Tichys Einblick
Fußball-WM in Katar

Eine Weltmeisterschaft zum Vergessen

Die Fußballweltmeisterschaft im Advent und mitten in der Wüste lässt die Fans eiskalt. Sie zeigt, wie Top-Ereignisse des Sports immer mehr politisch missbraucht, aber auch kommerziell gekauft werden.

Airbus der Lufthansa mit "Diversity Wins"-Aufschrift vorm Abflug der Nationalmannschaft zur WM, Frankfurt, 14.11.2022

IMAGO / Marc Schüler

Der Ball rollt beim größten Fußballereignis der Welt, doch diesmal nicht im Sommer, sondern im Winter und dann auch noch mitten in der Wüste. Nicht so sehr das gastgebende Wüstenland, sondern vor allem der Termin vor Weihnachten in Europas Kälte hat viele Fans aufgebracht.

Die WM ist in Katar mit einer 0:2 Niederlage der WM-Gastgeber eröffnet worden. Aber entscheidend ist leider nicht mehr auf’m Platz, wenn das Runde ins Eckige soll. Denn Sport ist heuzutage käuflich und politisch.

Ein reicher Ölstaat, in dem Fußball zuvor eine Nebenrolle spielte, hat sich die Weltmeisterschaft im Grunde gekauft – selbst wenn darüber ein FIFA-Kongress abstimmte. Doch Weltkonzerne wirkten hier als Hauptsponsoren mit.

Obendrein kommt in Katar keine Fußballbegeisterung auf. Wie auch: Es ist eben kein Land für Balltreter und Bewegungsspiele mit dem runden Leder. Schon am Abend des Eröffnungsspiels konnte Katars Staatsoberhaupt Emir Tamim bin Hamad Al Thani lernen, wie schnell sich nach dem 0:2 für Ecuador gegen die Gastgeber ganz schnell die Tribünen leerten. Merke: Emotionen kann man auch mit Petrodollars nicht kaufen und schon gar nicht mit bezahlten Jublern.

Die wahren Fußballfans müssen jetzt unter einer Winter-WM leiden und frieren. Bier in der Kälte macht keinen froh und Glühwein passt zum Weihnachtsmarkt und nicht zum Fanfest, die es nun nicht mehr gibt.

Doch das System käuflicher Wettbewerbe weitet sich immer mehr aus. Wohlsituierte Bürger des Westens wollen aus Umweltgründen meist keine sportlichen Großereignisse mehr, also greifen sich autoritäre Staaten wie China oder Katar solche Sporthöhepunkte ab. Diese Wohlsituierten Bürger, ob in Europa oder Nordamerika, mögen einfach nur noch ihre Ruhe. Beschweren sich aber dann über die Zustände in anderen Austragungsländern. Nur zur Erinnerung: München, Hamburg, Boston oder Calgary lehnten Bewerbungen für Olympische Spiele rundweg ab.

Fußballsport in Katar wird von den Medien in die Ecke gerückt

Hinzu kommt: Bei der WM in Katar wird der Fußballsport, an sich die schönste Nebensache der Welt, immer mehr in den Hintergrund gerückt.

Stattdessen erregen sich deutschen Medien über fehlende Rechte für sexuelle Minderheiten im Wüstenstaat. Für Schwule, Lesben und Transsexuelle sollen Europas Kicker ostentativ in die Bresche springen. Die meisten Nationalspieler haben sich dem politischen Kollektivzwang ergeben. Zustände wie einst im sozialistischen Lager.

Obendrein tut die Führung des DFB alles dafür, damit grünaffine Journalisten ihr Futter bekommen. Schon der Lufthansa-Flieger der deutschen DFB-Kicker politisiert die Spiele mit dem Schriftzug „Diversity Wins“. Aber nicht ganz bis Katar, das traut man sich nicht und fliegt dann ohne Slogan ans Ziel – man kann es Gratismut nennen.

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Aber Vorsicht: Denn es könnte auch zum Ende der WM heißen: „Diversität verliert“. Vor allem, wenn man an die dürftige Qualität der Deutschen Fußballnationalmannschaft denkt nach dem mageren 1:0 des viermaligen Weltmeisters gegen Fußballzwerg Oman. Durch die Zwangsreduzierung auf „Die Mannschaft“ hatte das deutsche Nationalteam ohnehin Millionen Fans verloren. Da hilft es auch wenig, wenn man die Streichung von „deutsch und national“ jetzt wieder diskret aufhebt, ohne eine Ansage zu machen, ob unsere Elf wieder „Deutsche Fußballnationalmannschaft“ heißt.
Vor der Großmacht China hatten die Moralisierer große Angst

Die Menschenrechte in China spielten bei olympischen Sommer- und Winterspielen keine so dominierende Rolle wie jetzt bei der Fußball WM in Katar. Denn der Wüstenstaat mit seinen 2,9 Millionen Einwohnern ist sehr klein, China hingegen mit seinen über 1,4 Milliarden Menschen riesengroß und wirtschaftlich übermächtig. Da will westliche Kritik wohl dosiert sein, sonst gibt es keine Chips für die europäische und amerikanische Industrie.

Abtörnend sind für wirkliche Fußballsfans derzeit schier endlose Berichte über politische One-Love-Binden der Fußball-Kapitäne, um ihr Zeichen für die kleine radikale Minderheit der LGBT-Bewegung zu setzen.

Die Schicksale und das normale Leben von hart arbeitenden Familien mit ihren Kindern geraten immer mehr in den Hintergrund. Sie sind ja die übergroße Mehrheit und müssen für die Aktivisten unter den Journalisten sowie für linksgrüne Politiker am besten allein klarkommen.

Doch der Regenbogen als politisches Zeichen für Schwule, Lesben und Trans-Personen, jetzt gerne unter dem Begriff „queer“ versteckt, darf in Katar nicht auftauchen, weil der arabische Raum solche Symbole verbietet. Deswegen hatte die westliche Minderheit jetzt die One-Love-Spielführerbinde am Arm für die ganze Welt entdeckt. 

Allerdings spielt jetzt die FIFA nicht mit. Die „One Love“-Kapitänsbinde der europäischen Spielführer um Manuel Neuer und Harry Kane hat am zweiten WM-Tag zum großen Zerwürfnis mit dem Fußball-Weltverband geführt. Die FIFA setzte die an der Kampagne für Regenbogen-Vielfalt und Menschenrechte beteiligten UEFA-Teilnehmer stark unter Druck. Sie drohte mit sportlichen Sanktionen. Der Deutsche Fußball-Bund und die weiteren Verbände verzichteten auf einmal in Katar nun doch auf das politische Stückchen Stoff. Konsequenzen drohten: Es hätte wohl mindestens Gelbe Karten für die Kapitäne oder sogar Punktabzüge geben können. Da spielt man doch lieber regenbogenfreien Fußball.

 

Die Entscheidung der FIFA ist richtig, wenn sie konsequent geblieben wäre. Denn es geht um Fußballsport und nicht um Politik und Ideologien. „Bei FIFA-Endrunden muss der Spielführer jedes Teams die von der FIFA bereitgestellte Spielführerbinde tragen“, heißt es im Reglement, das „von allen Fußballbeteiligten verabschiedet worden“ sei, so die FIFA-Begründung.

Doch der Weltverband mit ihrem Präsidenten Gianni Infantino präsentiert sich selbst inkonsequent, weil die FIFA den WM-Kapitänen stattdessen anbot, schon ab dem ersten Spieltag der WM-Gruppenphase die Sonder-Binde mit ihrer eigenen Kampagne „No Discrimination – Keine Diskriminierung“ zu tragen.

Was im Grunde auch eine politische Botschaft ist, mit der man den Zeichen-setzen-Aktivsten nur Tür und Tor öffnet.

Sicher können sich Fußballspieler und Sportler gesellschaftspolitisch engagieren, aber das sollten sie vor dem Stadion, in ihrer Freizeit oder auf Pressekonferenzen tun.

Ein eher kleiner Teil der Welt will jedoch Sportstadien immer mehr für permanente politische Symbolik und Propaganda missbrauchen, anders kann man es nicht mehr nennen. Politik statt Sport – als ob es das in Zeiten des Kalten Krieges zwischen Ost und West nicht schon gegeben hätte. Schließlich hätte die FIFA unter dem Beifall des Westens sozialistische Hammer-und-Sichel-Kapitänsbinden zu Ehren von Arbeitern und Bauern in aller Welt vor 35 Jahren definitiv nicht erlaubt.

Blamabel genug war die aktuelle Bindenposse bei der WM der Fußballtreter obendrein – von 13 europäischen Ländern hätten mindestens drei Mannschaften bei dieser politischen „One Love“-Propaganda nicht mitgespielt: Kroatien, Polen und Serbien.

Zudem machen auch die Teams aus Afrika, Asien und Südamerika als Aktivisten hierbei nicht mit.

Nun muss der kleine harte Kern der UEFA-Teams eingestehen: „Die FIFA hat sehr deutlich gemacht, dass sie sportliche Sanktionen verhängen wird, wenn unsere Kapitäne die Armbinden auf dem Spielfeld tragen,“ teilten die Verbände von Deutschland, England, Wales, Belgien, Dänemark, der Niederlande und der Schweiz am Montag mit. „Als nationale Verbände können wir unsere Spieler nicht in eine Situation bringen, in der sie mit sportlichen Sanktionen, einschließlich Platzverweisen, rechnen müssen. Deshalb haben wir die Spielführer gebeten, die Armbinden bei Spielen der FIFA-WM nicht zu tragen.“

Wer nachzählt, bemerkt, es sind nur noch sieben von einst 13 One-Love-Aktivisten übriggeblieben. Das Spielchen hätte man sich also vorher schenken können. 

Neue Lachnummer: Fußballer sollen Regenbogensenkel schnüren

Doch die Minderheiten-Politik hört nicht auf und ist an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten. Wenn schon keine One-Love-Binde, dann sollten die Balltreter wenigsten ihre Schuhe mit Senkeln in Regenbogenfarben schnüren, geben deutsche Fußballexperten keine Ruhe. „Infantino hat es sogar geschafft, die Mannschaften zu zwingen, die #OneLove-Binde nicht zu tragen. Wie erbärmlich?! Wie wäre es mit Regenbogen-Schnürsenkeln?„, schlägt jetzt der 40-Jährige homosexuelle Ex-Nationalspieler und ARD-Experte Thomas Hitzelsperger bei Twitter vor. Einfach mal guten und erfolgreichen Fußball spielen, kommt diesem Experten nicht in den Sinn.

Warum aber die mediale wie politische Aufregung jetzt? Die Wüsten-WM wurde vom FIFA-Kongress bereits vor 12 Jahren an Katar vergeben.

Wo waren diese hochtrabenden Moralapostel des Westens eigentlich als die Fußballweltmeisterschaft an das reaktionäre Katar ging? Die meisten Westverbände haben die Klappe gehalten, weil Asien, Afrika und Südamerika immer mehr Macht und Einfluss auf den FIFA-Kongressen gewinnen. Schließlich möchte der Westen ja auch noch einmal eine WM in Europa oder Nordamerika ausrichten. Nur dazu braucht man halt die Stimmen der restlichen Welt, die jedoch die Mehrheit bei Funktionären und Weltbevölkerung stellen.

Umso lauter beschwert man sich jetzt über mangelnde Menschenrechte und jeden Fehler, den die Kataris jetzt machen. Wie radikal und gefährlich sich Asyleinwanderer aus arabischen Ländern in Deutschland gegenüber Homosexuellen oft verhalten, ist den staatstragenden Medien übrigens weitgehend egal. Das wäre ja ausländerfeindlich.

 Statista

Sicher ist die WM im Wüstenstaat trotz schöner Stadien vor Weihnachten für die meisten Fußballfans ein Flopp. Glühwein statt Bier und keine Fanfeste in der europäischen Kälte sind stattdessen Programm. Doch echte Fans schauen trotzdem am Fernsehschirm die WM, egal ob Moralapostel ihr Ballfest schlecht reden – eben weil eine Weltmeisterschaft nur alle vier Jahre stattfindet. 

Immerhin hatten die linken Ultra-Fangruppen in den Bundesligastadien Wochen zuvor eine gewaltfreie Aufgabe, zum Boykott der WM am Bildschirm aufzurufen. Aber es wird ohnehin keiner gezwungen, Fußball zu schauen – schon gar nicht, wenn Claudia Neumann vom ZDF kommentiert. Nach dem Motto: Sie wollen sie nicht hören, wir senden sie trotzdem. Die bei Fans unbeliebte Sportreporterin kann man übrigens wieder über die „Audiodeskription“ am Fernseher wegschalten, weil auf dem Kanal für Sehbehinderte meist Radioreporter wohltuend kommentieren.

Doch es gibt noch mehr Schadenfreude: Der große FIFA-Sponsor Anheuser Busch darf sein Budweiser – entgegen aller Abmachungen – nicht ausschenken, weil Katar und der Emir es im antialkoholischen Wüstenstaat in letzter Minute verhinderten. Ja, das habt ihr davon, ihr Großkonzerne. Denn sie kaufen sich bei sportlichen Großereignissen mit zig Millionen ein und spielen bei den Vergaben eine einflussreiche Rolle. Vor allem die Amerikaner bestimmen hier meist, wo es sportlich lang geht. Neben Budweiser, gehören Coca Cola und Mastercard regelmäßig als Hauptsponsoren dazu. Kein Wunder, dass die Fußball WM 2026 zum zweiten Mal in den USA, aber auch in Kanada und Mexiko stattfindet.

Für die echten Fans ist das Bierverbot in den Stadien des islamischen Staates zwar ein Verlust, schließlich gehört Bier zum Fußball-Kulturgut dazu, aber so spart man wenigstens beim Taschengeld.

Zum Schluss noch ein ironischer Hinweis an die Berufsempörer in Politik, Sport und Medien: Passt mit eurem Protestgehabe gegenüber Katar auf, sonst wird’s bald noch viel viel knapper mit Öl und Gas. Nach Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen machte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seinen Diener beim Emir von Katar, den Scheichs aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo er für den Winter um Flüssiggas und Erdöl bettelte. Mittlerweile hat Katar übrigens einen langfristigen LNG-Liefervertrag mit China abgeschlossen. Da spielten Regenbogen-Rechte und One-Love-Binden gar keine Rolle.

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