Beim EU-Gipfel in Brüssel wurde lange gefeilscht. Am lautesten beschwerten sich die Regierungschefs von Frankreich und Italien, dass EU-Länder mit Vernunft wie Österreich oder Schweden beim Geld ausgeben auf die Bremse treten. Italien, Spanien, Frankreich, Portugal und Griechenland haben ihre Volkswirtschaften schon vor Corona in die wirtschaftliche und finanzielle Krise gefahren. Jetzt soll wieder mal deutsches Steuergeld die europäische Harmonie retten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sah sich bei den Verhandlungen in der freigiebigen Vermittlerrolle, denn Deutschland führt seit dem 1. Juli den Vorsitz der 27 EU-Länder.
Doch die Corona-Krise wird in Europa missbraucht, um die finanzielle Misswirtschaft der Südländer auszubügeln, und eine Umverteilung zu Lasten Deutschlands zu organisieren. Es geht um eine „Nachtschlacht um unser Geld“ wie die Bild am Montag titelte – das hart erarbeitete Steuergeld von hart arbeitenden Menschen. Oder um es einmal für Kanzlerin Merkel, die bei dieser Umverteilung „mit Wucht“ die treibende Kraft ist, in DDR-Deutsch zu übersetzen: Es geht um unser Volkseigentum!
Also warum gibt es für solche reichen Länder nicht ausschließlich Hilfskredite statt nicht rückzahlbare Zuschüsse, die oft unkontrolliert versickern?
Wäre es allein nach dem ursprünglichen Hilfspaket und der Merkel-Devise „mit Wumms“ gegangen, also mit 500 Milliarden Euro an Zuschüssen, hätten nach Vorabberechnungen diese Länder wie folgt profitiert:
Italien bekäme 81,8 Milliarden, Spanien 77,3 Milliarden, Frankreich 38,8 Milliarden, Polen 37,7 Milliarden, Griechenland 28,8 Milliarden und Portugal 15,5 Milliarden Euro. Deutschland könnte nach Aussagen der Kanzlerin vor der Unionsfraktion bestenfalls mit 23 Milliarden Euro aus dem Hilfstopf rechnen.
Besonnene EU-Staaten unter Führung Österreichs wollten nur höchstens 350 Milliarden Euro an Zuschüssen zustimmen. Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollten nicht unter 400 Milliarden Euro abschließen. EU-Ratspräsident Charles Michel machte den Verhandlungsvorschlag, den Anteil der Zuschüsse im Corona-Rettungsprogramm auf 390 Milliarden Euro zu senken. Wie Die Welt von beteiligten Diplomaten wissen will, hat man sich inzwischen auf diese Summe geeinigt.
Mit dem gefundenen Kompromiss sollen „nur noch“ 390 statt 500 Milliarden Euro direkt und nicht rückzahlbar in die Staatskassen fließen. Das sind 22 Prozent weniger Stütze.
Italien erhielte jetzt 63,8 Milliarden Euro, Spanien 60,3 Miliarden. Frankreich bekäme 33,3 Milliarden Euro, Polen 29,4 Milliarden, Griechenland 22,5 Milliarden und Portugal 12,1 Milliarden Euro.
Deutschland hingegen würde nur maximal 18 Milliarden Euro aus dem Hilfsfonds erhalten – also deutlich weniger als Griechenland.
Unklar bleibt jedoch die Kontrolle über die Verwendung der dreistelligen Milliarden-Zuschüsse. Vor allem aber – wie wird in Ländern wie Griechenland oder Italien damit umgegangen, wenn es keine streng geregelte Überwachung gibt? Stellen süditalienische Mafia-Paten in Erwartung des vielen EU-Geldes jetzt schon einmal ihren Prosecco kalt?
Deutschland zahlt auch noch für Großbritanniens Brexit
Damit nicht genug: Schließlich haftet Deutschland auch noch mit rund 85 Milliarden Euro für Griechenlands EU-Rettungspakete. Zudem steht Italien bei EU-Banken mit Krediten in Höhe von 446 Milliarden Euro in der Kreide und Deutschland ist nach Frankreich mit 60 Milliarden zweitgrößter Gläubiger.
Obendrein wird in Brüssel jetzt auch noch das EU-Budget für die kommenden sieben Jahre verhandelt. Es geht bei diesem Haushaltsrahmen um rund 1,8 Billionen Euro. Weil Großbritannien rechtzeitig die Europäische Union verlassen hat, muss Deutschland als EU-Hauptzahler auch noch das Finanzloch durch die wegfallenden britischen Mitgliedsbeiträge füllen. Laut Schätzung der Bundesregierung wird der deutsche EU-Jahresbeitrag von 2021 bis 2027 um 42 Prozent steigen. Von heute jährlich 31 Milliarden Euro um 13 Milliarden dann auf 44 Milliarden Euro pro Jahr. Das sind für Deutschland in den nächsten sieben Jahren zusätzliche 91 Milliarden Euro an EU-Beiträgen.
Österreich, Holland, Dänemark und Schweden – gerne von deutschen Medien als die „Sparsamen Vier“ kritisiert – sind mit Finnland jetzt zu fünft. Sie protestieren zu Recht dagegen, diese einseitige Party zu bezahlen. Vor allem aber am wenigsten davon zu profitieren. Deutschland müsste diesen sparsamen und vernünftigen Nachbarn dankbar sein. Doch Kanzlerin Merkel stänkert lieber im Hintergrund in Tateinheit mit den deutschen Mainstreammedien gegen diese Position der Haushaltsvernunft.
Wird Deutschland diese freigiebige und einseitige Solidarität von unseren südlichen und östlichen Nachbarn gedankt? Werden europäische Kunst- und Kulturschaffende ein „Danke Deutschland“ Konzert organisieren und auf der Bühne für die deutschen Steuerzahler spielen und singen? Wohl kaum.
In der Finanzpolitik gibt es keine Dankbarkeit – schon gar nicht für das spendable Deutschland. Als Deutschland in seinem Interesse eine Pkw-Maut durchsetzen wollte, die deutsche Autofahrer schont, wurde in Europa sofort geklagt.