP schnell auf sechs Prozent hoch. Also ausgerechnet der geliebte Feind von der AfD rettet der FDP jetzt ihre Abgeordnetensitze im Stadtparlament, nur weil die in Bremen zerstrittene Alternative zwei konkurrierende Wahllisten eingereicht und der Bremer Landeswahlausschuss die Partei nicht zur Bürgerschaftswahl am 14. Mai zugelassen hatte.
Schließlich wird bei der AfD, wie schon in Sachsen, alles ganz genau geprüft und schon der kleinste Grund zur Ablehnung ins Feld geführt. In Umfragen lag die AfD bis März jedoch bei sieben Prozent, die sich jetzt wohl auch auf die FDP und vor allem die „Bürger in Wut“ zum Ärger der Einheitsmedien verteilt haben. Ergo, ein nicht verdienter FDP-Erfolg, besser ein blaues Auge, den die Parteispitze nun als Legende vom Aufschwung verbreiten kann – der AfD sei Dank.
Selbst wenn Lindner es bestreitet, bei INSA-Umfragen zu politischen Themen liegen FDP- und AfD-Wähler in ihren Ansichten oft nah beieinander. So fragten die Erfurter Demoskopen Ende März: „Wie würden Sie es bewerten, wenn eine parlamentarische Mehrheit für Gesetze und Beschlüsse im aktuellen Bundestag mit Hilfe der AfD zustande kommen würde?“ Mit großem Abstand zu allen anderen Parteien beantworten FDP-Wähler diese INSA-Frage mit 57 Prozent positiv. Hingegen finden parlamentarische Mehrheiten mit AfD-Stimmen nur 31 Prozent der CDU-Wähler, 21 Prozent der Linken und jeweils 17 Prozent der SPD- und Grünen-Wähler gut.
Schon bei der Niedersachsen-Wahl liefen vor sieben Monaten aus Frust über Lindners Berliner Ampel-Politik gleich 40.000 FDP-Wähler selbst zu einem zerstrittenen Landesverband der AfD über.
Insofern lag Thüringens kurzzeitiger, aber demokratisch gewählter Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) seinerzeit zumindest bei den Wählern völlig richtig. Er hatte am 5. Februar 2020 seine Wahl zum Regierungschef trotz AfD-Stimmen angenommen, weil er mit FDP und CDU wie Rot-Rot-Grün eine Minderheitsregierung bilden wollte. Doch Kanzlerin Dr. Angela Dorothea Merkel (CDU) ordnete aus dem Ausland an, dass diese demokratische Wahl rückgängig zu machen sei. Punkt – Ausführung.
Das kleine Wunder von Bremen für die FDP ist also keines. Aus Alternativlosigkeit wählten freiheitlich gesinnte Bürger offensichtlich noch einmal die FDP, obwohl Lindners Freidemokraten mit ihrer Unterstützung einer wirtschafts- und freiheitsfeindlichen Grünen-Politik in der Ampel-Regierung für viele FDP-Stammwähler unwählbar bleiben. Deswegen sind sie am 9. Oktober 2022 in Niedersachen aus dem Parlament geflogen und in Berlin am 12. Februar dieses Jahres. Bereits im Oktober droht den Liberalen in Bayern wieder ein Scheitern.
Eine Schwalbe in Bremen macht halt keinen Sommer. Wenn es schon 2022 desaströse Wahlergebnisse in Schleswig-Holstein, NRW, Saarland, Niedersachsen und 2023 in Berlin für die FDP gab, warum soll es 2023 bei den kommenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen viel besser werden?
Daher gilt weiter: Tritt die AfD bei Wahlen an, muss die FDP um ihre politische Existenz zittern. Dann wirken schon fünf Prozent notwendige Wählerstimmen wie eine riesige Hürde. Es bleibt die Frage: Wie lange wollen die Freidemokraten ihre illiberale Ausgrenzungspolitik gegenüber der AfD weiterbetreiben? Sie schadet mehr als sie nutzt. Aversionen im Bundestag mit Vertretern der ehemaligen Täterpartei SED alias PDS alias Linke zusammenzuarbeiten, haben FDP-Abgeordnete oder Funktionäre trotz Mauertoten, politischen Gefangenen und Menschenhandel längst nicht mehr gezeigt.
Dafür darf die kleine FDP-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft demnächst zuschauen, wie die Grünen weiter versuchen, Tempo 30 im Stadtverkehr flächendeckend doch noch durchzusetzen, selbst wenn zwei Drittel der Bremer dies ablehnen. Gelernt ist gelernt. Grüne peitschen auch ein Gasheizungsverbot in der Berliner Ampel durch. Habecks und Baerbocks Truppen handeln insofern wie die imaginären Borg aus Star Trek: „Wir sind die Grünen – Widerstand ist zwecklos, sie werden assimiliert.“ Und die FDP ist bislang stets dabei als Kampfreserve der grünen Partei. Zugegeben, in Bremen selbst halt noch nicht.